Steinmeier lässt das Prestige-Gesetz der SPD-Ministerin Lambrecht nacharbeiten

Es ist Aufgabe des Bundespräsidenten, ein eindeutiges Ja oder Nein zu einem Gesetz zu sagen. Aber Steinmeier laviert, um die GroKo nicht zu blamieren. Deshalb gibt es ja auch kaum Rauschen im Blätterwalt.

imago Images/Christian Thiel

In den Medien ging diese Nachricht fast unter: Bundespräsident Steinmeier hat das „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vorläufig (!) gestoppt. Die Ghostwriter dieses Gesetzes und der Bundestag müssen nun nachsitzen, denn Steinmeier will Nachbesserungen. Das ist eigentlich ein ungewöhnliches Verfahren, denn es ist Aufgabe des Bundespräsidenten, ein eindeutiges Ja oder Nein zu einem Gesetz zu sagen. Also laviert er, um die GroKo nicht zu blamieren. Deshalb gibt es ja auch kaum ein Rauschen im Blätterwalt.

Worum geht es? Es geht um das Prestige-Gesetz der SPD-Justizministerin Lambrecht mit dem Titel „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität.“ Eigentlich ist es ein Gesetz, das mehrere andere Gesetze betrifft: das Strafgesetzbuch StGB, die Strafprozessordnung StPO, das Bundesmeldegesetz BMG, das Bundeskriminalamtgesetz BKAG und das Telemediengesetz TMG.

Am 18. Juni 2020 hat der Bundestag dieses Gesetzespaket mit der Mehrheit der GroKo durchgewunken. In dritter Lesung war dieses Gesetz am 18. Juni einer von 35 Tagesordnungspunkten und 24 Zusatzpunkten. Laut Justizministerin Lambrecht, so ihre stolze Presseerklärung noch am selben Tag, diene es dem Schutz aller, die von Rassisten und Rechtsextremisten bedroht und diffamiert würden. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau und die hohe Zahl weiterer rechtsextremistischer Gewalttaten hätten, so Lambrecht, gezeigt, wie dringend nötig ihr Gesetzespaket ist, um die Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen.

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Aber man hat schlampig gearbeitet: Wenige Wochen danach, am 17. Juli 2020, stellte das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang fest: Die bisherigen Zugriffsrechte des BKA auf Bestandsdaten bei Telekommunikationsanbietern sind verfassungswidrig. „Auskünfte über Daten, deren Aussagekraft und Verwendungsmöglichkeiten eng begrenzt sind, dürfen nicht ins Blaue hinein zugelassen werden“, so die Karlsruher Richter.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verfasste in der Folge im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion ein Gutachten und kam darin zu dem Schluss, dass das neue Anti-Hass-Gesetz ebenfalls in Teilen verfassungswidrig ist. Immerhin seien jene Stellen, die vom Bundesverfassungsgericht bezüglich der Regelung bei Telekommunikationsanbietern beanstandet worden waren, ziemlich wortgleich auch im neuen Gesetz zu finden.

Kern der Verfassungswidrigkeit ist die Meldepflicht für soziale Netzwerke, möglicherweise illegale Postings an das Bundeskriminalamt (BKA) zu übermitteln. Damit würden Bestandsdaten abgefragt, etwa die IP-Adresse, der Name oder die Wohnanschrift der jeweiligen Nutzer – selbst wenn kein handfester Anfangsverdacht vorliegt.

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Der Gesetzgeber hätte klar definieren müssen, welche Behörde bei welchen Anlässen welche Daten abfragen darf und wie die Daten genutzt werden dürfen. Es habe aber, so die Skeptiker, an begrenzenden Eingriffsschwellen gefehlt. Weder die Telekommunikationsdienstleister dürften Daten an das Bundeskriminalamt übermitteln, noch dürfte dieses die Daten abfragen. Das ist aber ein Kern des Gesetzes gegen Hasskriminalität. TE-Autor Tomas Spahn war bereits am 18. September 2020 im Detail auf diese Probleme eingegangen.

Damit stand das Lambrecht’sche Gesetzpaket auf wackligen Füßen. Das hat sich auch im Bundespräsidialamt und im Kanzleramt herumgesprochen. Aber eben zu spät. Kritik war übrigens zuvor von Ulrich Kelber, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, gekommen; er sprach von „erheblichen Eingriffen in Grundrechte.“

Nun hat Bundespräsident Steinmeier das sogenannte Ausfertigungsverfahren ausgesetzt; er verlangt Nachbesserungen und beschreitet damit einen Weg, der im Gesetzgebungsverfahren so gar nicht vorgesehen ist. Geregelt es nämlich folgendes: Nach Gegenzeichnung durch den (die) beteiligten Bundesminister und den Bundeskanzler werden die Bundesgesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet (= Ausfertigung). Zuvor hat er zu prüfen, ob sie nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen sind. Diese Ausfertigung steht nicht in Konkurrenz zur Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. In der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik hat es acht Fälle gegeben, in denen ein Bundespräsident es abgelehnt hat, ein Gesetz auszufertigen. Die beiden letzten Fälle datieren aus dem Jahr 2006: Bundespräsident Horst Köhler hatte entschieden, das Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung und das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation nicht auszufertigen.

Jedenfalls sind jetzt im Lambrecht‘schen Gesetzesprojekt viele Änderungen notwendig. Man darf gespannt sein, wie sich die GroKo hier aus der Affäre zieht. Mit Ruhm bekleckert hat sie sich jedenfalls nicht. Das gilt auch für den CDU/CSU-Koalitionspartner, der das Paket kritiklos mitgemacht hat, und den am Verfahren beteiligten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Ansonsten kann man nur hoffen, dass SPD-Linksaußen-Frau Lambrecht merkt, wie man sich die Finger verbrennen kann; und man kann nur hoffen, dass sie ihren Aktionismus bändigt. Immerhin hat sie schon ein neues Projekt auf der Herdplatte: Sie will mit einem „Demokratiefördergesetz“ die Aufklärung über Verschwörungstheoretiker verstärken und institutionalisieren. Im Klartext: Sie will ihrer linken Klientel noch mehr staatliche Alimentation zukommen lassen.

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Kommentare ( 32 )

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Alf
3 Jahre her

Aber Steinmeier laviert, um die GroKo nicht zu blamieren?

Macht bei dieser Groko wenig Sinn.

Ob Maut, Corona-Masken, Sturmgewehr, Marinehubschrauber, Wahlrechtsreform, ….auf weitere Aufzählung wird verzichtet, da dies den Rahmen sprengen würde.

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“

Diese Groko hat auch kein Problem damit, wenn in der Zeitung steht

Corona-Gesetze: Industrie hält Groko-Projekte für Murks -AZ

Und das Grundgesetz interessiert sowieso nicht- Da kann man Gesetze auch gleich im Bundespräsidialamt überarbeiten.

Sonny
3 Jahre her

Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis unsere Gesetzesbücher den linksradikalen Tendenzen so weit angepasst sind, dass jegliche Kritiker zu Landesverrätern hochstilisiert und rein rechtlich gesehen vogelfrei und zum Abschluss freigegeben sind. Diese Groko ist mit Abstand das Verachtenswerteste, was Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkrieges jemals „zustande“ gebracht hat.

Bummi
3 Jahre her

Ein reines Zensurgesetz, Kritiker sollen mundtod gemacht werden. Das ist einzige Zielrichtung. Unwürdig eines demokratischen Rechtsstaates.

Gerro Medicus
3 Jahre her

Wann wird endlich einmal das Narrativ der angeblich massenhaften rechten Gewalt als das entlarvt, was es ist: eine Lüge! Wenn das nämlich wahr wäre, dann wären unsere Mainstream-Gazetten JEDEN TAG voll davon! Sie sind es aber nicht! Und wo, bitte schön, hat man 2.500 Polizisten aufbieten müssen, um ein paar zig Extremisten in den Griff zu kriegen und geltendes Recht durchzusetzen? Das war doch wohl aktuell in Berlin und es betraf LINKS-EXTREMISTEN! Genau wie die Chaostage anlässlich des G20-Gipfels 2017 in Hamburg. Oder die Großrazzien in NRW. Die betrafen ARABISCHE GROSSCLANS. Wo ist denn die massenhafte rechte Gewalt, die angeblich… Mehr

Gruenauerin
3 Jahre her
Antworten an  Gerro Medicus

Wo bleiben die Feierstunden für die Opfer der Migrationspolitik. Genau Medicus. Das war das 1. was ich mich gefragt habe, als ich diese XXX (jeder setze ein Wort für sich ein) im Fernsehen mit scheinheilig ernster Miene und Blumen gesehen habe (sofort weiter gezappt). Aber wird sind ja nur Biodeutsche. Mit denen kann man ungestraft alles machen und es wir nie ein Gedenken für diese Opfer geben und auch keine Blumen.

Manfred_Hbg
3 Jahre her
Antworten an  Gruenauerin

@Gruenauerin Zitat: „als ich diese XXX (jeder setze ein Wort für sich ein) im Fernsehen mit scheinheilig ernster Miene und Blumen gesehen habe (sofort weiter gezappt).“

> Gleiches hatte auch ich hier umgehend getan, „weiter gezappt“! Anders wäre der Tag oder Abend auch nicht mehr aushaltbar ohne nicht selbst völlig Gaga in der Birne zu werden. Diese politischen und einseitigen Schauspielereien sind nur noch unglaubwürdig und peinlich.

Mausi
3 Jahre her

Ist es denn verfassungsgemäß, was Herr Steinmeier macht? Nachbesserungen verlangen. Wenn er laut Artikel nur prüfen muss, ob das Gesetz nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen ist. Und dann befugt ist, Ja oder Nein zu sagen.

Ali
3 Jahre her

Die traurigen tragisch traurigen Figuren, die da heute in diesem ehemals ehrenwerten Hause -nee Blödsinn, „Ehrenwert“ war nur der Bundestag in Bonn- na jedenfalls diese schmutzige Melange aus kommunistischer, Maoistischer und in großen Teilen regelrecht stalinistische Ideologie, die wir da alle -der eine mehr der andere weniger- nach Berlin gewählt haben sind der lebende Beweis dafür, das das ehemalige Naziregime oder das SED-Regime auch heute schneller wieder Realität werden könnten als wir denken. Das sind keine Demokraten, das sind zu großen Teilen -insbesondere bei SPD und Grün*Innen (das Linke Mauermörder-Völkchen muss man ja nicht erwähnen). Ideologen, die gedanklich tief im… Mehr

Gruenauerin
3 Jahre her
Antworten an  Ali

Ich habe diese Figuren überhaupt nicht gewählt, weder mehr noch weniger!

RHU
3 Jahre her

Ich habe nur eine einzige Frage.
Warum wird eine offensichtlich vollkommen unfähige Ministerin nicht unverzüglich ihres Amtes enthoben, Frau Merkel?

Gerro Medicus
3 Jahre her
Antworten an  RHU

Nein, Unfähigkeit und Dummheit sind im Gegensatz zu einer Wahl mit AfD-Stimmen nicht unverzeihlich. Die Frau kann bleiben, denn sie ist ja eine Frau! Das ist genügend Qualifikation.

Bummi
3 Jahre her
Antworten an  RHU

Wieso unfähig? Die macht was gewot ist. Nur das Verfassungsgericht muss noch mit den richtigen aufrechten Partei-Kadern aufgefüllt werden.

Juergen Schmidt
3 Jahre her

Eine Justizministerin, die gegen fachkundigen Rat versucht, ein verfassungswidriges Gesetz durchzudrücken, welches ein Stasi-ähnliches Schnüffler-System installieren sollte, ist auf dem Posten nicht mehr haltbar. Sie muss zurücktreten.
Insgesamt lässt diese Aktion erkennen, dass die Frau für politische Ämter in einer Demokratie ungeeignet ist.

Ananda
3 Jahre her

Rechte/Konservative aushorchen, mit „Gesetzen“ knebeln und fesseln, Linke mit Steuergeldern vollstopfen. Das „beste“ Deutschland aller Zeiten. Wieviele Millionen Tote dürfen es diesmal sein?

Karina Gleiss
3 Jahre her

Er hat sich nun einmal auf das Verteilen von wertlosen Blechorden spezialisiert. Ein eindeutiges Ja oder Nein zu einem Gesetzesentwurf seiner Genoss*Innen fällt offensichtlich nicht in seinen Tätigkeitsbereich.
Einer seiner Amtsvorgänger – der Letzte mit Rückgrat – hat seinerzeit seine Unterschrift unter ein Gesetz aus Gewissensgründen verweigert und stattdessen lieber seinen Posten geräumt. Damit begann der unaufhaltsame Abstieg (auch) dieser Position im Land.

Wolodja P.
3 Jahre her
Antworten an  Karina Gleiss

Ergänzend sei hinzugefügt: Posten geräumt bei Verzicht auf seinen Ehrensold. Er war übrigens der einzige Heimatvertriebene unter den bisherigen Amtsimhabern, gehörte also zu einem anders geprägten Menschenschlag als die übrigen und bekannte sich – ebenfalls als bisher einziger – zur Liebe Deutschlands.