Asylsystem-Änderung: Ein Versuchsballon der EU-Kommission

Geschichten zur Ineffizienz der EU gibt es zuhauf. Das Europäische Parlament tut sich dabei besonders oft hervor. Ein aktuelles Beispiel ist die Arbeit des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.

Europaparlament

Das Thema: Dublin. Also nicht die Stadt in Irland, sondern das Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen in der EU, welches Angela Merkel 2015 einfach mit der Begründung ignorierte, „es sei obsolet“. Dieses Verfahren besagt insbesondere, dass Flüchtlinge in dem Land bleiben müssen, welches sie als erstes betreten und wo ihre Sicherheit gewährleistet werden kann.

Wie immer
Merkel hat gar nichts getan
Vor einigen Monaten hatte die EU-Kommission ein Papier an das Europäische Parlament gesandt, welches das Dublin-Verfahren grundlegend ändern soll. Das Ziel der Kommission: Die Erstaufnahmeländer sollen entlastet, das Aufnahmesystem effizienter und schneller werden. Dieser Vorschlag wäre schon allein daran gescheitert, dass er eine Quotenregelung für alle Dublin-Staaten wollte, an der übrigens auch die Schweiz, Norwegen und Island beteiligt sind, und dann auch die Bewegung der Flüchtlinge in der EU einschränken, d.h. die Flüchtlinge an die Aufnahmeländer binden wollte. Diese Quote sollte mit Strafen von 250.000 Euro pro nicht erfülltem Aufnahmefall durchgesetzt werden. Allein letztgenannte Regelung hätte mit Sicherheit zu einem Veto mehrerer osteuropäischer Staaten, besonders Polen und Ungarn, geführt. Die Vorlage war damit von Anfang an praktisch aussichtslos.

Warum hat die Kommission diesen Vorschlag trotzdem gemacht? Sie wollte vermutlich nur einen Arbeitsnachweis liefern. Ich sehe aktuell keine Chance, das fundamental geschädigte europäische Aufnahmesystem zu reparieren. Insbesondere die Osteuropäer sind von den bisherigen Integrationserfolgen der multikulturellen westeuropäischen Staaten alles andere als überzeugt und wollen dieses gesellschaftliche Experiment bei sich nicht durchführen. Aber auch in Westeuropa will praktisch niemand zusätzliche Gruppen aus Afrika oder dem islamischen Raum aufnehmen.

2003 schrieb der SPIEGEL anders als heute
Die Migrationsdebatte dreht sich im Kreis - seit Jahrzehnten
Trotzdem hat sich der zuständige Ausschuss des Parlamentes mit diesem vollkommen unrealistischen Vorschlag auseinandergesetzt. Die Abgeordneten haben über ein Jahr hinweg mehr als 1.000 Änderungsanträge eingereicht und diese in rund 25 Sitzungen verhandelt. Das entstandene Werk soll in der nächsten Woche in die Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat geschickt werden. Da das Papier in Teilen noch utopischer wurde, ist die Aussicht auf diese Reform gleich Null. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die von Donald Tusk, dem aktuellen Ratspräsidenten.

Was soll man davon halten? So viel Arbeit und es ist alles für die Katz. Vielleicht kann man den Osteuropäern damit den schwarzen Peter in die Schuhe schieben – mehr aber auch nicht, und auch das ist anzuzweifeln. Aber zumindest diejenigen, die im Parlament der Reform zugestimmt haben, können stolz auf sich sein. Die hauptverantwortliche Abgeordnete Cecilia Wikström von den Liberalen hatte immerhin auch nur eine altruistische Motivation: „Mein Ziel ist es, ein wirklich neues Asylsystem zu schaffen, das auf Solidarität beruht.“ Und wer könnte schon gegen Solidarität sein? Es sei jedoch gesagt: Einjährige Verhandlungen zu einer Reform, die sowieso nie verabschiedet wird, sind auch nicht sonderlich solidarisch – gegenüber dem Steuerzahler. Doch der wird in Brüssel wie so oft schnell vergessen.

Der Entwurf der Kommission ist derzeit nicht mehr auf ihrem Internet-Auftritt zu finden, daher hier: COM_COM(2016)0270_EN

Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete (Liberal-konservative Reformer).

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Kommentare ( 27 )

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Schwabenwilli
6 Jahre her

Hat zwar nur am Rande damit zu tun. Getsern lief auf Arte der Film: https://www.arte.tv/de/videos/062939-000-A/das-system-milch/ Man wird nachdenklich über das was die EU alles verbockt. Stichworte Schlachtabfälle, Milchsee, Milchpulver, Textilien. Kurz, die EU pumpt Afrika voll mit ihrer Überproduktion, nicht nur bei Landwirtschaftlichen Erzeugnissen aber hier mal als Beispiel. EU Bauern stehen mit ihrer Produktion derart unter Druck das sie nur mit Finanzhilfen von Brüssel überleben können, gleichzeitig ist eine Überproduktion von Lebensmitteln entstanden damit wird Afrika geflutet und zwar so billig das einheimische Erzeuger nicht mithalten können und Pleite gehen, Folge Arbeitslosigkeit. Das ist auch ein Teilfaktor ( neben… Mehr

Tania Stabler
6 Jahre her

Die EU sollte sich eingestehen, dass eine Völkerwanderung stattfindet. Dies wird in den nächsten Jahren noch zunehmen. Die Gründe sind vielfach und haben oftmals mit Krieg nichts zu tun. Der „kleine“ Kontinent Europa kann nicht alle aufnehmen. Wir werden noch erleben, vermutlich erst nach harten Erfahrungen, dass Europa sich abschottet wie Australien. So hart es klingt, so bedauerlich Einzelschicksale sein mögen, aber Afrika und der nahe Osten müssen erst das durchmachen was Europa hinter sich hat und ein System mit Staaten aufbauen welche respektvoll miteinander umgehen. Die Entwicklung, ich meine nicht die technische, liegt halt 100-200 Jahre zurück. Und aktuell… Mehr

hasenfurz
6 Jahre her

„Aber auch in Westeuropa will praktisch niemand zusätzliche Gruppen aus Afrika oder dem islamischen Raum aufnehmen.“ Europa sollte einfach nur die aufnehmen, die europäisch sind oder problemlos werden können, und von daher zur Kultur, Werten und Geisteshaltung, der gesamten Entwicklungsstufe Europas passen. Was sollen wir mit massenhaft Leuten, die in ihrer Zivilisationsstufe noch vordemokratisch eingestellt sind? Und weshalb ist es rassistisch, sich selbst nicht zu Kalkutta (Scholl-Latour) machen zu wollen, sowas nennt man gesunden Selbsterhaltungstrieb. Hat bis jetzt immerhin so gut funktioniert, daß die alle hierher wollen. Weil es bei uns „besser“ ist als bei ihnen. Diese Logik sagt doch… Mehr

Peter Zinga
6 Jahre her

Das ist doch lächerlich, „Alle Asylleistungen můssen in allen EU länder einheitlich sein“! Wie soll ein Assylant in Tschechien mehr bekommen, als ein Rentner oder ein im Nedriglohnsektor Arbeitende? Und der Punkt 4 noch dazu! Nein, Sie haben die Hochkwalifizierte eingeladen, Sie dürfen sie behalten.

Daniela Gmeiner
6 Jahre her

Hätte die EU und die deutsche Regierung mit Hilfe der links-grünen Medien nicht vorsätzlich die Begriffigkeiten „geschwurbelt“, dann wären die vielen hochbezahlten Arbeitsstunden bei der EU-Kommission nicht nötig gewesen. Faktum ist, dass die Zahl der juristisch als asylberechtigt anzusehenden Personen sich im 1%-Bereich bewegen. Die Menschen, die von der EU verteilt, und für die Frau Merkel den Grenzschutz und den Rechtsstaat aufgegeben hat, sind illegale Migranten. Gegen diese hilft weder eine „Obergrenze“ noch ein Einwanderungsgesetz, wie die „Jamaikaner“ es den Wahlbürgern verkaufen wollen. Aber einfach die Innengrenzen zu sichern, wenn die EU-Aussengrenzen ungesxhützt sind, sind wohl eine zu einfache Antwort… Mehr

von Kullmann
6 Jahre her

Gesetzesflut gegen Gesetze, EU zum Abgewöhnen:
Rausgeschmissenes Geld für reingeschmissene Neubürger.

Illusionslos
6 Jahre her

Die EU-Kommission hat ein einziges Probelm, sie wollen die Nationalstaaten abschaffen und können deshalb nicht gleichzeitig den Nationalstaaten die Souveränität erhalten, welche die Bürger aber behalten wollen. Das ist die Quadratur des Kreises, die man nicht einsehen will. Ein Asylsystem, das nur die Asylanten schützt, aber nicht die Gastländer, wird in der EU niemals zustandekommen. Ein neues Asylsystem das auf Solidarität basiert muß beinhalten : 1. Asyl erhält jeder, der lt. GG Anrecht auf Asyl hat. 2. Alle Asylleistungen müssen in allen EU-Ländern einheitlich sein. Ist der Asylgrund entfallen, muß die Ausreise Pflicht sein. 3. Das Resettlementprogramm muß in Zeiten… Mehr

Frank in ZA
6 Jahre her
Antworten an  Illusionslos

Es koennte so einfach sein…
Aber das sind ja nur einfache Loesungen fuer komplexe Probleme und rechte Parolen.
Die EU mag keine einfachen Loesungen, hochkompliziert und nicht durchfuehrbar muessen sie sein.

Martha Mühlberger
6 Jahre her
Antworten an  Illusionslos

Da stimme ich Ihnen in allen Punkten zu. Das ist ralistisch, aber in Deutschland bin ich mit Ihren Thesen auf einmal ein Nazi und ghöre zum Bodensatz der Gesellschaft. Nur jemand muss das auch bezahlen.

sdenker
6 Jahre her
Antworten an  Illusionslos

Wie es scheint sind auch Sie – angesichts Ihres Punkt 6 – auf die Absicht hinter dem allerortens schon mantrahaft wiederholen Begriff „Einwanderungsgesetz“ hereingefallen. Nämlich dieses durch nur ein oft genuges Wiederholen in den Köpfen der Menschen festzusetzen. Doch ich sage Ihnen: NEIN ! Wir brauchen kein Einwanderungsgesetz! Wie noch die früheren Kanzler Kohl und Schmitt richtig wussten, ist Deutschland KEIN Einwanderungsland ! Und deshalb brauchen wir auch kein Einwanderungsgesetz! Wenn überhaupt, dann braucht es eine gezielte Förderung der Geburtenrate von ethnischen Mitteleuropäern. Z.B. auch durch das gezielte Fernhalten von fremdländischen „Fachkräften“ die kontraproduktiv durch ein Einwanderungesetzt gar noch angelockt… Mehr

Licht und Schatten
6 Jahre her

Wo ist das Problem?
Einfach noch mehr Geld hinschicken, den Laden richtig schön aufblasen und dann wenn Jamaika den Flüchtlingskompromis, der abzeichnet, vier Jahre lang gelebt hat, sind wir ohnehin pleite, dann hat sich das Thema #EU erledigt.

Obergrenze 200.000 p.A
jeweils Familiennachzug Faktor 3= 600.000 p.A
Mach n vier Jahren 3,2 Milklonen neue HartzIV Empfänger und Arbeitslose, die irgendwie in keiner Statistik zu finden sein werden aber Deutschland ein Loch in die Kasse brennen.

Frank
6 Jahre her

Wenn das damals rechtens war, hat Frau Dr. Merkel im Alleingang und ohne Zustimmung oder Ermächtigung des Parlamentes die Einreise auch ohne gültige Reisedokumente erlaubt. Das ist ein eindeutiger Rechtsbruch, wie ja auch bereits vermutet wird. Jetzt will sie, gemeinsam mit einer ev Jameika-Regierung weiter machen. Was die Bdevölkerung möchte, interessiert sie, oder die Koalitionspartner herzlich wenig.

Johann Vetter
6 Jahre her

Nun gut.
Das ist die Beschreibung eines aussichtslosen „Reformversuchs“.

Aber wohin wollen die „Liberal-konservativen Reformer“ bei dem Thema?