Tichys Einblick
Elon Musk klärt auf

Twitter unterdrückte Beiträge unliebsamer Nutzer

Der neue Besitzer Elon Musk räumt bei Twitter auf. Nun hat er die Journalistin Bari Weiss über die Praxis informieren lassen, dass Twitter die Beiträge unliebsamer Nutzer unterdrückte und diese auch ohne Not sperrte.

IMAGO / NurPhoto

Der „Shadow Ban“ galt lange als Verschwörungstheorie. Damit ist die Praxis gemeint, dass soziale Netzwerke die Reichweite von Nutzern einschränken, die sie für politisch bedenklich halten. Woke Politiker schaffen aktuell sogar den Spagat, zu dementieren, dass Twitter unliebsame Beiträge unterdrückte, und gleichzeitig zu beklagen, dass der neue Besitzer Elon Musk jetzt „die Grenzen des Sagbaren“ erweitere. Weniger widersprüchlich, weniger nebulös – sondern viel deutlicher ist die Aufklärung, die eben jener Musk nun selbst betreibt. Zum zweiten Mal hat er einen prominenten Journalisten über frühere Missstände bei Twitter berichten lassen. Das soziale Netzwerk unterstützte dabei die Recherche.

Dieses Mal fiel Musks Wahl auf Bari Weiss. Die arbeitete für renommierte Titel wie die New York Times. Doch sie muss mit diesem klassischen Medium unzufrieden gewesen sein. Denn Weiss gehörte zu den Gründern und Herausgebern der „The Free Press“. Einem Medium, das sich selbst als „aufrichtig“, „unabhängig“ und „furchtlos“ beschreibt und zu den Idealen stünde, die früher einmal die Grundlage für großartigen Journalismus bildeten.

Weiss kommt in ihrer rund 20 Tweets umfassenden Analyse zu dem Ergebnis, dass Twitter schwarze Listen angelegt und die Verbreitung unliebsamer Beiträge gemindert habe. Auch seien die Accounts entsprechender Nutzer für andere Nutzer schlechter zu finden gewesen. Sie standen also tatsächlich unter einem „Shadow Ban“, einem Begriff, der unter Woken immer noch als Verschwörungstheorie gilt.

Als Beispiele für die Shadow-Politik Twitters nennt Weiss Dr. Jay Bhattacharya von der renommierten Stanford-Universität. Er hatte auf Twitter darauf hingewiesen, dass Lockdowns zur Bekämpfung der Pandemie schädlich für Kinder seien. 2022 teilen sogar Corona-Hardliner wie der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diese Sicht. 2020 war das eine Position, für die Bhattacharya auf der schwarzen Liste von Twitter landete. Damit griff das Netzwerk in die Diskussion ein und verhinderte, das offen über mögliche Schäden diskutiert werden konnte, die in den USA wie in Deutschland mittlerweile eingeräumt werden müssen.

Der „Shadow Ban“ konnte zur Verschwörungstheorie werden, weil das einstige Führungspersonal Twitters dessen Existenz dementierte. Mittendrin Kayvon Beykpour, seinerzeit „Head of Product“ und Vijaya Gadde. Sie war „Head of Legal Policy and Trust“. Also Abteilungsleiterin für Vertrauen. Die beiden versicherten 2018 laut Weiss: “We do not shadow ban.” Und ganz sicher nicht, würden sie Beiträgen und Nutzern die Verbreitung nehmen wegen deren politischen oder ideologischen Sichtweisen.

Einen „Shadow Ban“ habe es auch nicht gegeben, berichteten Mitarbeiter gegenüber Weiss. Stattdessen hätten es die Führungskräfte als “Visibility Filtering” bezeichnet. Vom „Shadow Ban“ unterscheidet sich das “Visibility Filtering” vor allem und eigentlich ausschließlich durch den Namen. Das Vorgehen sei so gängig gewesen, berichteten die Mitarbeiter gegenüber Weiss, dass die Abkürzung „VF“ gängig und eigentlich jedem im Haus bekannt gewesen sei. Sie sei ein sehr mächtiges Werkzeug („tool“) gewesen. Einzelnen Beiträgen sei so die Verbreitung genommen worden. Außerdem habe Twitter verhindert, dass unliebsame Begriffe in die Trends geraten – und somit zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Den Nutzern gesagt, habe Twitter das nicht. Weder den Betroffenen noch den anderen.

Um die „VF“ durchzuführen, richtete Twitter ein eigenes Team ein. Das „Strategic Response Team – Global Escalation Team“. Auch für dieses gab es im Haus eine gängige Abkürzung: „SRT-GET“. Laut Weiss habe dieses Team bis zu 200 Fälle an einem Tag behandelt, allerdings nach zwar internen, aber offiziellen Vorgaben. Die Aufklärung in eigener Sache ist noch stark auf die USA konzentriert. Wie viele dieser Fälle in Europa stattgefunden haben, darüber berichten Weiss und Twitter nicht.

Das „SRT – GET“ lehnte sich zwar noch an die offizielle Firmenpolitik an. Es habe aber auch eine Gruppe gegeben, die sich ebenfalls mit „VR“ beschäftigte, allerdings ohne schriftlich festgehaltene Vorgaben des Unternehmens, berichtet Weiss. Diese Gruppe hieß demnach “Site Integrity Policy, Policy Escalation Support,” besser bekannt als “SIP-PES.” Auch hier war wieder Vijaya Gadde dabei. Eine Mitarbeiterin, die zu den ersten gehörte, die Musk feuerte. Die „SIP-PES“ habe die eigentlich großen Entscheidungen getroffen. Sie beschäftigten sich mit Accounts, die eine hohe Reichweite haben.

Als Beispiel nennt Weiss den Account „@libsoftiktok“.

Dieser habe auf einer schwarzen Liste gestanden zusammen mit dem Vermerk, dass nichts von diesem Account herausgehen dürfe, bevor „SIP-PES“ kontaktiert worden sei. Der Account hatte im November 2020 rund 1,4 Follower. Alleine 2022 sei „@libsoftiktok“ sechs Mal von Twitter gesperrt worden. Die Beiträge würden „Hass“ verbreiten, lautete die Argumentation des Netzwerks. Ein internes Memo von „SIP-PES“ aus diesem Oktober belege aber, sagt Weiss, dass die Verantwortlichen wussten, dass der Account gegen keine Regeln verstoßen hatte.

Intern begründete das „SIP-PES“-Team die Sperren damit, dass die Beiträge des Accounts medizinische Anbieter dadurch „belästigt“ hätten, dass darin die Ermutigung zur transgeschlechtlichen Behandlung junger Menschen mit Kindesmissbrauch gleichgesetzt wurde. Für ihre Äußerung erlebte die Betreiberin des Accounts viele Anfeindungen. So veröffentlichte ein anderer Nutzer ein Bild ihres Hauses samt der Adresse. Dieses Bild unterlag offensichtlich keinem „Shadow Ban“, denn es bekam mehr als 10.000 Likes und blieb auf Twitter trotz Proteste der Betroffenen.

Wer oder was eingeschränkt wurde und was nicht, unterlag offensichtlich den politischen Vorlieben der Mitarbeiter. Und die meisten von denen standen und stehen woke-links, wie die erste Runde ergab, in der Musk einstige Versäumnisse aufarbeiten ließ.

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