Maischberger: Merkelland vor dem Super-Wahl-Sonntag

Ein Gentleman von der AfD, eine CDU-Politikerin in Liebe zu Deutschland entbrannt, ein geknickter Genosse, der letzte Mohikaner wieder witzig und eine aufgehübschte Grüne: Bei Maischberger Parteien auf dem Reformtrip. Nur bei den Linken bleibt alles, wie es Wagenknecht.

Screenshot: Maischberger, ARD

Mittwoch abend, das Fernsehgericht tagt, Vorsitz hat die Richterin Maischberger. Als Nebenkläger angekündigt: Oppermann (SPD), Kramp-Karrenbauer (CDU), Wagenknecht (Die Linke), Lemke (Die Grünen), Beisitzer Kubicki (FDP). Angeklagter Gauland (AfD). Das kann ja heiter werden, dachte sich der Prozessbeobachter.

Doch wir haben uns offensichtlich in der Tür geirrt. Oder im Datum. Vier Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist anscheinend alles ein bisschen anders geworden im Land. Die Parteien legen sich in die Kurve und verändern schnell noch das Image. Die Wähler, so sagen die Demoskopen, entscheiden sich JETZT! wo sie ihr Kreuz machen werden, in den letzten Tagen vor der Wahl. Alles ist offen, die entscheidenden Minuten der Show beginnen vor dem Superwahlsonntag.

Es kommt nicht auf die Prozente an

Alexander Gauland wurde per Kurzfilm vorgestellt, sein beruflicher Werdegang überrissen, seine 40 Jahre in der CDU. Gauland habe „das Auftreten eines englischen Edelmannes“ vernahm mancher Hörer sicherlich verdutzt aus dem Off. Nichts von Teufel in Menschengestalt, Brandstifter, Hetzer. Hat man bei der ARD erkannt, dass blindes Dreinschlagen auf die AfD der Partei eher nutzt?

Sahra Wagenknecht wurde konfrontiert mit ihren AfD-ähnlichen Aussagen, dass die Kapazitätsgrenze für Flüchtlinge erschöpft sei und kriminelle Asylbewerber, die wie in Köln das Gastrecht missbrauchten, abgeschoben werden sollten. Der Gentleman der AfD konstatierte „hohen Respekt“ vor Wagenknechts unabhängiger Meinung. Er dürfte sich wohl am meisten gewundert haben über den neuen Schmusekurs. Man muss sich nicht gleich vor einer neuen Querfront von links/rechts fürchten. Wagenknecht bleibt Wagenknecht, nämlich einsam.

Die fesche Grüne Steffi Lemke warf zwar noch ein, dass die AfD „die Flüchtlingskrise hemmungslos ausnutze“, aber das muss sie tun, sonst droht ihr ein Partei-Tribunal wie unter Mao Tse Tung, das sich gewaschen hat. Überhaupt sind die Grünen längst nicht mehr von dieser Welt. Die Deutschen haben „Schein-Ängste“, was die Zuwanderung betrifft. Und „wir haben zu wenig darüber geredet, dass sich die sozialen Dinge weltweit geändert haben“. Frau Lemke glaubt wohl, sie habe ein Weltmandat für Problemlösungen.

Nein, Haue von allen Seiten bekam Thomas Oppermann, stellvertretend für seinen Chef Sigmar. Haue von Annegret Kramp-Karrenbauer, die ihre Kanzlerin zitierte, die SPD mache sich klein, obschon sie doch so viele soziale Segenstaten vorzuweisen habe. Kräftig Haue von Sahra Wagenknecht dafür, dass die SPD die Deals mit dem üblen Erdogan mittrage. Oppermann gab den sprichwörtlichen geprügelten Hund. Am Ende blieb ihm nur vorwurfsvoll festzustellen, dass eine Volkspartei nichts mit Prozenten zu tun habe, sondern dass sie Heimat für alle sein könne. Partei und Genosse – ein Bild des Jammers.

Immer ein Genuss bei Talkshows ist der letzte Mohikaner der alten FDP, Wolfgang Kubicki (der sogar ein wenig Morgenluft für seinen Verein wittert). Das Gipfel-Ergebnis von Frau Merkel findet er „eher komisch“: Für jeden Flüchtling, den wir in die Türkei zurückschicken, nehmen wir wieder einen aus der Türkei auf. Noch komischer ist nur, wie Abgeordnete, die nur ihrem Gewissen verantwortlich sein sollten, jeden Quatsch ihrer Vorsitzenden abnicken. Was uns kurz zum eigentlichen Thema der Sendung bringt: ob der Super-Sonntag Merkels Schicksalswahl wird. Beste Antwort von Kubicki: Natürlich nicht, weil Merkel eines geschafft hat: es gibt in der Union keine personelle Alternative. Zudem bleibt ihre politische Leistung, die SPD dermaßen in den Schwitzkasten genommen zu haben, dass diese kaum noch eine eigenständige Rolle spielt. Oder wie Kubicki es ausdrückte: „Die SPD muss sich mal fragen, ob sie die Partei der Sozialarbeiter oder der Malocher ist.“ Und sie könne nicht immer nur Frau Merkel loben.

Zwar glaubte Gauland zu erkennen, dass der Zersetzungsprozess in der CDU begonnen habe. Dabei kann Merkel sicher sein: eine kopflose Partei macht keine Revolution.

Überhaupt scheint sich das „die Partei, die Partei, die hat immer recht“ überholt zu haben. Mehr denn je kommt es auf die Führer an. Im tragischen Sinne zeigen das Genosse Sigmar und seine seltsamen Mitregenten, die ihre Partei an den Rand der quantitativen Bedeutungslosigkeit gebracht haben.

Ebenso steht eine Angela Merkel für sich selbst, ihre Partei spielt im Hintergrund nur noch eine Statistenrolle. Ein weiteres Beispiel, dass weniger Programme, vielmehr Personen die Stimmen holen ist der grüne Winfried Kretschmann. Der bedient sich für seine pragmatische Politik bei der FDP genauso wie bei der CSU oder bei den Linken. Und der wohl am Sonntag ein sensationelles Ergebnis einfahren dürfte.

Das übliche Bullshit Bingo „Wir müssen mehr mit den Leuten reden“, „Die Flüchtlinge nehmen niemandem etwas weg“, „Alle Steuer-Überschüsse sind für die Flüchtlinge reserviert“, „Die Gesellschaft darf nicht auseinanderdriften“ soll hier nicht weiter reportiert werden.

Wer mit wem?

Im Prinzip waren alle in der Runde mehr oder weniger irgendwie einer Meinung. Ebenso in der Planlosigkeit. Frau Wagenknecht will mit Putin reden, aber nicht mit Erdogan; Oppermann will mit allen reden, aber nicht mit Gauland. Frau Lemke findet Merkel gut, Herr Gauland Frau Wagenknecht.

Und vor lauter lauter vergaß man, die AfD wie üblich an den Pranger zu stellen.

Dennoch war es ein denkwürdiger Abend. Nicht nur, weil der Schauprozess ausblieb. Überrascht vernahm der Zuschauer ein Bekenntnis, das in den letzten Monaten nirgendwo zu hören war: „Ich bin CDU Mitglied und ich liebe Deutschland“, so Annegret Kramp-Karrenbauer. Und hätte sie jetzt noch eine kleine Deutschlandfahne hervorgekramt, wie einst Björn Höcke bei Günther Jauch, – manch potentieller AfD-Wähler würde seine Wahl am kommenden Sonntag vielleicht noch mal überdenken. Aber vielleicht kommt die Show ja etwas zu spät.

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