Tatort Saarbrücken: Clans, welche Clans?

Im aktuellen Sonntagskrimi aus Saarbrücken ist die grenzüberschreitende Kriminalität fest in den deutscher Hand.

© SR/Iris Maria Maurer

Saarbrücken ist schön. Besonders dann, wenn alle schlafen, lässt es sich hier offenbar prächtig Spazierengehen. Kommissarin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) kann mal eben zur Nachtapotheke schlendern, um dort ihre verschreibungspflichtigen Tabletten (250 Euro für die Packung) abzuholen. Den Hinweis der Apothekerin (Sophie Roßfeld) „aufpassen mit dem Zeug“ und die möglichen Implikationen für ihren Polizeidienst überhören wir dabei mal lieber.

Nachts, wenn leider auch die Ungerechten wach sind

Entspannt fahren die beiden Angestellten einer Werttransportfirma (Aytac Celik und Ralf Hochstädter, gespielt von Mücahit Altun und Jean-Luc Bubert) flache Frauenfeindliche Witze reissend („..Frauen sind genauso lecker wie Speck, bringen einen genauso langsam um..“) mit ihrer Fracht von 3 Millionen Euro durch die Nacht, spielen bei dem Gedanken daran und an ihre Schufterei im Schichtdienst mit der Aussicht, dass sich das Blatt ja bald wenden könnte. Dafür sorgt das Drehbuch von Melanie Waelde, aber nicht so, wie die beiden Sicherheitsleute sich das gedacht haben, denn kurze Zeit später blockiert ein Lieferwagen die Strasse und vermummte Gestalten umringen den Geldtransporter, ganz wie in der Saarländer Realität (hier vom SR gemeldet).

Die Verbrecher machen Tabula rasa, sprengen nicht nur den Geldtransporter auf, sondern auch noch das zweite Fahrzeug, um Spuren zu vernichten. Da das Sicherheitsfahrzeug nicht automatisch Videoüberwacht wird, müssen die Insassen den Überfall selbst mit den Handys filmen. Höchstädter, Vater von Zweien, wird die brenzlige Atmosphäre im Wagen unerträglich und er steigt aus, wird dabei aber von der zweiten Explosion getötet. Seine Frau, die grade aus dem gemeinsamen Haus ausziehen muss, weil sie sich das nicht mehr leisten könnten, kommentiert die Todesnachricht lapidar: „wir schrieen uns nur noch an…konnten das Haus nicht abbezahlen…er kam oft nach Dienst nicht Heim…“

Hauptkommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer) eilt wie sein Kollege Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) zum Tatort. Beide spekulieren erstmal, dass sich nur der berüchtigte „Celik-Clan“ getraut haben könne, einen Überfall „in dieser Dimension“ durchzuführen. Und siehe da, der Familienname des überlebenden Werttransportfahrers lautet ja auch Celik. Der gibt sich völlig unschuldig, geht Schürk und Hmit seiner klappernden Gebetskette (Misbaha) auf die Nerven und verweist mehrfach darauf, dass die „ihm ja sowieso nicht glauben würden“ – im Übrigen sei der Name „Celik“ so wie Meier, Müller, Huber im Deutschen – also häufig. Er halte sich außerdem an das Sicherheitsprotokoll seiner Firma, wonach man eben nicht aus dem Wagen steigen solle – und vor allem auch ans Gesetz.

Eine von den Tätern offenbar aufs Pflaster gesprühte „73“ führt die Ermittlungen aber schnell weg von einheimischen Clans und ins benachbarte Frankreich, wo eine „europaweit“ agierende Bande, an deren Spitze das Ehepaar Josef und Béatrice Radek (Sabine Timoteo) stehen soll, solche Spuren schon hinterlassen hat. Das Verbrecherduo hat ihre Tochter Carla (Lena Urzendowsky) verlassen und ist untergetaucht. Das Mädchen floh dann vor der Observierung der Französischen Behörden nach Deutschland (!) und arbeitet nun in Saarbrücken im „Saar Gourmet Imbiss“ (für den Tatort umgetauft: eigentlich „Peace Kebab Haus“ am St. Johanner Markt).

Saarbrücker Stilleben in Moll

Carla schafft es, Schürk (dreht ihr eine Zigarette) und Heinrich die von bösen Verbrechereltern im Stich gelassene Tochter vorzuspielen, behauptet, zur Tatzeit im 24 Stunden rund-um die-Uhr offenen Fitnessstudio gewesen zu sein. Nachdem sie sich so haben abspeisen lassen, entspannen sich die beiden Kriminalisten in der herrlich leeren Saarbrücker Bahnhofsstrasse beim eng umschlungenen (Vorsicht, eigentlich gibt es ja eine unausgesprochene „Bromance zwischen Schürz und dem muskulösen Hölzer!) Barfusstanzen im Brunnen. Übernachtet wird anschliessend im Polizeirevier.

Kollegin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) darf derweil ihr perfektes Französisch beim Besuch ihrer alten Bekannten und Kollegin Noémie Legrand (Sandy Lewis Godefroy) zum Besten geben, die ihr Zugang zum ehemaligen Wohnhaus der Radeks in Frankreich verschafft. Noémie empfängt Baumann mit Floskelhaftem Lob für ihre Überpünktlichkeit: „Du bist so deutsch“. Sie werden vom überheblich auftretenden Merlin Bravard (Daniel Séjourné), dem früheren Nachbarn der Radeks, am Pool empfangen – der will der aber nichts gesehen oder gehört haben. Er selbst kann, weil „seine Hausangestellen dann frei haben“ für die nächtliche Tatzeit kein Alibi vorweisen.

Celik: Ich schwöre Ihnen, ich habe damit nichts zu tun!

Just als Schürk und Heinrich zum „Saar Gourmet Imbiss“ zurückkehren, um Carla nochmals zu befragen, taucht, durch die Nachrichten von dem Geldtransporterüberfall aufgeschreckt, deren verschollene Ganoven-Mutter dort auf, um sie wieder in ihre Arme zu schliessen. Im Hinterzimmerchen des Imbissladens entspinnt sich nun eine Geiselnahme, an deren Ende sich das deutsch-französische Mutter-Tochter-Gespann mit der gekidnappten Heinrich absetzen kann.

Carla Radek: „Ich schiesse gut und ziemlich schnell“

Sie lässt ihre Masken fallen; Nicht nur arbeitet sie bei der Entführung der Polizistin aktiv mit, sie steckte offenbar auch hinter dem Überfall auf den Geldtransport (ist mit Aytac Celik liiert und kannte daher seine Transportrouten) sondern lebt nach dem Motto ihres (an einer Gehirnblutung verstorbenen) Vaters: „Lieber in Freiheit sterben als im Knast leben“. Adam Schürk nimmt die Entführung seiner Kollegin so mit, dass er wieder zu Rauchen anfängt. Auch Esther Baumann dreht bei dem Gedanken an Pia „fast durch“. Die ausgelöste deutsch-französische Ringfahndung kann die Flüchtigen nicht aufhalten, denn Carla lotst ihre Mutter mit ihrer Ortskenntnis an den Kontrollposten vorbei.

Kaltblütig lässt das kriminelle kleine Ding Heinrichs Versuche, sie wieder auf den rechten Weg zu bringen („Du könntest sagen, dass Mama dich gezwungen hat“) an sich abtropfen: „Ich verstehe Eure Werte und eure Regeln nicht“, schiesst die Polizistin sogar bei einem Fluchtversuch nieder. Bei Carla scheint sich alles, was ihre Eltern ihr jemals beigebracht haben, „ins Gehirn eingegraben zu haben“, wie sie selbst zugibt.

Ihr früherer Nachbar und Komplize Merlin Bravard wird vom zweiten im Bunde, Moritz Leimer (Michelangelo Fortuzzi), der „schon mit 12 kriminell gewesen ist“ und ein Butterfly-Messer in der Gesässtasche herumträgt, im Streit um die Beute umgestossen und tödlich verletzt. Dass Polizist Adam Schürk und Leimer sich in einer früheren Folge schon mal begegnet sind, sogar gemeinsame illegale Sache gemacht haben, ist nur eine Randnotiz wert. Auf Leimers Spur gerät die Polizei durch einen DNA-Abgleich, weil der sich während es Überfalls verletzt hatte, und sein Handy liefert die Fährte zum Versteck der Radeks. Die kriminelle Seniorin, schick im Kostüm und mit Goldohrringen, wird gefasst, aber ihr Früchtchen von Tochter kann entkommen und bietet Kommissarin Heinrich im Austausch für Ihre Mutter an. Zum explosiven „showdown“ kommt es in einem alten Bunker des sogenannten „Westwalls“ nahe der französischen Grenze, wo Carla auch noch ihr Talent für den Bombenbau unter Beweis stellt. Wer das Handgemenge und die Detonation überlebt hat, wird der Zuschauer erst in der nächsten Folge Anfang 2026 erfahren – wenn er denn dieser arg zusammengeschusterten Geschichte noch wird folgen wollen.

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Kommentare ( 1 )

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Dellson
17 Tage her

Wer die Seilschaften in diesem Provinzfürstentum kennt, weiss warum diese absurden Klischees der völlig überhöhten Frankreichaffinität jedesmal furchtbar gestelzt gezeigt werden. Der vollsubventionierte SR ist hierbei noch der Treiber dieser Trauerkomödie aus purer eigener Überlebensstrategie. Peter Sloderdijk nannte es einmal höflich verträumtes Wunschdenken, aus Mangel an fehlender, auch finanzieller eigener Selbständigkeit. Wo es bereits mit dem Hochdeutsch eng wird, will man verzweifelt die französische Sprache verordnen. Eine Realsatire. Auf diesem erwähnten St.Johanner Markt in Saarbrücken findet man eher ein Kauderwelsch aus arabisch und osteuropäischen Sprachen. Nur bonjour tristesse! Und zu dem Tatort, wenn eine Kommisarin zu ihrem Kollegen sagt, „ich… Mehr