Abstimmungen: Sind Sie von den neuen Corona-Maßnahmen überzeugt? Oder begeistert?

Bei Abstimmungen kommt es bekanntlich immer auf die Fragestellung an. Gut, dass Redaktionen von Qualitätsmedien jetzt verstärkt darauf achten.

Screenshots: via Tagesspiegel, FAZ/ Collage: TE

So genannte Meinungsbarometer – Abstimmungsmöglichkeiten unter einem Artikel auf der Online-Seite eines Mediums – fördern die Leserbindung. Und die meisten der älteren Medien wissen, wie wichtig es ist, die Bande zu ihren verbliebenen Konsumenten so fest wie möglich zu knüpfen. Das elektronische Abstimmungsgerät lässt sich leicht bedienen; der befragte Leser, der sich auch in gewisser Weise geschmeichelt fühlt, dass die klugen Köpfe in der Redaktion sich für seine Meinung interessieren, liest die Frage – und schiebt den virtuellen Regler je nach Ansicht und Laune nach links oder rechts.

Wer Umfragen veranstaltet, weiß: Auf die Frage kommt es an! Und diese Kunst beherrscht man bei der FAZ und dem Tagesspiegel mittlerweile sehr gut. Man kann sich als Leser gar nicht entscheiden, ob man deren Technik nur ausgezeichnet oder brillant finden soll.

Die Fragen der Qualitätsmedien beziehen sich auf die neuen Infektionsschutzregeln im Herbst, die bekanntlich 2G in der Gastronomie, Maske im Freien und optional die Spritze Nummer vier und fünf vorsehen.

„Reicht das neue Infektionsschutzgesetz aus?“, will der Tagesspiegel von seiner Leserschaft wissen. Und bietet als Antwortmöglichkeiten auf der Skala „ja“ und „nein“ an.

Ein Leser der Hauptstadtzeitung kann das Gesetz also prima finden. Er kann auch meinen, es ginge noch nicht weit genug. Die Möglichkeit, es falsch zu finden, sieht das Design gar nicht erst vor. Denn falsche Fragen würden nur falsche Antworten provozieren. Hieß es nicht schon bei Lenin, dass Journalisten Ingenieure der Seele sind? Eine Seele muss vor allem geschützt werden.

Die Köpfe hinter der FAZ fragen gleich grundsätzlich: „Wird Corona noch ernst genug genommen?“ Die Auswahlmöglichkeiten lauten hier: „Ja, das ist auch gut so“ und: „Nein, Corona sollte man ernster nehmen“.

Wobei das Blatt nicht aufdröselt, was „ernst nehmen“ eigentlich bedeuten soll. Corona so zu sehen wie die unvernünftigen Länder ringsum, also wie eine Infektionskrankheit von vielen – so weit, also in den Außenvorbereich, reicht die Meinungsskala nämlich nicht. Und das ist auch gut so. Alternativ: hervorragend.

Das dritte Qualitätsmedium im Bund, RTL, legt seinem Publikum die Frage vor: „Was halten Sie von den neuen Corona-Regeln für den Hebst/Winter 2022?“ Wahlmöglichkeiten am jeweiligen Skalenende hier: „Find ich erst einmal sinnvoll“ versus: „Die Regeln gehen mir nicht weit genug“.

Das wirkt nun ein bisschen lau und lasch. Es hätte ja auch heißen können: „Ich stehe voll und ganz hinter den Maßnahmen der Regierung, welche es auch sein mögen“, und: „Ich wünsche mir noch härtere und totalere Maßnahmen, als wir sie uns überhaupt vorstellen können“.

Aber Meinungsskalendesigner (ein neues Berufsbild übrigens) sollten sich in Zukunft auch noch etwas steigern können.

Viele, viele gesellschaftlich drängende Fragen ließen sich befriedigend erledigen, wenn sie nur endlich korrekt gestellt würden. Beispielsweise: „Wie denken Sie über Atomkraft?“ Linke Skalenseite: „Alle Atomkraftwerke in Deutschland sollten sofort abgeschaltet werden“, die Alternative mit dem Zeiger nach rechts: „Auch die französischen Kernkraftwerke sollte man endlich verschrotten“. Bei dem leidigen Thema des Genderns müsste das Spektrum nur konsequent zwischen „finde prima, wenn es andere tun“ und „mach’ ich längst selbst“ aufgespannt werden.

Der Nachfolger Lenins meinte einmal sinngemäß: Wichtig bei Online-Abstimmungen ist nicht, wer wählt, sondern wer erzählt, wer also, neusprachlich ausgedrückt, das Narrativ liefert. Diese Methode findet mehr und mehr Anhänger.

Selbstredend passen auch schon die jeweiligen Texte über den Abstimmungsmöglichkeiten zu dem der Wahlskala zwischen plusgut und doppelplusgut. Wem die beiden Fachbegriffe neu vorkommen sollten: Sie stehen beide schon in George Orwells „1984. Praktisches Handbuch für den Medienschaffenden“.

Dessen Regeln finden FAZ– und Tagesspiegel-Redakteure teils erst einmal gut. Manchen dort gehen sie noch nicht weit genug.

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Kommentare ( 35 )

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Stephan M.
1 Jahr her

Es gibt eine Fernsehserie, die in UK Anfang der 1980er Jahre produziert wurde: Yes, Minister später Yes, Prime Minister. Erste Folgen wurde ins Deutsche übersetzt und gesendet, galten dann aber als ehe unübersetzbar wegen der Sprachspiele. In ihr werden alle damals bekannten Winkelzüge und Tricks entlarvt und böse aufs Korn genommen, u. a. wie man Umfragen so formuliert, daß die gewünschten Ergebnisse generiert werden oder durch Scheinkrisen (The Euro sausage) Scheinerfolge erzielt. Übrigens Lady Thatcher war dermaßen begeistert, daß sie sogar einen Sketch dafür geschrieben hat. Nur echt mit Nigel Hawthorne und Paul Eddington! Grandiose Unterhaltung und ein echter Augenöffner!

hoho
1 Jahr her

Das ist doch Glosse oder? Sie können das nicht doch so offen tun, oder irre ich mich da? Ich meine das alles scheint echt zu sein. Nun so dreist waren nun wirklich Kommunisten und Nazis. Wir rutschen also weiter. War auch zu erwarten.
Selbst wenn das noch nicht wahr ist, wird es bald.
Lass uns noch mehr Demokratie, Freiheiten und Rechte exportieren. Muss man doch nicht selbst haben, oder?

Gerro Medicus
1 Jahr her

Diese Umfragen agieren alle nach dem Schema „Schlagen Sie Ihre Frau immer noch?“ Was immer man antworte, man ist schuldig. Im vorliegenden Fall: was immer man antwortet, man befürwortet die Maßnahmen, die Regierung etc. pp.
Leider bedarf es einer gewissen Intelligenz und Wachsamkeit, das zu erkennen und an solchen Umfragen einfach nicht teilzunehmen. Und mit Intelligenz und Wachsamkeit hat es der Deutsche nicht mehr so. Wachsamkeit nur als Blockwart gegenüber seinen Mitbürgern, sonst nicht. Viel lieber lässt er andere für sich denken.

Weiss
1 Jahr her

Die BRD-Bonzen sollten mal in der U-8 zwischen Wedding und Neukölln ne Umfrage starten.

Ein Großteil trägt dort keine Maske.

Wer genauer wissen will, warum das dort so ist, sollte besser Türkisch oder Arabisch sprechen…

Ich finde das immer recht amüsant, weil die woken linksverstrahlten BRD-Spießbürger sich bei dieser Klientel nicht trauen, die Unmaskierten in der U-8 wegen des Regelverstosses anzusprechen.

Kontrollen habe ich auf der U-8 seit Wochen nicht gesehen.

ReneKall
1 Jahr her

Ich konsumiere schon lange nicht mehr die Mainstreammedien, aber TE könnte ja auch mal eine Umfrage starten.
Welche Medien konsumieren sie?
A) Kein Mainstream, die nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau
B) Nur noch die alternativen Medien, da fühle ich mich bestens informiert.

mediainfo
1 Jahr her

Stelle ich ebenfalls fest, dass es.immer mehr dieser „Abstimmungen“ gibt, bei denen die Antwort, die ich eigentlich geben will und die in einer Demokratie völlig legitim ist, überhaupt nicht möglich ist. Nicht nur bei den genannten Medien, sondern querbeet durch die Medienlandschaft. Aber kommen viele dieser „Abstimmungen“ nicht überhaupt aus wenigen Framingschmieden, und werden nur „eingeblendet“ auf den Medienseiten? Das geschieht übrigens in gleicher Weise bei vielen „Diskussionen“ in Medien hierzulande: Der erlaubte Meinungskorridor wird bereits im Vorfeld so verengt, dass es zu keiner echten (und interessanten) Diskussion eines Für und Wider kommt, sondern nur noch über Unteraspekte „diskutiert“ wird,… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Man sollte die Leser und Medienkunden nicht unterschätzen. Der Niedergang im Print kommt nicht von ungefähr, die Abwanderung ganzer Alterskohorten bei den Öffis ARD und zdf auch nicht. Den meisten sind deren politische Verzerrung klar und wer mit rotgrünen Parolen eher unglücklich ist, hört keinen DLF mehr, erspart sich Nachrichten und Heutejournale. Das erspart auch einiges an schlechter Laune und vergeudeter Lebenszeit, zumal die News im Netz schneller und aktueller sind. Die Etablierten funken zu 99,99% eh nur auf Regierungslinie bzw. hätten gerne nur mehr davon. Außerdem sind sie rglm veraltet, auf AP/Twitterstand vom Vortag – nicht immer, aber oft.… Mehr

Schwabenwilli
1 Jahr her

Diese Manipulationsumfragen werden ja in Folge auch dazu hergenommen zu bestätigen das beispielsweise der Charlie Lauterbach vollkommen richtig liegt und das wird dann wiederum publiziert. Würden alle Leser diese veräppelungsumfragen konsequent ignorieren hätte sich dieser Blödsinn bald erledigt aber man kommt sich ja so ungeheuer richtig vor wenn man nach seiner Meinung gefragt wird.

Last edited 1 Jahr her by Schwabenwilli
Maunzz
1 Jahr her

Ich war schon vor über sechzehn Jahren im Teletext der privaten Sender begeistert von der Frage, wen man wählen würde mit beliebig oft versendeter 50ct pro SMS (heute immer noch möglich). Dass ein hoher Prozentsatz der Bürger an Coronamassnahmen glaubt, liegt psychologisch propagandistisch begründet. Die Bilder aus Bergamo sowie die anfänglich täglichen Sensationsberichte, dass wer in Kliniken auf dem Bauch liegend stirbt, ist tief eingeimpft. Dazu die albernen Videos einiger Krankenschwestern, die ihren Job beweinen, weil mal paar Tage oder Wochen arbeitsreicher, hinterlässt viel Solidarität und Anteilnahme beim erfolgreich indoktrinierten Staatsbürger, gefälligst korrekt, gesund und unsterblich zu leben. Ebenso war… Mehr

NochNicht2022
1 Jahr her

Gut aufgegriffen. – Etwa 95 Prozent solcher manipulativen Dumm-Umfragen sind nach dem gleichen manipulativen Strickmuster gestrickt. Meistens dienen sie einzig dazu, ob der Dumm-Leser/-Hörer/-Zuschauer usw. den vorangestellten/vorgelsenen usw. Text auch im Sinne der Redaktion gefälligst auch verstanden hat: Ist wie bei einer Extemporale in der Schule … Ehrlich: Auch die Masse der „großen“ Umfragen sind manipulativ. Da wird „Das“ in Pseudo-Nuancen abgefragt, was der Befragte gefälligst zu glauben und damit befragterweise auch anzugeben/-kreuzen usw. hat. Übrigens: Bei den „großen“ Umfragen mit 1.000 oder 1.200 Befragten wird die „Repräsentativität“ (was ist das schon?) aus Kostengründen häufig nur am Geschlecht (dürfte künftig… Mehr