Elon Musk sagt dem „woken“ Wikipedia den Kampf an und möchte mit Grokipedia nicht nur ein Gegengewicht schaffen, sondern auch seiner hauseigenen KI einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Von Silvia Venturini
picture alliance / imageBROKER | Screenprint via X – TE-Collage
Elon Musk braucht keine Pressekonferenz, um Schlagzeilen zu machen. Ein kurzer Post auf X, und die Welt horcht auf. Ende September ließ er verlauten, man werde eine neue Enzyklopädie schaffen: die „Grokipedia“. Ein besseres, objektiveres Gegenmodell zur Wikipedia, die er seit Jahren als „Wokepedia“ verspottet. Und wie immer bei Musk ist das Versprechen groß: weniger Ideologie, mehr Wahrheit, und das Ganze natürlich eng verknüpft mit seinem eigenen KI-Projekt Grok.
Wikipedia, das ist inzwischen mehr als nur ein Lexikon im Netz. Es ist so etwas wie die Kanzel des digitalen Zeitgeistes. Wer dort nachliest, erhält selten nur Informationen, sondern auch eine Haltung. Linksliberal, progressiv, moralisch aufgeladen – so lauten die Vorwürfe. Und tatsächlich: Wer sich durch die Diskussionen und Edit-Wars arbeitet, der spürt, dass „Neutralität“ häufig nur ein hehres Ideal bleibt. Bei Themen wie Klima, Migration oder Geschlechterpolitik entscheidet oft nicht die nüchterne Quellenlage, sondern das Durchsetzungsvermögen der lautstärkeren Gruppe.
Der Traum von Objektivität
Musk weiß, wie man daraus Kapital schlägt. „Grokepedia“, so nennt er das Projekt mit einer Mischung aus Spott und Kampfansage. Und er trifft damit einen Nerv. Denn viele Leser haben längst das Gefühl, dass Wikipedia die Vielfalt der Perspektiven nicht mehr abbildet, sondern zunehmend wie ein ideologischer Filter funktioniert. Wer zur „richtigen“ Seite der Debatte zählt, wird freundlich vorgestellt, wer zur „falschen“ gehört, bekommt Etiketten wie „rechtspopulistisch“ oder „umstritten“. Die Einträge lesen sich nicht selten wie eine Fußnote zum Kommentar einer selbsternannten Qualitätszeitung.
Nun also Grokipedia. Die Verheißung: eine Enzyklopädie, die wieder nüchtern sein soll, weniger moralisch, weniger voreingenommen. Und gleichzeitig – das sagt Musk zwar nicht laut, aber es liegt auf der Hand – ein maßgeschneiderter Datenfundus für Grok, seine hauseigene KI. Denn während die Konkurrenz ihre Modelle mit Wikipedia-Texten füttert, will Musk seine eigene Quelle schaffen. Denn wer die Daten besitzt, besitzt die Intelligenz.
Das klingt heroisch, birgt aber Risiken. Die größte Illusion wäre anzunehmen, Musk könnte ausgerechnet dort liefern, woran schon Wikipedia gescheitert ist: an reiner Objektivität. Auch Grokipedia wird auswählen, gewichten, sortieren. Auch dort werden Menschen und Algorithmen entscheiden, was eine seriöse Quelle ist und was nicht. Wer sich auf eine neue Neutralität freut, sollte sich stattdessen womöglich auf eine neue Schlagseite gefasst machen.
Interessant ist dabei, dass inzwischen immer häufiger nicht nur vor der „woken Linken“ gewarnt wird, sondern auch vor einer „woken Rechten“. Zumindest in den USA scheint das politische Pendel längst umgeschlagen zu sein und beide Seiten versuchen, Sprache und Begriffe zu besetzen. Eine Enzyklopädie wird so leicht zum Schlachtfeld. Musk mag die eine Schlagseite attackieren, doch wer garantiert, dass er nicht bloß in die entgegengesetzte kippt?
Vorsprung durch Technik 2.0
Und noch ein zweiter Gedanke ist wichtig: Konkurrenz belebt das Geschäft, ja. Aber eine bloße Verschiebung des Monopols von einer Hand in die andere wäre kein Fortschritt. Wirklich sinnvoll wäre eine Dezentralisierung des Wissens, viele Plattformen, viele Datenquellen, ein Wettbewerb der Stimmen. Nur so kann verhindert werden, dass sich am Ende ein einziger Spieler zum Gatekeeper des globalen Wissens aufschwingt.
Wikipedia ist ideologisch, ja. Aber sie ist immerhin offen einsehbar. Jeder kann mitlesen, wie Artikel verändert werden, jede Diskussion ist dokumentiert. Grokipedia könnte dagegen, wenn es schlecht läuft, ein geschlossener Garten sein. Kuratiert von Musks xAI-Ingenieuren, optimiert für die Bedürfnisse seiner eigenen KI. Die schöne Alternative wäre dann nicht Befreiung, sondern bloß ein Datensilo im Dienste eines Konzerns.
Das ist die eigentliche Gefahr: Wir befreien uns nicht aus der Hand eines ideologisch eingefärbten Projekts, um in die Hand eines globalen Tech-Moguls zu fallen. Wikipedia mag linkslastig sein, aber sie gehört keinem einzelnen Mann. Grokipedia dagegen wird von einem gesteuert, der längst Autos, Raketen, Satelliten und ein soziales Netzwerk kontrolliert. Wer so viel in den Händen hält, sollte nicht auch noch bestimmen, wie das Wissen der Welt sortiert wird.
Dezentralisierung statt Führungswechsel
Und doch hat die Idee ihren Charme. Vielleicht zwingt sie Wikipedia dazu, sich wieder stärker an die eigenen Ideale zu erinnern. Vielleicht eröffnet sie tatsächlich neue Räume für Debatten. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, Musk baue die Grokipedia für uns. Er baut sie für Grok, für xAI, für sein Wettrennen mit OpenAI und Google. Wir werden Nutznießer sein, vielleicht. Aber wir werden auch Rohstofflieferanten bleiben.
Am Ende bleibt die alte Mahnung: Wissen braucht Vielfalt. Eine Enzyklopädie, die alles allein beansprucht, ist immer gefährlich, egal ob sie von Aktivisten gepflegt oder von Milliardären finanziert wird. Musk kann mit seiner Grokipedia einen Impuls setzen. Aber die eigentliche Aufgabe ist größer: die Dezentralisierung des Wissens, die Öffnung vieler Stimmen, die Bereitschaft, Dissens nicht nur zu ertragen, sondern auszuhalten.
Denn wer das Lexikon kontrolliert, kontrolliert die Sprache. Und wer die Sprache kontrolliert, kontrolliert am Ende die Macht.

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Hier will jemand Angst vor einem 2.Wissens-Lexikon Grokepedia und E. Musk verbreiten! Vor nicht so langer Zeit war es kein Problem die Lexika von Mayers undvon Brockhaus ergänzend zu benutzen!
Was geht im Kopf dieses Unkenrufers vor? Hält er die Internet-Nutzer für unfähig in beiden Nachschlagwerken zu prüfen: – die Fakten nach Quellen – ideologisch wertenden Aussagen – Weglassung oder Diffamierung wichtiger Fakten und Forschungs-Ergebnisse von Experten – Abwägung der Fakten-Wahrheit nach erfahrungsgemässer Wahrscheinlichkeit! – Wem nützt es?
Wikipedia taugt nur dazu, Geburts- und Sterbedatum von z.B. Goethe abzufragen. Vielleicht noch ein wenig weitere biografische Daten. Aber bei Bewertungen sollte man lieber andere Recherchemedien nutzen. Und sei es Meyers Konversationslexikon von 1919. Die Lektoren damals waren wohl objektiver.
Zitat: „Wer so viel in den Händen hält, sollte nicht auch noch bestimmen, wie das Wissen der Welt sortiert wird.“
Die Wikipedianer halten nichts in der Hand außer der Wikipedia – und schaden dennoch mit dieser Monopolstellung der Welt enorm.
Der „Humanistische Pressedienst schrieb bereits 2006:
„Eine Gruppe sich gegenseitig legitimierender Administratoren beherrscht inzwischen die Wikipedia und erinnert an die Schweine aus Animal Farm, die meinen, gleicher zu sein als die Gleichen, während sie andere ausschließen und lieber alleine im Wiki-Haus wohnen, um dort machen zu können, was sie wollen.“
Ich habe auf Wikipedia mal die Bio von Sarazzin mit Habeck verglichen. Eindruck: Sarrazin böse, Habeck ein Geschenk an die Welt. Wikipedia kann man für die Beitagssätze zur Rentenversicherung nutzen und zu sonst nichts.
„Musk mag die eine Schlagseite attackieren, doch wer garantiert, dass er nicht bloß in die entgegengesetzte kippt?“
Wo ist das Problem? Natürlich muss man beide befragen. Aber man hat wenigstens die Möglichkeit.
Das sollte man auch bei der KI tun. Differenzierte Fragen sollte man unbedingt verschiedenen KIs stellen. Man wird sehen, wie unterschiedlich die Antworten sind.
Aber Meinungsvielfalt ist natürlich anstrengend.
Tucker Carlson hatte gerade Larry Sanger über wikipedia im Interview:
„Larry Sanger built Wikipedia as an unbiased repository of the world’s knowledge, and then stood helplessly by as activists and intel agencies turned it into the most comprehensive propaganda op in human history.
There’s nothing more corrupt.“
https://x.com/TuckerCarlson/status/1972716529608237173
Wettbewerb schadet nicht. Lügipedia wird ja nicht gleich sterben.
Wikipedia ist ideologisch, ja. Aber sie ist immerhin offen einsehbar. Jeder kann mitlesen, wie Artikel verändert werden, jede Diskussion ist dokumentiert. Es darf gelacht werden! Versuchen sie Spaßéshalber mal einen Wiki Eintrag von einem/ner Politiker mit einem seriösen Beitrag aus einer seriösen Quelle zu ergänzen der nur einen Hauch von Kritik enthält, der ist nach zwei Minuten gelöscht und man wird verwarnt und wenn man den Beitrag wieder einsetzt wird man einfach gesperrt. So siehts mit der nachvollziehbaren Dokumentation bei Wiki aus. Vor Äonen habe ich Wiki wirklich genutzt wenn ich etwas recherchieren wollte heute sollte mich der Hunger plagen… Mehr
Vielleicht hätte der Autor auch etwas schlagkräftiger argumentieren können. Bei Wikipedia ist es nicht nur ein Gefühl, dass dort eine linke Schlagseite herrscht, sondern purer Fakt! Automatisch von Wikipedia gebannt sind folgende Quellen: NY Post, Fox News, Epoch Times, Breitbart usw. Allein die Tatsache dass Fox News, einer der größten Sendeanstalten in den USA als Quelle blockiert wird, ist nur noch armselig!!!
Hier redet eine Bedenkenträgerin ein Projekt herunter, bevor es überhaupt begonnen wurde. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Aber vielen Dank für die Information, dass es ein Grokepedia geben wird. Dafür hätte allerdings ein Absatz gereicht.
Im übrigen finde ich Wikipedia häufig sehr schön. Heute habe ich einen Beitrag über den Maler John Singer Sergeant (1856-1925) gelesen: Hätte ich da einen linken Drall vermuten müssen? Wie hätte der ausgesehen? – Ja, man kann skeptisch sein. Aber man muss auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.