Entlastungspaket der EU: Trendwechsel oder leere Versprechungen?

Die EU möchte an den hochgesteckten „Klimazielen‟ für die Industrie festhalten sowie gleichzeitig Bürokratie abbauen und die Energiepreise senken, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa wiederherzustellen. Kann diese Strategie tragen?

picture alliance/dpa | Thierry Monasse

„Europa ist seit Jahrhunderten führende Industriemacht, weil wir mit der Zeit gegangen sind‟, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche beim EU-Industriegipfel in Antwerpen. Entgegen der Aussagen der Kommissionspräsidentin sieht die Situation aktuell jedoch alles andere als rosig aus. Der europäische Wirtschaftsstandort droht an hohen Energiepreisen und Bürokratieflut zu zerbersten.

Hohe Energiekosten dank grüner Transformation – Stahlindustrie unter Druck

Die EU-Kommission unter von der Leyen muss nun handeln. Ein Maßnahmenpaket soll helfen, Energiekosten zu senken und gleichzeitig „grüne‟ Technologien voranzubringen. Doch wie das in der Praxis funktionieren soll, ist fraglich.

Ein wichtiges Ziel der EU ist es, die klassische Industrie in Europa zu stärken und gleichzeitig den CO2-Ausstoß von emissionsintensiven Stahl- und Zementwerken drastisch zu senken. Doch die Dekarbonisierung dieser Schlüsselbranchen ist mit großen Herausforderungen verbunden. Die Umstellung auf grüne Technologien bringt erhebliche Zusatzkosten für Unternehmen mit sich. Steigende Produktionskosten und technische Umrüstungen setzen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie unter Druck.

Die EU fordert von der Stahlindustrie eine Umstellung der Produktion auf Wasserstoffbasis: Grüner Wasserstoff ist in der EU jedoch – insbesondere in Deutschland – nicht ausreichend verfügbar, was vor allem an fehlenden Produktionskapazitäten liegt. Es mangelt unter anderem an Elektrolyseuren, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Der Wasserstoffanteil am Energiemix der EU liegt derzeit bei weniger als zwei Prozent.

Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass bis 2030 bis zu 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs importiert werden müssen, um den steigenden Bedarf zu decken. Für große Stahlproduzenten wie Thyssenkrupp, Salzgitter und ArcelorMittal stellt das ein Problem dar.

Der Mangel an Wasserstoff lässt die Produktionskosten für „klimaneutralen“ Stahl explodieren, während die Umstellung auf wasserstoffbasierte Verfahren hohe Investitionen in neue Produktionsanlagen erfordert. Die sogenannten Direktreduktionsanlagen (DRI-Anlage), die für die Wasserstoff-Stahlproduktion notwendig sind, verursachen immense Kosten – allein die geplante Anlage von Thyssenkrupp in Duisburg soll rund drei Milliarden Euro kosten. Außerdem mangelt es in Europa an einer Pipeline-Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff.

Zementbranche vor Umbruch: „Klimavorgaben“ treiben Kosten

Auch in der Baubranche zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Erstmals wurden im November letzten Jahres verbindliche Standards für klima- und umweltfreundlichen Zement und Beton in der EU festgelegt. Als Schlüsselstrategie für die grüne Transformation wird die Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie angeführt – ein Verfahren, bei dem CO2 abgeschieden und unterirdisch gespeichert werden soll. Doch die Umstellung der Branche auf CCS bringt hohe finanzielle Belastungen mit sich.

Ein Greenpeace-Bericht prognostiziert, dass allein in Deutschland in den nächsten 20 Jahren bis zu 81,5 Milliarden Euro nötig wären, um CCS flächendeckend zu implementieren. Auf europäischer Ebene sind die Kostenprognosen folglich noch höher: Laut Schätzungen des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) werden sich die Gesamtkosten der geplanten CCS-Projekte auf rund 520 Milliarden Euro belaufen. Besonders brisant: Bis zu 140 Milliarden Euro dieser Summe werden wohl von den Steuerzahlern getragen werden müssen.

Stromsteuern senken und Gemeinschaftskäufe von Gas: Ein Balanceakt der EU

Ein vielversprechender Ansatz, den die EU im Rahmen ihres neuen Maßnahmenpakets verfolgt, ist die Senkung der Strompreise sowie die Beschleunigung des Netzausbaus. Doch wie genau diese Vorhaben simultan umgesetzt werden sollen, bleibt unklar.

Was viele übersehen: Der Stromnetzausbau im Kontext der grünen Transformation erfordert enorme Investitionen. Schätzungen zufolge könnten die Gesamtkosten bis 2045 zwischen 651 und 732 Milliarden Euro betragen – und das allein in Deutschland.

Die Kosten für den Netzausbau werden über die Netzentgelte direkt auf die Strompreise umgelegt, was sowohl Privathaushalte als auch die Industrie finanziell belastet. Die Netzentgelte, die bereits 20 bis 25 Prozent des gesamten Strompreises ausmachen, dienen als Finanzierungsinstrument für den Netzausbau. Doch ein verstärkter und beschleunigter Ausbau der Netze könnte die Netzentgelte weiter in die Höhe treiben – was letztlich einer indirekten Strompreiserhöhung für Verbraucher gleichkäme.

Wie also die Netze für erneuerbare Energien konsequent ausgebaut und gleichzeitig die Abgaben für Verbraucher niedrig gehalten werden sollen, bleibt ein ungelöstes Rätsel.

„Klimaneutrale“ Energieprojekte: Günstiger Strom oder teurer Irrweg?

Um die Strompreise zu senken, plant die EU-Kommission außerdem, den sogenannten „Clean-Tech-Sektor‟ gezielt zu fördern. Unternehmen, die Windturbinen und Solarmodule entwickeln, sollen in öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt werden – insbesondere gegenüber chinesischen Anbietern.

Das erklärte Ziel: 40 Prozent der Schlüsselkomponenten für „erneuerbare Energien“ sollen künftig in Europa produziert werden. Aktuell dominieren chinesische Unternehmen den Markt nahezu vollständig. 95 Prozent der in der EU verwendeten Solarmodule stammen aus China, ebenso expandieren chinesische Hersteller im Offshore-Windsektor zunehmend nach Europa.

Das Vorhaben könnte sich jedoch als teurer Fehlschlag erweisen. Noch mehr Subventionen für „erneuerbare Energien“ werden die europäische Industrie kaum wettbewerbsfähiger machen. Wind- und Solarkraft sind wetterabhängig – gerade in Deutschland, wo insbesondere in den Wintermonaten oft zu wenig Sonne und Wind zur Verfügung stehen, sind Solar- und Windkraft keine sinnvolle Lösung. Das führt unweigerlich zu Energieengpässen und daraus resultierend zu steigenden Strompreisen.

Um eine zuverlässige und kosteneffiziente Energieversorgung zu gewährleisten, braucht es eine robuste Grundlastfähigkeit, die Wind- und Solarenergie nicht bieten können. Die einzige realistische Alternative bleibt die Kernkraft, die konstant, unabhängig von Wetterbedingungen und mit geringen Emissionen, Strom produziert. Brüssel ignoriert diese Option jedoch weitgehend.

Bürokratieabbau: Eine echte Entlastung oder nur leere Versprechen?

Auch die Bürokratie soll in der EU reduziert werden, zumindest auf dem Papier. Ein neuer Vorschlag sieht vor, vier Fünftel der europäischen Unternehmen von Berichtspflichten zu befreien und bestehende Auflagen zu lockern, etwa beim umstrittenen Lieferkettengesetz. Künftig sollen Unternehmen nur noch ihre direkten Geschäftspartner auf die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards überprüfen müssen – und nicht mehr die gesamte Lieferkette. Zudem soll die Einführung des Gesetzes um ein Jahr auf Juni 2028 verschoben werden.

Doch ob dieser Bürokratieabbau tatsächlich eine spürbare Entlastung für Unternehmen bringt, bleibt fraglich. Die EU ist bekannt dafür, dass auf jede abgeschaffte Regelung neue Regeln folgen. In der Vergangenheit war es gängige Praxis, dass eine regulatorische Erleichterung durch neue, teils noch kompliziertere Vorgaben ersetzt wurde. Von echtem Bürokratieabbau konnte somit kaum die Rede sein.

So verkündete die EU-Kommission im März 2023: „Die weitere Straffung der Berichtspflichten und die Verringerung des Verwaltungsaufwands sind eine Priorität der Kommission.“ Die Realität sah jedoch anders aus. Kurz darauf wurden weitreichende neue Regeln eingeführt, die Unternehmen noch stärker belasteten – darunter die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Lieferketten-Regulierung und die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie.

Ob dieses Mal tatsächlich ein spürbarer Bürokratieabbau stattfindet, bleibt abzuwarten. Die bisherigen Erfahrungen lassen Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Initiative aufkommen.

Die EU und ihre überzogenen „Klimaziele“ stellen Industrie und Wirtschaft vor massive Herausforderungen. Steigende Energiekosten, hohe Investitionen in grüne Technologien und eine überbordende Bürokratie gefährden die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Besserung ist keine in Sicht: Der Bürokratieabbau und die Entlastung der Industrie durch niedrige Energiekosten bleiben – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nichts als vage Versprechen.


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Kommentare ( 54 )

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54 Comments
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Nibelung
20 Tage her

Wo sind denn die Europäer noch führend außer beim Schulden machen und dem verbraten des Tafelsilbers der Vorvorderen, während andere in den Schlüsselfunktionen uns schon längst überholt haben und nicht vergessen hunderte von Millionen haben damit auch einen millionenfachen geistigen Vorteil, weil sie nicht stehen geblieben sind und nicht nur aufholen sondern bereits überholen und wer den Drill auf dem Pausenhof in Asien kennt, dem schwante schon vor 40 Jahren nichts Gutes, während wir uns noch ausruhten auf der Väter Arbeit und in völlger Verkennung der Lage nun den Hang abwärts rutschen. Die Devise der Chinesen unter Deng Xiao Ping… Mehr

Hartwig Sendner
21 Tage her

Warum nimmt keiner mal die Wissenschaft unter Beschuss, die dieses Narrativ permant befeuert. Wenn man die Sachstandsberichte des IPCC genau liest(„Bekenntnis eines Klimaleugners“) kann man wissenschaftlich beweisen, dass das alles nur gelogen und zurechtgebogen ist.
Auch die Wissenschaft ist durch und durch korrumpiert. Deutschland wird einen sehr hohen Preis für dieses Lügenmärchen bezahlen. Wenn es dann am Ende doch herauskommt, will es wieder keiner gewesen sein. Wie bei Corona

Britsch
7 Tage her
Antworten an  Hartwig Sendner

„Die Wissenschaft“ wird geschmiert und eingekauft wie die Medien.
Wer das gewünschte sagt und tut bekommt üppig „Staatliche“ Gelder und Untestützung. Wer gewünschtes nicht sagt und tut bekommt kein Geld und Unterstützung, sondern bei dem wird gesucht ob man Ihn nicht kriminalisieren kann, wie man ihm schaden und möglichst vernichten kann

Eddy08
21 Tage her

Fast kann man froh sein,das VdL nicht in die Nato gewechselt ist, mit ihr und ihrem Rüstungswahn stünde Europa schon an der russischen Grenze, ein Franzose und ein Österreicher hatten schon einmal solch Pläne.

Wolfgang Schuckmann
21 Tage her

Zuerst mal den Politikern jegliche Inanspruchnahme von Airlinern verbieten. Warum? Ganz einfach. Hat man je eine Statistik zum weltweiten Luftverkehr gesehen, und wenn, dann ganz hinten, auf der vorletzten Seite links unten. Was mich viel mehr als alles Geschwätz um grünen Wasserstoff interessieren würde wäre, wie viel Kerosin ( nicht Flugbenzin) im Zeitraum von 24 Std. in der Atmosphäre in den Triebwerken der weltweiten Fliegerei verbrannt wird. Erst wenn diese direkte Injektion von Ruß und CO ² in die zumeist obere Atmosphäre bekannt ist, beginnt der Kampf am Boden. Wer weiß, daß ein Regentropfen erst mit Hilfe eines Kondensationskernes entstehen… Mehr

Britsch
7 Tage her
Antworten an  Wolfgang Schuckmann

Fangen Sie doch einmal bei der noch Außenministerin an:
Mit Ihren Auslandsbesuchen und auch sonstigen Terminen wo sie mit der Flugbereitschaft übnerall hin geflogen ist. Teilweise mußte dann noch der Dienstwagen
Diensttross zusätzlich leer zum Terminort fahren. aber auch bedenken wo in der Welt sie überall hin gejettet ist und dies mal vergleichen mit ehemaligen Außenministern. Von wegen Bahn oder Linenflug nutzen.

Wolfgang Schuckmann
7 Tage her
Antworten an  Britsch

Nein, Sie müssen diese Frage stellen, denn ich habe sie mir bereits gestellt und weiß in etwa wie die Antwort aussieht.

maps
22 Tage her

Was für ein irrer Schwachsinn, den sich vollkommen unfähige Politiker ausdenken. Erst alles zerstören, um dann mit Märchengeschichten irgendetwas zu retten.

Kassandra
21 Tage her
Antworten an  maps

Wirklich Schwachsinnig sind doch die, die solches glauben – und beständig ein „mehr davon“ wählen!

ratio substituo habitus
21 Tage her
Antworten an  Kassandra

Schwachsinnig? Leider eher nicht, es sind durchaus intelligente Menschen darunter. Es ist die unsägliche Macht der Indoktrination und Propaganda, die im Kindergarten beginnt und bei den ÖR- und Haltungsmedien endet. Eine Gehirnwäsche, die Menschen zu Gläubigen, zu Sektenanhängern macht. Da kommt nur gegen an, wenn man sehr charakterstark ist oder sich lange mit diesen Methoden beschäftigt hat. Wenn Sie dazu gehören. Glückwunsch! Leider erlebe ich täglich bei Bekannten und sogar in der Familie, dass man Gläubige kaum zurückholen kann, schon gar nicht mit Tatsachen.

FundamentalOpposition
22 Tage her

1929 und 1789 in einer Packung. Das kann nur gut werden.

Montesquieu
22 Tage her

Erinnert mich an die mittelalterlichen Methoden der Alchemisten, aus Dreck Gold herstellen zu wollen. Aber wenns jemand schaffen kann, dann der jesuitisch ansozialisierte Rothschildprotegee Makrönchen Arm in Arm mit der karnevalistischen Dreiwettertaftvariante Jeanne d‘ Arcs von der Leine.
Jeder Schuß ein Russ oder jeder Stoß ein Franzos fragt sich da nur noch.
Die ganze EU ist eine Brutstätte für korrupte Ineptokraten geworden.

Kassandra
21 Tage her
Antworten an  Montesquieu

Geht nur gut, so lange es „das Volk“ glaubt – obwohl ihm hinterrücks der Sparstumpf geleert wird.

Teiresias
22 Tage her

UvdL sehe ich ganz klar als Marionette der globalistischen Hochfinanz – genau wie Merz es ist und Merkel es war. „Unsere“ Politiker (diejenigen mit „unserer Demokratie“) sind m.E. entweder skrupellos korrupt oder Ideologen der Sorte „nützlicher Idiot“. Man mag im Einzelfall darüber streiten, wer was ist, aber umgesetzt werden Interessen, und diese Interessen sind nicht unsere. WEF oder AfD, das war die Wahl, und 80% haben WEF gewählt und werden jetzt eine Armee finanzieren, die mit ihren Kindern als Soldaten für die WEF-Hochfinanz in den Krieg ziehen soll. Waffen statt Rente, Soldatengräber statt Enkel, das haben diejenigen gewählt, die den… Mehr

Last edited 22 Tage her by Teiresias
MarcusPorciusCato
22 Tage her

Energie unerschwinglich zu machen und gleichzeitig Wirtschaftswachstum zu versprechen, ist ein Oxymoron. Aber Menschen hören gerne schöne Geschichten, ohne über deren Wahrheitsgehalt nachzudenken. Vor allem will niemand das Ziel infrage stellen – man nimmt es einfach als gegeben hin. Die Schlussfolgerung wird sein, dass man das nicht konsequent genug gemacht hätte. Ein paar hundert Mrd. mehr, noch mehr Verbote von bewährten hocheffizienten Technologien, zero Tolerance ggü. „Desinformation“, noch mehr Planwirtschaft, noch linker, mehr „positive Diskriminierung“, umfassenderes Gender*innen, mehr arbeitsunwillige Immigranten, mehr Waffen für den „heiligen Krieg“…. Wir bekommen das schon hin – wir brauchen nur mehr Zeit, es muss gar… Mehr

H. Hoffmeister
22 Tage her

Herr Märtin, überhaupt den ganzen Schwachsinn in einem Aufsatz ernsthaft zu erörtern, ist Irrsinn. Die grünwoken Ideologen haben weder naturwissenschaftlich-technischen noch ökonomischen Sachverstand, dafür gewaltig Haltung. Europa geht zugrunde, vorher wird noch eine Fuhre Geld gedruckt.