Bei Anne Will: Die Neustart-Experten AKK und Schulz

Jetzt muss dann aber auch mal Schluss sein mit den AKK-Wochen im TV. Sie will bleiben, wie sie ist - das pure „Weiter so“ ist sie aber auch nicht. Hä?

Screenprint: ARD/Anne Will

Neustart? Wir hören immer Neustart. Alles neu macht der Frühling, das weiß jeder grüne Hofreiter, aber ein Merz ist ja schließlich nicht mehr in Sicht. AKK ist jedenfalls weder neu noch Start, und allein deutsches Pflichtbewusstsein zwang uns, noch einmal ihr ganzes Repertoire über uns ergehen zu lassen, von der „schweren Bürde“, der „Sacharbeit“, dass sie „Verantwortung wahrnehmen“ wird, außerdem „wird zu gestalten sein“, bis zur Ankündigung „Wir werden über innere Sicherheit in Werkstattformaten noch mal reden“.

Aber Anne Will beharrt zunächst dickköpfig auf ihrem Neustart-Talk und hatte deshalb den Neustart-Experten schlechthin, den einzig wahren Martin 100%-Schulz aufgetrieben. Wichtigster Satz: 100% Abstimmungsergebnisse seien „nicht so prima“, weil das längst nicht heißt, dass alle einen gut finden. „Ich kenne das“. „Mittlerweile“ hätte er hinzufügen können. Aber die Annegret, bei deren Rede er „die Emotionen gesehen hat“, toll.

Machtsystem und Systemmacht
Bürger sind zum geführt werden da
Irgendwann schafft es Schulz dann sogar, wieder den Pathos-Turbo anzuschmeißen, als sei er noch der Große Schulz und fordert „für die hart arbeitende Mitte Antworten zu finden“. Für die „Pendler, wo die Bahn nicht fährt“, für die Mütter ohne Kitas und wir begannen uns Sorgen zu machen, denn je mehr das Publikum klatschte, umso mehr steigerte sich der Martin in seine Rolle als Volkstribun hinein, und wir wissen doch alle, wie das schon mal endete. Vielleicht nimmt er den Jubel ernst, weil er nicht weiß oder wissen will, dass da nur als hart arbeitende Mitte verkleidete Genossen und Hartzer auf den Rängen sitzen aus dem armen sexy Berlin.

Natürlich waren auch Vertreter aus der Belehrungsbranche geladen, Christiane Hoffmann vom „Spiegel“ und Gabor Steingart, früher „Handelsblatt“. Leider hat Frau Hoffmann so gar nichts von der einstigen Schärfe und Frechheit des „Spiegel“ (wie das Blatt ja auch selber nicht mehr) und spielte mit dem „Verdacht eines Verrats“ bei der AKK-Wahl und der Dolchstoßlegende, die das Merz-Lager verbreite, dabei habe der lediglich eine grottenschlechte Rede gehalten. Auch das Will-Team nährte noch einmal das Gerücht des angeblich so mächtigen Wolfgang Schäuble, der von Merkel längst ausrangiert sein Gnadenbrot verzehrt. Aber wie soll man auch sonst den Punkt „Das Ende der alten weißen Männer und der Aufstieg der neuen tollen Frauen“ (über das Alter spricht man da nicht, das wurde aus der alten Zeit gerettet) überleiten?

Die Unwahrheit aufzeigen
Arbeit am Mythos von Merkels goldenen Zeiten
Da versprach wenigstens Wolfgang Kubicki, die liberale Lästerzunge, ein wenig Stimmung. Ja, die Rede von Frau KK sei „rhetorisch beachtlich und gut vorgetragen“, lobte der Liberale. „Hätte ich ihr gar nicht zugetraut“. Haha. Er schaute völlig verständnislos aus dem weißen Hemd, als das Publikum buhte. Eines ist klar: Solche Belehrungen will keiner mehr hören vom Oberlehrer. Kubicki, das war so sichtbar, hat es nicht begriffen. Da saß er, in der Rolle nicht des bösen, aber des dummen weißen Mannes. Nicht alleine, was es schlimmer macht.

Kubicki zu Merkels nächsten Jahren: „Die Frau ist ja voller Überraschungen, aber ich habe die große Befürchtung, bei anderen ist es eine große Hoffnung, dass sie bleibt.“ „Merkel wird wohl nur noch an ihrer Rolle in den Geschichtsbüchern arbeiten“, AKK und Paul Ziemiak könnten sich dann mit den kleinen Problemen beschäftigen. Auch Schulz bekam sein vergiftetes Kompliment: Die Probleme im Land habe der ja richtig aufgezählt, aber „die sind das Ergebnis Ihrer Politik („nicht persönlich gemeint“)“. War es aber. Nur kann man so möglicherweise Kramp-Karrenbauer nicht packen, denn die spielt die Rolle des Mädchens, ist aber keines mehr. Ein böse Falle, für Typen, die lange raus sind aus der Politik wie Merz. Noch ein weiteres Alpha-Männchen tappt in die Falle.

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Gabor Steingart beherrscht wenigstens noch die Polemik im Nebenfach, die allerdings nur funktioniert, weil bei Zeitungen keiner kontern kann. Da schreibt es sich leicht in die Überlegenheit – die schon im TV nicht mehr funktioniert. So hatte er zuletzt AKKs Posten als Ministerpräsidentin als „Bürgermeisteramt im Saarland“ geschmäht. Und heute legte er eine Schippe drauf, weil´s so gut geklappt hat. „Ich gucke da fundamental“ erklärte er treuherzig und spielte den überlegenden Wirtschaftsredakteur mit den Zahlen im Kopf, aber „Ihr Saarland steht bei der Verschuldung an der Spitze“, das Bruttosozialprodukt sei ein Witz, bei der Wohlstandsgewinnung liege der abgehängte Kleinstaat hinter den Stadtstaaten (Genossenschande) und den ostdeutschen Ländern, die der Saarländer Honecker ruiniert habe.

Das war mal ein Versuch, auch wenn die Fakten nicht stimmen. Macht bei einer Zeitung nix, merkt keiner beim „Handelsblatt“. Aber es kam vor allem als dreiste Arroganz rüber. Die Arroganz aus Berlin, die „draußen im Lande” die Bürger ärgert. Und Kramp-Karrenbauer drehte genau den Angriff um: Sie führte die Provinz gegen die Gockel aus Berlin ins Feld. Statt dumme Fragen – dumme Antworten voll auf die Zwölf, die ganzen politischen Geschwätzkonstruktionen zum Einsturz gebracht. Und AKK wurde direkt zum Schulz. „Im Namen aller Saarländer und Saarländerinnen“ verbitte Sie sich…! Im höchstem Maaß despektierlich sei das! 40% der Kitas seien bilingual (Hahaha, im Homeland NRW sind‘s fast 100% und multilingual obendrauf!) „Lass ich mir doch nicht kaputtmachen…!“

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Jetzt habe sie sogar eine IT-Firma ins Saarland geholt! Selten ging ein Angriff auf einen Politiker, in diesem Fall -in, so daneben, glitt einfach ab an einer gelernten Parteifunktionärin, die aus der Rolle der Unterschätzten schnell ins Fach der Rächerin der Mühseligen und Beladenen wechseln konnte. Wenn schon Dolchstoßlegende, dann diese: Da hat die Kramp-Karrenbauer-Fraktion eine Falle aufgestellt, und Steingart wie Kubicki semmeln selbstgefällig rein und merken es gar nicht.

Ja, so kann man das auch sehen, und so blieb es beim hilflosen „Jedes Funkloch ist Ihr Funkloch“. Schulz sprang der Bedrängten sofort bei, nicht mannhaft übrigens, sondern weil er sich „zu Herrn Steingart nicht weiter äußern will, „der hat mir die Fähigkeit zur Kanzlerschaft abgesprochen, weil ich kein Abitur habe“. Eine wunderschöne Rache, selten so gelacht. So schnell bilden sich Koalitionen von Würselen bis Saarbrücken gegen die Arroganz von Berlin-Mitte. Nein, die Annegret könne nichts für den Zustand des Saarlandes, Ministerpräsidentin hin oder her, weil „das Saarland erst 1957 zur BRD kam, „und die Franzosen da alles rausgeholt haben“. Ja, der Franzose, so isser.

Um mit den Worten der Großen Vorsitzenden Merkel zu schließen, man solle „nicht in die Vergangenheit gucken“, – obwohl wir da schon ein paar echte Fragen hätten – würden wir wetten, dass ein so hilflos am früheren Job Festgeklebter („War mal Handeslblatt-Chefredakteur“) wie Steingart weiter in die Talkshows darf – schließlich braucht es ja einen, der so wunderbar gestrig ist, dass neben ihm sogar Schulz Punkte machen kann, und das fällt dem wirklich nicht leicht. (In allem, was Sie Sonntags in der Talkshow sagen, haben Sie 100% Recht, Herr Schulz, nur am Montag ist es wieder man sollte, könnte, müsste). Uns bleibt nur auf AKK zu vertrauen, „Das pure Weiter so bin ich nicht“. Sie spielt nur die Rolle von Merkel von vor 20 Jahren, und es gibt immer noch ein paar selbstgefällige Onkels, die darauf reinfallen. Obwohl, eigentlich ist es auch schon egal.


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Kommentare ( 60 )

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60 Comments
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JP Teitinger
6 Jahre her

Woher nimmt der Autor die seltsame Behauptung, in NRW seien alle Kindergärten mehrsprachig?
Die letzte vollständige Erhebung zu mehrsprachigen Kindergärten in Deutschland vom FMKS (gibt es hier: https://www.fmks-online.de/download.html) ist von 2014 und zeigt das Saarland klar an erster Stelle sowohl in absoluten Zahlen mehrsprachiger Kindergärten als auch in deren Anteil an der Gesamtzahl der Einrichtungen und gemessen an der Bevölkerungszahl.
Je nach Maßstab liegt NRW im Vergleich dazu auf Platz drei oder weiter hinten im Mittelfeld. Und so übermäßig „mehrsprachig“ ist das Angebot in NRW auch nicht: Die allermeisten Kindergärten bieten Englisch an.

Wolfgang Wegener
6 Jahre her

„Belehrungsbranche“: Eine schöne Charakterisierung von Spiegel, Zeit,SZ, Gniffke, Cleber und Co.. Auf die -pars pro toto – SPD bezogen kann man es nicht besser als Buschkowsky sagen: „Klugscheißerpartei“.

andrea
6 Jahre her

Erinnert mich irgendwie an eine Reise mit einer West-Jugendgruppe durch die Sowjetunion im Jahr 1975: Als unsere linientreue Reisebegleitung auf die desaströsen hygienischen Zustände der Sanitäranlagen auf den Campingplätzen hingewiesen wurde, lautete ihre giftige Antwort: die Toiletten seien alle von den Nazis zerstört worden und deshalb müsse man im real existierenden Sozialismus nun mit einem Loch in der Erde und einer Schaufel Branntkalk auskommen.

Grumpler
6 Jahre her

Man soll ja nicht über das Alter von Damen sprechen, aber was oder wer kommt in etwa acht Jahren nach AKK? Warum acht Jahre? ADM ist 64, AKK ist 56. Und weitere 18 Jahre Weiter-so traue ich weder Frau Kramp-Karrenbauer noch mir zu.
Es dürfen selbstverständlich auch weniger als acht Jahre sein. Innert dieses Zeitraums dürfte so manche von Frau Merkel gelegte Bombe sehr merklich platzen.

Do.-An.Weber
6 Jahre her

Das seit 2013/14 40-seitige Konzept, “ Eckpunkte einer Frankreichstrategie“, das v. AKK und ihrer Mit- Regentin Fr. Rehlinger ( SPD) entwickelt wurde, ist quasi eine Anlehnung an eine sozialistische Früherziehungsdiktatur mit dem Druck zur multiligualen Prägung. Französischkenntnisse sollen ein “ Einstellungskriterium“ sein – später auch in der Verwaltung. Die seit 2013 neugeborenen Saarkinder sollen zur “ Generation Elyseé “ zählen u. mit einer CD, die über Kliniken, Kinderärzte u. Gynäkologen verteilt wird, zur Frühförderung angehalten werden. Nur – im ganzen Saarland leben weniger Franzosen als in der Stadt München! Zur Beobachtung von AKK`s Antwort auf die letzte Frage von Herrn… Mehr

Max Biber
6 Jahre her

Martin Schulz hatte gestern erwähnt, dass er kein Abitur hat. Vergessen hat er (warum auch immer), dass er auch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat.

Ostfale
6 Jahre her
Antworten an  Max Biber

Der hat überhaupt keine Bildung. Ah, doch, eine hat er, er hat was drauf in punkto ‚Eigenkapitalbildung‘

Fragen hilft
6 Jahre her

„Wir werden über innere Sicherheit in Werkstattformaten noch mal reden“.
Glückwunsch! Ein neues, kreatives Produkt aus der Kampf-und Verblödungs-Rhetorik-„Schmiede“. – Solide, zuverlässig, stahlhart.

Reimund Gretz
6 Jahre her

Die einstigen „Quotenfrauen“ drängen sich in Führungsrollen. Liegt das jetzt an eigenen Stärken oder an der Schwäche der Männer?

Eines ist, aber festzustellen bei den heutigen Anforderungsprofilen, um in die Politik zu gehen, liegt die Messlatte ganz weit unten!

Als Anwärter auf ein politisches Amt hat man neben der Parteitreue die besten Voraussetzungen, wenn man keine Ausbildung, diese abgebrochen hat, oder man ist Langzeitstudent. Etwas im Leben schon erfolgreich geleistet zu haben was früher eine Voraussetzung war, ist eher hinderlich.
Gibt es bald die Männerquote?

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  Reimund Gretz

… dann sollten wir zwei das machen, lieber Reimund …. .

herbert b.
6 Jahre her

Auf die Christ.Demokraten ist Verlaß, Kontinuität ist ihr wichtig.
Die logische Folge: Kanzlerschaft und Parteivorsitz, beides liegt
auch weiterhin in e i n e r Hand.

T. Pohl
6 Jahre her
Antworten an  herbert b.

Ja auf die vielleicht, ich hoffe aber dass die dann nicht auf ihre Wähler zählen können…..

herbert b.
6 Jahre her
Antworten an  T. Pohl

Hallo, T.Pohl – genau das. Meine Daumen sind, hoffentlich,
genauso heftig gedrückt wie Ihre – obwohl … „allein, mir fehlt
der Glaube“.

herbert b.
6 Jahre her
Antworten an  herbert b.

Korrektur: Das „ihr“ ist natürlich auf die Partei gemünzt, klar;
aber von der Satzstruktur (grammatisch) hätte ich schon „ihnen“
oder „denen“ verwenden sollen/müssen. Bitte um Vergebung.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  herbert b.

Vergeben, halleluja. Freut mich immer, wenn der Grammatik gehuldigt wird, is‘ ja auch so’ne Art Kültür … . Und jeder reuige Sünder ist vor dem Herrn wie eine Nachtwache – oder wie war das so ähnlich?

Emmanuel Precht
6 Jahre her

Mein Lieblingsbegriff für „Politische Miniaturausgabe Merkels“ ist „Annegret Bin-Nicht-Merkel“, denn darauf legt sie viel Wert, wie sie immer wieder wortreich betont und ich will es da ja nicht an Respekt mangeln lassen. Wohlan…