AfD bei Illner – doch die Debatte bleibt dieselbe

Die eine Seite geht von der Sicht aus, wie es sein sollte: dass das Völkerrecht eingehalten wird. Die andere Seite geht von der Sicht der Russen aus. Was die beiden Seiten von der tatsächlichen Lage halten, weiß man nicht. Im Grunde hatte auch diese Sendung den üblichen Mangel und daran konnte auch die Opposition in Gestalt von Gauland nichts ändern.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Die Illner-Sendung am vergangen Donnerstagabend war die Nacht der langgezogenen Gesichter. Ist es die Tatsache, dass die vier Gäste an diesem schönen Sommerabend nichts Besseres zu tun hatten, als im ZDF-Studio abzuhängen? Oder ist es das Thema: „Sicherheit für die Ukraine – NATO stärken, Russland provozieren?“? Oder lag es vielleicht daran, dass Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU) und Melanie Amann sich alle drei so gar nicht wohl in der Nähe des dritten Gastes, Alexander Gauland (AfD), fühlten? Lambsdorff hat vielleicht sogar noch einen zusätzlichen Grund, wird der „designierte deutsche Botschafter in Moskau“ doch bald nach Russland abgeschoben, wo ihn vielleicht eher kein so angenehmer Aufenthalt erwartet.

Erst an Gauland vorbei …

Ungefähr das erste Drittel verläuft die Sendung noch völlig normal. Man hat nicht das Gefühl, dass ein Gast anders behandelt wird als die anderen. Außer eben die langen Gesichter und der gesenkte Blick, während einer von ihnen spricht. Dieser Gast spielt aber auch bei den Diskussionen keine Rolle, die findet zwischen Kiesewetter und Lambsdorff statt, ab und zu quakt Amann etwas dazwischen. Thema der Diskussion: Wie wird Putin den Nato-Gipfel interpretieren, und wie hätte er ihn mit anderem Ausgang bezüglich der Ukraine interpretiert? Sie merken schon, es geht mal wieder um die Psyche Putins, Teeblätter und Glaskugeln.

„Wenn Putin das Abkommen liest, dann weiß er, die Nato war nicht einig bei der Einladung (der Ukraine in die Nato), es gibt keine Einladung“, führt Kiesewetter an. Dann wird diskutiert, ob es nicht noch komischer auf Putin wirken würde, wenn die Nato den Beitritt groß ausdiskutiert hätte, weil sich ja dann noch mehr herausgestellt hätte, dass die Nato uneinig ist. Stino-Politiker, die überlegen, wie sie am besten Psycho-Terror gegen einen Autokraten veranstalten können, der sich den ganzen Abkommens-Kram am Ende eh nicht durchlesen wird.

… dann alle gegen Gauland …

Doch plötzlich endet dieses erste Drittel des Friedens. Dann nämlich sagt Gauland etwas Unverzeihliches: „Ich will nicht, dass deutsche Panzer auf russische Soldaten schießen.“ Kiesewetter motzt sofort von der Seite, dass das ja gar keine deutschen, sondern ukrainische Panzer sind, denn schließlich übergeben wir die ja. Dass das so gar nicht der Punkt der Aussage ist, kann oder will er nicht verstehen. Gauland bezieht sich mit dieser Aussage auf die deutsche Geschichte zum Zweiten Weltkrieg. Da springt Illner ein.

Gauland müsse sich entscheiden, entweder dieser Teil der deutschen Geschichte sei nur ein Vogelschiss – oder so relevant gewesen, dass man bis heute die Außenpolitik danach ausrichten sollte. Das wiederum macht dann Gauland wütend, der sich beschwert, dass er sich schon x-mal für den Vogelschiss-Spruch entschuldigt hat und irgendwann doch nun mal gut sei. Danach gibt es kein Halten mehr. Wunderbar demonstriert die Runde, weshalb die AfD aktuell so ordentlich an Stimmen zulegt, obwohl diese neuen Wähler mit deren Haltung zu Russland gar nicht unbedingt einverstanden sind.

… Amann verbissen …

Melanie Amann zum Beispiel hat am vergangenen Abend mehr für die AfD getan, als Gauland es durch alle seine Redebeiträge zusammen geschafft hätte. Dafür reicht allein schon der Oberlehrerinnen-Blick, den sie perfektioniert hat und der immer wieder zum Einsatz kommt, wenn sie selbst glaubt, intelligent, kritisch und erhaben zu schauen. Dann senkt sie den Kopf ab, drückt ihr Kinn so sehr gegen den Hals, dass ein Doppelkinn entstehen muss, das ganze Gesicht wird lang gezogen und die Augen ungläubig aufgerissen. Ich will ja gar nicht von dem sexistischen Standpunkt aus argumentieren, eine Frau müsste jederzeit traditionell hübsch sein, aber besonders symapathisch oder ernstzunehmen sieht sie dabei auch nicht aus. Und ich sehe es als meine journalistische Pflicht, darauf hinzuweisen, denn der Blick kam an diesem Abend sehr oft zum Einsatz, und sie wirkte dabei, als wäre sie überzeugt, ganz anders auszusehen.

Ein ähnlicher Eindruck entsteht auch bei der mündlichen Ausdrucksweise von Frau Amann. Sie scheint auch hier eine etwas verfehlte Selbstwahrnehmung zu haben, denn der zickige, beleidigte Ton soll eigentlich, so vermutet man bald, ebenfalls erhaben und belustigt klingen, ob der Dinge, die Gauland von sich gibt. Doch obwohl da der grummelnde Nazi-Opi höchstselbst sitzt, der doch klischeegerecht eigentlich weder Argumente noch überhaupt einen Gedanken in seinem Kopf hat, stellt Amann bald fest, dass es doch gar nicht einfach ist, mit ihm zu diskutieren. Mit Füßen aufstampfen darf sie nicht, würde sie aber gerne, denn die Wut, die sich in ihr aufstaut, findet keinen anderen Weg nach draußen. Über ihre komischen Witzchen, in denen sie doch die Beiträge von Gauland lächerlich machen wollte, konnten nicht mal ihre Verbündeten lachen, und der Nazi-Opa tat ihr so gar nicht den Gefallen, den Schnabel zu halten. Manche werden eben eher deshalb Journalisten, weil sie wie fette Hauskatzen sind, die es nur schaffen, einen Vogel zu jagen, wenn der schon tot und durchgedreht im Näpfchen liegt und nicht mehr zuckt.

… und lauter Bekenntnisse, statt sachlich fundierter Diskussion

Die Debatte selbst wird vor allem dadurch behindert, dass man sich ganz einfach weigert, die Dinge, die die Parteien sagen, so zu verstehen, wie sie wohl gemeint waren, nicht, wie sie wortwörtlich ausgesprochen wurden. Wie die deutschen Panzer von Gauland. Meinte er, dass Deutschland selbst die Panzer in der Ukraine in den Krieg schickt und unter deutscher Flagge laufen lässt? Wohl eher nicht. Es gibt auch keinen taktischen Grund, weshalb es für Kiesewetter von Vorteil war, das anzunehmen. Aber es stört die Debatte und verlässt den Boden der Sachlichkeit. Gauland führt an, dass Russland als Großmacht bestimmte Interessen hat, Amann grätscht ihm rein und führt an, dass das ja gegen das Völkerrecht ist.

Das große Missverständnis zwischen beiden Fronten ist, dass beide Seiten nicht wirklich von der Sachlage ausgehen. Die eine Seite geht von der Sichtweise aus, wie es sein sollte. Nämlich, dass das Völkerrecht eingehalten oder angewandt wird. Die andere Seite geht von der Sicht der Russen aus. Was die beiden Seiten von der tatsächlichen Lage halten, weiß man immer noch nicht. Im Grunde hatte also auch diese Sendung wieder den üblichen Mangel, für den die Diskussionen bei Illner inzwischen bekannt sind, und daran konnte auch die Opposition in Gestalt von Gauland nichts ändern.

Für alle politischen Figuren in Deutschland, ob links oder rechts, ist Krieg etwas, was auf Papier stattfindet. Man hat bei beiden das Gefühl, dass sie zu sehr aus der Geschichtsbuchperspektive auf die Lage schauen, wo Abkommen als wirklich relevant dargestellt werden und Territorialverschiebungen einfach Striche und Farben auf einer Landkarte sind. Dadurch sind beide Sichtweisen zu abstrakt und lebensfern. Denn ob das Völkerrecht etwas vorschreiben will, ist egal, sobald ein Land sich nicht mehr daran hält. Es gibt keine Polizei, die Putin festnehmen kann. Aber es hilft auch nicht viel zu grübeln, was in den Russen vorgeht. Immerhin scheitern auch die Linken an der Psyche Putins. Am Ende muss man aber doch sagen: Ist es nicht insofern ein schönes Problem, dass Deutschland es einfach nicht schafft, eine sinnvolle Debatte über einen Krieg zu führen – weil niemand hier im Land noch einen erlebt hat?

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Kommentare ( 100 )

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giesemann
9 Monate her

Alles verstehen heißt noch lange nicht alles verzeihen. Großmacht hin oder her: Russland wird akzeptieren müssen, dass seine slawischen Brüder nicht – mehr – mit ihnen, den Russen spielen wollen, Schnauze voll, die Ukrainer gedenken jährlich im November des Golodomor. Die Polen erinnern sich sehr wohl daran, wer sie überfallen hat, 1939, zu gemeinsamer Hand. Ungarn erinnert sich an 1956, die Tschechen an 1968. Wir aber müssen akzeptieren, dass als Ergebnis des verlorenen Krieges die Russen im Oblast Kaliningrad hocken, vormals Kenigsberch – mitsamt Raketen. Bis Warschau und Berlin wenige Minuten. Russland hat seinerzeit den NATO-Russlandrat mutwillig verlassen, dafür haben… Mehr

leonaphta
9 Monate her

Sehr geehrte Frau David! Zum Völkerrecht, das Sie anschneiden, habe ich ein sehr interessantes Zitat von Prof. Masala, der am 14.3.2014 der Wochenzeitung Junge Freiheit ein Interview zur Krim gab, ich zitiere, die Junge Freiheit zitiert den Volkskrant: „„Anders als westliche Führer behaupten, stellt eine Unabhängigkeitserklärung der Krim keine Verletzung des Rechts dar. Es gibt keine Rechtsvorschrift, die es Bewohnern eines Staates verbietet, sich von diesem abzuspalten. Das Völkerrecht ist gegenüber dem Separatismus neutral.“ Prof. Masala erwidert: „Masala: Ich bin kein Völkerrechtler, aber am Ende ist es eine politische Frage. Keiner kann Ihnen erklären, warum viele westliche Staaten das Kosovo oder den Südsudan anerkannt… Mehr

mediainfo
9 Monate her

Das traut sich Illner nicht alleine, wenn eine Person am Tisch ist, die sich nicht an die sonst üblichen Vorgaben halten wird.

Last edited 9 Monate her by mediainfo
November Man
9 Monate her

War das nicht die Illner die keine AfD-Politiker mehr in ihre Show einladen wollte?
22% Umfragewerte sind schon hart für die Linksextremisten. Ab 20% Umfragewerte wird die AfD eingeladen, ab 30% wahrscheinlich wieder ausgeladen. Dann diskutiert die Illner wieder nur mit den selbsternannten Demokraten der Altparteien vermutlich wie man die AfD verbieten könnte.
Bis dahin hat sie den uralten Vogelschiss bestimmt nicht vergessen. 
Ja, die Demokraten. Bei den alten Parteien habe ich nicht nicht so viele gesehen. Nur ganz wenige.  

AnSi
9 Monate her

Der AfD seien die Prozente gegönnt! Wahlkampf ist gerade überflüssig, denn die dekadenten Mitglieder der Einheitspartei liefern jeden Tag neue Argumente für die Wahl der AfD. Gerade wieder KGE: „Menschen mit sehr hohen Vermögen können und sollen sich stärker an unserer solidarischen Gesellschaft beteiligen.“ Sie halte es für falsch, wenn jemand sehr hohe Summen auf der „hohen Kante hat, ohne, dass sie für die Gesellschaft wirken“. „Wir müssen sie mehr beteiligen, um die Einnahmesituation des Staates zu verbessern einerseits, aber auch, um dem Gerechtigkeitsempfinden der Mitte Rechnung zu tragen.“ zu deutsch: sie möchte ein EU Vermögensregister in Deutschland und somit… Mehr

Aliena
9 Monate her
Antworten an  AnSi

so manche Politiker in Dauerschleife mal hier und da auf Pöstchen sind meines Erachtens überbezahlt – sie könnten gern was abgeben, monatlich wenn möglich. Also nicht nur davon reden.

Thomas
9 Monate her

Eine Alternativ Sicht auf das Geschehen: Well, you can say the same thing about America’s military arms, as we’re seeing in Ukraine right now — or as President Biden calls it, Iraq. The arms, basically, are there to create a huge profit for Raytheon, and the other companies in the military industrial complex. They’re for buying, and they’re for giving to the Ukrainians, to let Russia blow them up. But they’re not for fighting. They’re not for winning a war. They’re for being used up, so you have to replace them now, with yet new buying. And so the United… Mehr

Freigeistiger
9 Monate her

Solche Talks gehen an der Realität, der eigentlichen Problematik und dem Ernst der Lage völlig vorbei. In Russland wurde in letzter Zeit kontrovers diskutiert, ob eine taktische Atombombe eingesetzt werden soll, um den Westen zu Verstand zu bringen und dadurch einen atomaren Dritten Weltkrieg zu verhindern. In den USA hat jüngst der renommierte Professor Jeffrey Sachs (langjähriger Politikberater) die Befürchtung geäußert, daß die angelsächsische politische Klasse völlig den Verstand verloren hat, weil sie ständig eskaliert und unentwegt nach Weltherrschaft strebt, obwohl die Zeit der unipolaren Weltordnung vorbei ist. Es werde ignoriert, daß dieser (Stellvertreter-) Krieg gegen die Atommacht Russland nicht… Mehr

Karsten Maltinger
9 Monate her

Ich hatte Ihren Beitrag, Frau David, gelobt und auch A. Gauland als wenig gewinnbringend für die AfD kritisiert.
Daß Sie aber Gauland gleich zweimal als „Nazi-Opa“ titulieren, ist so niveaulos wie deplaziert und diskreditiert letztlich den Artikel selbst.

Last edited 9 Monate her by Karsten Maltinger
Fritz Goergen
9 Monate her
Antworten an  Karsten Maltinger

Vorschlag: Noch mal lesen.

Franz Grossmann
9 Monate her

Ich habe mir die Sendung angeschaut, weil Alexander Gauland eingeladen war. Er hat sich mit seinen 80 Jahren wacker geschlagen, gegen die Übermacht der restlichen vier AfD-Gegner. Der größte Kriegstreiber ist Kiesewetter von der CDU, der es in seiner aktiven Zeit, nur bis zum Oberst gebracht hat. Dieser Mann will Russland militärisch besiegen, was für ein Wahnsinn. Er könnte sich doch freiwillig an die Front melden und dort mitkämpfen, aber dafür ist er zu feige. Lambsdorff hat sich als zukünftiger Botschafter in Moskau in seiner Wortwahl zurückgehalten. Über die Lady vom Relotius-Blatt Spiegel und die SED Tante Maybritt erübrigt sich… Mehr

foxthefox
9 Monate her

Es ging doch gar nicht um das 999. Ukraine-Thema der Sendung. Die angebliche „Journalistin“ Illner und ihr sauberer Sender hatten sich vorgenommen, Gauland und die AfD auseinander zu nehmen und vorzuführen. Aber der „alte weiße Mann“ (Hochachtungsvoll !) argumentierte ruhig und sachlich und ließ sich auch von den ständigen Ins-Wort-fall-Querschüssen des selbstüberzeugten Warlords Kriegeswetter nicht beeindrucken. Der ständige Schwenk auf ‚Herrn‘ Oberst a.D. während Gauland sprach zeigte, dass das ZDF trouble erzeugen wollte.
Illner ! Ich freue mich drauf, dass diese schmierige Stasi-Schranze irgendwann ihre verdiente Abrechnung vor der Geschichte bekommen wird.