Die Lebensläufe der aktuellen Kabinettsmitglieder

Gastautor Thomas Maetzel hat die Lebensläufe der derzeitigen Regierungsmitglieder analysiert – mit verheerendem Ergebnis, wie er findet. Kaum eines würde im normalen Leben mit seinem Lebenslauf bei einem Arbeitgeber überhaupt zum Vorstellungsgespräch geladen.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Bundeskabinett im Garten von Schloss Meseberg am 4. Mai 2022
Es gibt nicht einen einzigen „Quereinsteiger“ aus dem Leben jenseits des Politikbetriebs unter den neun Männern und acht Frauen im Kabinett. Der Weg in ein Kabinettsamt ist in allen Fällen sehr ähnlich: Im Schnitt geht man sehr früh mit 22 in die jeweilige Partei – Christian Lindner (FDP), Hubertus Heil (SPD) und Cem Özdemir (Die Grünen) bereits im Alter von 16 Jahren –, um dann schon mit durchschnittlich 32 Jahren als Landtags- oder Bundestagsabgeordneter oder mit einem hohen Parteiamt endgültig Berufspolitiker oder sogar Regierungsmitglied zu werden: Am jüngsten war Finanzminister Christian Lindner (mit 21 Jahren), gefolgt von Umweltministerin Steffi Lemke (mit 25 Jahren), am ältesten die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die mit 46 Jahren Berufspolitikerin wurde.

Von den neun Männern im Kabinett hat nur Finanzminister Christian Lindner Wehrdienst geleistet, drei Männer – Kanzler Olaf Scholz, Justizminister Marco Buschmann und Arbeitsminister Hubertus Heil – haben den in der Regel heimatnahen Zivildienst anstelle des fernen und harten Kasernenlebens gewählt und fünf Minister gar nicht erst Dienst am Staate geleistet (Wirtschaftsminister Habeck, Landwirtschaftsminister Özdemir, Gesundheitsminister Lauterbach, Verkehrsminister Wissing und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt). Damit liegt der Anteil derjenigen, die eine Zeit ihres Lebens dem Staat geopfert haben, im Kabinett weit unter den Werten im gemeinen Volke. Man kann ja auch später noch und dann gut bezahlt dem Staate dienen.

Quelle: Website der Bundesregierung

Der typische heutige Minister oder die Ministerin haben sich bei der Studienwahl zu einem überdurchschnittlichen Anteil für die Juristerei entschieden, so Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Justizminister Marco Buschmann, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, Verkehrsminister Volker Wissing und der Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Wenn nicht, so sind die gewählten Fächer überwiegend geisteswissenschaftlich und nicht diejenigen, die als anstrengend  gelten, wie Ingenieurwesen, Naturwissenschaft oder Betriebswirtschaft.

Trotzdem benötigen unsere Kabinettsmitglieder im Durchschnitt acht Jahre für ihre meist akademische Ausbildung statt der normalen Regelstudienzeit von fünf Jahren und damit weit mehr Zeit, für die der einfache Bürger noch sein Bafög bekommt. Dynamik sieht anders aus.

Hat man dann seine Ausbildung abgeschlossen, ist man als Minister im Schnitt gerade mal noch fünf Jahre in irgendeiner Form berufstätig. An der Spitze steht Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die 17 Jahre Berufserfahrung aufweisen kann, gefolgt von Kanzler Scholz, der 13 Jahre als Rechtsanwalt tätig war. Ganz ohne Berufspraxis bleiben Bauministerin Klara Geywitz und Arbeitsminister Hubertus Heil, und gerade mal zwei Jahre im Beruf standen Justizminister Buschmann, Verteidigungsministerin Lambrecht, Landwirtschaftsminister Özdemir, Familienministerin Lisa Paus und Umweltministerin Steffi Lemke.

Quelle: Website der Bundesregierung

Die ausgeübten Berufe oder selbständigen Tätigkeiten haben meist aber gar nichts zu tun mit dem nun ausgeübten Ressort. Nicht ein einziger Handwerker, richtiger Unternehmer, Ingenieur, Facharbeiter oder Naturwissenschaftler ist in unserer Regierung vorhanden. Berufliche Leistungen sind auf jeden Fall absolut kein Kriterium für irgendein Ministeramt.

Ist man dann erst einmal Minister mit Flugrecht im Regierungs-Airbus, mit Panzerkarosse, Bodygards und Chauffeur, muss man seinen Charakter in den Lebensjahren davor schon ziemlich gefestigt haben, um dann nicht arrogant zu werden und abzuheben. Wem gelingt das schon?

Wer Minister wird, muss allein deshalb eloquenter Machtmensch sein, weil er sich auf dem Weg nach oben durch die Intrigen seiner Partei gegen sehr viele und vielleicht objektiv bessere Leute durchgesetzt hat. Machtmenschen halten aber nunmal die eigene Meinung und das eigene Konzept für grundsätzlich am besten und tendieren zur Selbstgefälligkeit.

Quelle: Website der Bundesregierung

Na ja, ein ungelernter Minister wird schon von der zweiten Ebene eingearbeitet und zu den richtigen Entscheidungen gebracht, könnte man glauben. Aber das klappt doch nicht: Erstmal besetzt jeder neue Minister seine zweite Ebene weitgehend neu mit bequemen Leuten aus der gemeinsamen Parteikarriere – und wenn mal einer der Untergebenen sich traut, seine Meinung zu sagen oder nur auf einfache Fakten hinzuweisen, die der Boss nicht hören will, kann er seinen Job schnell los sein.

Da gibt es viele Beispiele. Zum Beispiel kommt so mancher General, wenn er noch da ist, Montags früh mit geballter Faust in der einen Tasche plus Maßband für die Tage bis zur Pension in der anderen in die Kaserne.

Da wundern wir als Bürger uns dann, welch völlig weltfremde Gesetze entstehen, und vor allem wundern wir uns nicht, warum diese Leute so oft an einem Posten im Politikgeschäft kleben: Woanders als im Politikbereich würde sie einfach niemand mehr einstellen. Kaum einer unserer Minister würde im normalen Leben mit seinem Lebenslauf bei einem Arbeitgeber überhaupt zum Vorstellungsgespräch geladen.
Ausschlaggebend für die Karriere bis zum Bundesminister ist ausschließlich die Parteikarriere, weder Ausbildung noch Berufspraxis spielen irgendeine Rolle. Zusätzliche Kriterien sind Geschlechterquoten, Parteiproporz und sicher auch persönliche Seilschaften.

Wenn unser Land es nicht schafft, sich endlich eine kompetente Führung aus völlig anders veranlagten und wahren Persönlichkeiten zu organisieren, wird es die anstehenden Herausforderungen nicht meistern.

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Kommentare ( 166 )

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herman32
1 Jahr her

Aus aktuellem Anlass zum Thema „Qualifikation von Abgeordneten“ und Qualifikation von Personen mit hohem politischen Posten vermeldet der Tagesspiegel „„Kein Recht erworben; Juristen erheben Zweifel an Professorentitel von Justizsenatorin Kreck“. Dort wird die Meinung vertreten, Frau Kreck dürfe den Professor Titel nicht führen. Ich will mich da nicht einmischen, denn seit jede ehemalige Fachhochschule (hier die ehemalige Hebammenfachschule) seine Lehrkräfte als Professor bezeichnen kann, finde ich diese Diskussion ohnehin obsolet. Nicht obsolet finde ich hingegen, dass Frau Kreck als Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof nominiert, im Abgeordnetenhaus im Oktober 2019 scheiterte, teilweise mit der Begründung, sie hätte dafür keine Qualifikation. Als nicht… Mehr

Ingrid Bieger
1 Jahr her

In Artikel steht, daß Habeck werder Zivil- noch Wehrdienst geleistet habe.

In einem Artikel auf Web.de – von Wolfram Weimer – steht,er habe Zivildienst geleistet.
„Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wollte ebenfalls nicht zur Bundeswehr und machte nach dem Abitur seinen Zivildienst beim damaligen Hamburger Spastikerverein (heute Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein). Habeck bekennt freimütig: „Ich hatte, ehrlich gesagt, damals keine besondere Lust auf den Zivildienst. Aber ich hatte noch weniger Lust, zur Bundeswehr zu gehen.“

https://web.de/magazine/politik/ampelkabinett-wehrdienstverweigerern-bundeswehr-37070934

Was stimmt denn nun?

elubitsch
1 Jahr her

Na also, endlich hätten wir eine kompetente Person für den Posten des Verkehrsministers und was gibt man ihr – das Umweltministerium. Dabei wäre Steffi Lemke mit ihrer reichen Erfahrung im (Straßen-)Verkehr als Briefträgerin doch für das Verkehrsministerium geradezu prädestiniert gewesen! Was für eine Verschwendung von Kompetenz! Notfalls wäre auch noch Kevin Kühnert qualifiziert gewesen, als ehemaliger Callcenter-Mitarbeiter hätte er den Part für Digitales ausfüllen können. Und da wird er nur SPD-Generalsekretär! Oder wie wäre es in diesem Ministerium mit einer „Doppelspitze“? Das wäre die Kulmination der Kompetenz! Armes Deutschland!

Last edited 1 Jahr her by elubitsch
Nigella
1 Jahr her

Mir ist aber auch ein selbständiger Malermeister wie Herr Chrupalla recht. Auch wer als Handwerker einen kleinen Betrieb leitet, kriegt vom „wahren Leben“ einiges mit.

Jeanne dArc
1 Jahr her

Mit Hochdruck wird in sämtlichen Unternehmen an einem Kompetenzmodell gearbeitet. Die Welt verändert sich so rasend schnell, dass es neue Kompetenzen braucht. Die Gap Analyse zeigt dann schön auf, was beim Einzelnen alles zu tun ist. Beim Talent Mapping wird geschaut wer welche Leistung bringt und wer welches Potenzial für weitere oder höhere Aufgaben hat. Es wird einen Grund geben, warum der Politikbetrieb dieser Vorgehensweise nicht folgt.

doc.west
1 Jahr her

EIN KLEINER UNTERSCHIED MUSS SEIN Sag mir, welchen Beruf die Abgeordneten in ihrem vorpolitischen Leben erlernt/ausgeübt haben, und ich sage Dir, welcher Partei sie angehören und welches Programm sie favorisieren. Das dachte ich mir, nachdem ich die Vitae der GRÜNEN im deutschen Bundestag analysierte, denn diese Partei redet am meisten über technische Probleme wie „Ausstieg aus der Atomenergie, Klima und E-Mobilität“. Natürlich vermutete ich jede Menge an Maschinenbauern, Physikern, Mathematikern und Umwelttechnikern in ihren aus 118 Abgeordneten bestehenden Reihen, aber weit gefehlt, denn sie haben gerade einmal 2 Techniker auf HTL-Niveau, einen einzigen Mathematiker, eine Forstingenieurin, 2 Wirtschaftsingenieure, dafür 19… Mehr

Mausi
1 Jahr her
Last edited 1 Jahr her by Mausi
Edmund Burke
1 Jahr her

Klasse, Leute die man noch nicht einmal als Lehrling oder Hilfskraft anstellen würde, maßen sich an diese Republik leiten und es besser zu wissen als die freie Wirtschaft…Leute die sich dessen nicht bewusst sind, dass Umzuverteilendes erst erwirtschaftet werden muss…Leute die nicht wissen auf wie wenigen Schultern ein jedes Unternehmen, und damit ein Land eigentlich lastet (Law of Price / Pareto Optimum)…Leute die nie mitbekommen haben, wie hochpeinlich eine Budgetüberschreitung von 5% in der freien Wirtschaft ist…und die deswegen recht entspannt sind, wenn öffentliche Bauvorhaben das 10-fache kosten…hier haben die hochbegabten Podcaster von WilleWahrheitWeltanschauung einen hervorragenden Pocast heraus gebracht: https://youtu.be/21KldwNFqaE… Mehr

Timur Andre
1 Jahr her
Antworten an  Edmund Burke

„Das Land ist katastrophal planlos“ – ich kann es mir nicht erklären.

JamesBond
1 Jahr her

Prost, unsereins gilt mit 3 Berufsausbildungen + Weiterbildung meist als Überqualifiziert und diese „Faulenzer“ arbeiten nur an der Politkarriere – gut das ich Rente und Witwenrente beziehe, da arbeite ich nur noch für add ons wie Auto – aber im Gegensatz zu denen muss ich immer noch arbeiten und Leistung bringen!

Last edited 1 Jahr her by JamesBond
Fatmah
1 Jahr her

Wenn ich mir den Herrn Lindner so ansehe, wie wird man denn als Wehrdienstleistender Major? Hierzu muss man mindestens 8 Jahre lang Offizier sein und um Offizier zu werden muss man sich für mindestens 13 Jahre verpflichten. Passt net so recht zusammen das Anglerlatein, immerhin hat er sich keinen Dktortitel verliehen.

Flaneur
1 Jahr her
Antworten an  Fatmah

stimmt so nicht. Seiner Vita auf Wikipedia ist zu entnehmen, dass er die Laufbahn „Reserveoffizier“ eingeschlagen hat. Den Offz. d.R. (adW) kann man in wenigen Jahren „nebenbei“ in einzelnen Wehrübungen ableisten, bis man zum Lt. befördert wird. und DANN wird er seinen Studienabschluss vorgebracht haben. Er ist M.A., was die Bundeswehr ihm als „Major“ anerkannt hat, um ihn für seine Fähigkeiten entsprechend zu entlohnen. Das ist nicht unüblich, aber besonders bei Ärzten SEHR üblich. Warum man einen Magister, der über Steuerrecht geschrieben hat, zum Major macht, müsste man im Einzelfall sehen. Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass da was „geschoben“ wurde, weil… Mehr

THM
1 Jahr her
Antworten an  Fatmah

Herr Lindner hat in seinem offiziellen Lebenslauf der Bundesregierungs – Website um dieses Thema geschickt herumformuliert. Meine Recherche an anderer Stelle ergibt, dass er Zivildienst als Hausmeister bei der parteieigenen Naumann – Stiftung geleistet hat, um nach eigener Aussage sein Unternehmen weiter betreiben zu können. Das lese ich so, dass er nicht, wie andere Zivildienstleistende, in der Dienststelle eine 40 Stunden Woche hatte. Gegenüber anderen „Zivis“ ohne Zweitjob im eigenen Unternehmen ist das schon eigenartig, gerne hätte ich mal seine Anwesenheitsbelege in der Stiftung geprüft. Wie er dann auf einmal sein Gewissen für die Armee begeistern und so schnell als… Mehr