Präsident Trump – Gewöhnen an den Gedanken

Donald Trump würde genauso zwischen Macht, Verantwortung und vor allem Machtlosigkeit zerrieben wie alle Präsidenten vor ihm.

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Donald Trump war so vieles in seinem Leben. Bestsellerautor, TV-Unterhalter, Hotelbesitzer, Airliner, Wrestler, viermal verheiratet, reich und auch kurz vor der Pleite. Warum sollte dieser Mann der langen Liste seiner bisherigen Tätigkeiten nicht auch die des Präsidenten der Vereinigten Staaten hinzufügen?

Kaum ein außenpolitisches Ereignis als seine Wahl im November 2016 fürchten deutsche Medien mehr. Im selben hyperventilierenden Atemzug, mit dem sie Wähler und Anhänger der AfD in die Blödmann-Ecke stellen, fabulieren sie vom gemeinen Irren, den man lieber nicht an die Startcodes für Amerikas Atomraketen lassen sollte. Dass Hillary Clinton, eine überzeugte Bellizistin und verbissene Russophobin, die Obama in das Libyen-Desaster führte und in Syrien gerne „aktiver“ gewesen wäre, wohl eher einen Konflikt mit Russland herbeiführen würde, übersehen sie ironischerweise. Clintons Sendungsbewusstsein und ihr Ansatz, dass sie immerzu die gute Sache vertrete, lässt Fragen nach den Kosten ihrer forschen Denkweise außen vor – das hätte man beim Geschäftsmann Trump wohl nicht zu befürchten. Abschätzen, Risiken bewerten, Entscheidungen überdenken, das ist des Milliardärs tägliches Brot.

Trump erginge es wie 44 Präsidenten vorher

Ohnehin sollten sich deutsche Leitartikler seine Vorgänger ansehen, um zu kapieren, dass niemals etwas so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Es gab und gibt keinen Kandidaten, der das Amt formt. Bislang wurden alle US-Präsidenten vom Amt geformt. Donald Trump würde wie die 44 Amtsinhaber vor ihm also die Wahl gewinnen, die Schwelle zum Oval Office überschreiten und sich in einem Albtraum wiederfinden. Das hat auch der charismatische und tatendrangsprühende Barack Obama so erleben müssen, der als wortreicher Tiger sprang, aber als alter Bettvorleger landete. Es ist ein Unterschied, ob man die große Klappe schwingen kann oder liefern muss.

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Amerikas Haushaltsdefizit, die Sicherheitspolitik, das Problem der Einwanderung, die Energie- und Gesundheitspolitik, all diese Probleme würden auch vor einem Donald Trump nicht Halt machen. Er würde das innenpolitische Minenfeld mit seinen Milchmädchenrechnungen ebenso wenig entschärfen können, wie Obama Guantanamo schließen konnte. Vielleicht wird Trump es in der Tat wollen, aber die Zwänge, in denen er sich schließlich wiederfände, würden ihn auf simples Mittelmaß zurecht stutzen. Im von Etikette und Förmlichkeit geprägten Amt, das wenig Glamour bietet, hätte „The Donald“, der die Show liebt und braucht, schnell den Charme eines abgelebten Jüngfernchens.

Nach dem Sieg Null Glamour

Er würde genauso zwischen Macht, Verantwortung und vor allem Machtlosigkeit zerrieben werden wie alle Präsidenten vor ihm. Trumps Wahl hätte sicherlich Folgen, aber nicht mehr oder weniger, als es die von Obama oder Clinton hatte oder haben würde. Nichts oder nur wenig dürfte deckungsgleich sein zwischen dem, was der Exzentriker vor der Wahl meinte und dem, was später tatsächlich verwirklicht würde. Vielleicht dämmert es ihm ja sogar schon, dass seine größte Chance auch sein größter Makel wäre. Nichts fürchtet Donald Trump mehr als Zwänge und Regeln, die er befolgen müsste. Der große Konfettiregen, der ihm jetzt noch zu eigen ist, wäre nach seiner Wahl im November versiebt. Donald Trump als 45. US-Präsident – so schlimm sollte es also nicht werden.

Sebastian Antrak ist nach vielfältigen Erfahrungen von Journalismus bis Werbebranche freier Autor.

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