Die Welt im Wandel

Mit atemberaubender Geschwindigkeit scheint sich gegenwärtig die Welt zu verändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten, bleibt ungewiss. Doch während man andernorts bereit ist, sich dem Ungewissen mutig zu stellen, droht in Deutschland die ewige Stagnation.

Quelle: David Boos via Midjourney

Es gilt gemeinhin als schlechter Stil, journalistische Texte, mit Ausnahme von Kolumnen, in der Ich-Form abzufassen. Zu recht. Dennoch möchte ich in Ermangelung einer solchen Kolumne diesmal mit dieser Tradition brechen, da die Reflexion über den Gang der Welt in den letzten Jahren auch notwendigerweise eine persönliche Reflexion ist.

Im Dezember 2021 veröffentlichte ich meinen ersten Beitrag als Gastautor bei Tichys Einblick. Es war die Hochzeit der Debatte um die Impfpflicht. Mein „Aufruf an die Geimpften“, in dem ich für Solidarität mit den Ungeimpften und die Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht plädierte, war jener Moment, an dem ich endgültig aus dem Kreis der sozial Akzeptierten verstoßen wurde. Zwar hatte ich zu diesem Zeitpunkt meine Kündigung als künstlerischer Leiter des Telemann-Zentrums bereits vorsorglich eingereicht, doch in den Wochen nach der Veröffentlichung durfte ich erstmals die volle Wucht der Toleranz am eigenen Leibe erfahren, nachdem ich in der Magdeburger Stadtverwaltung denunziert und über Nacht zur persona non grata wurde, bis hin zur dringlichen Aufforderung, meine Position als künstlerischer Leiter des Telemann-Zentrums in meiner Autorenvita unter dem Artikel streichen zu lassen.

Vormalige Unterstützer meiner Person würdigten mich keines Blickes mehr, da ich mit meinem Namen dafür einstand, dass die Entscheidung, sich frei impfen zu lassen, auch frei bleiben sollte. Podcasts, in denen ich mit angesehenen Musikern über Musik sprach und die ich eigenhändig für das Telemann-Zentrum produziert hatte, wurden in einem Akt stalinistischen Revisionismus gelöscht oder unsichtbar gestellt, sodass kein weiterer Bezug zwischen mir und meinem ehemaligen Arbeitgeber gelegt werden konnte.

Kaum ein Jahr später veröffentlichte ich regelmäßig Gastbeiträge bei Tichys Einblick. Corona lag hinter uns, der Empörungszirkus hatte sich weitergedreht. Nun waren es vor allem die Klimakleber, die als ideologische Speerspitze agierten. Nach einer Reihe von Angriffen auf Gemälde lancierte ich jene Initiative, auf die ich wohl mit größtem Stolz zurückblicke: Ich kontaktierte Museen in ganz Europa und offenbarte mit meinem Alter ego „Anabel Görlach-Bennani“ die offene Kollaboration von Museen mit dem Vandalismus der Klimakleber. Kaum zwei Jahre später sind die Klimakleber Geschichte, was aber nicht heißt, dass ihnen effektiv das Handwerk gelegt wurde. Im Gegenteil, die gut vernetzten und finanziell abgesicherten Anführer dieser Bewegungen sind im Apparat der Stiftungen und NGOs aufgestiegen. Ein klassischer Schritt auf der Karriereleiter, so wie einst eine Generation von Managern den Kaderschmieden von Greenpeace entwuchs.

Nebenbei: Auch die skandalösen Planungen von Museumsdirektor Jonathan Fine aus Wien hatten für ihn als einzige Konsequenz die Beförderung zu höheren Weihen. Blauäugig, wer glaubt, dass solche Recherchen – die von weiten Teilen der Presse ignoriert wurden – eine Karriere beenden würden. Nein, solche Entscheidungen werden anderswo getroffen.

Alles verändert sich, alles bleibt gleich

Im Juni 2023 wurde ich fester Bestandteil von Tichys Einblick und durfte fortan die Ampel des Wahnsinns täglich auf ihrem Weg in den Untergang begleiten, für ein Jahr mit meiner Sendung „Redaktionsschluss“. Es wäre verlogen zu behaupten, jene Kommentare, die teilweise bis heute nach einer Fortsetzung der letzten Sommer eingestellten Sendung fragen, würden mich nicht erfreuen. „Wer dem Publikum dient, ist ein armes Thier; Er quält sich ab, niemand bedankt sich dafür.“

So beschrieb es einst Johann Wolfgang von Goethe schmeichelhaft für den Künstler und doch muss ich ihm widersprechen: Es gab durchaus Dank von Zusehern und Lesern in meiner Zeit bei Tichys Einblick, der mir viel bedeutet hat und mir die Kraft gab, die oftmals sehr langwierigen Produktionen meiner Sendung bis spät in die Nacht oder ins Wochenende fortzusetzen.

Doch die Zeiten ändern sich: Die Ampel zerbrach, Trump wurde wieder zum Präsidenten gewählt, die Welt dreht sich weiter. Nicht nur, dass ein progressiver Regierungschef nach dem anderen aus dem Amt scheidet, auch ehemalige Vorreiter der Zensur, wie Facebooks Mark Zuckerberg, legen plötzliche Kehrtwenden hin und passen sich wie ein Chamäleon an die veränderten Umstände an.

Darin liegt nicht nur Hoffnung, sondern auch Ernüchterung. Wer das große Reinemachen nach der Abwahl des internationalen Progressivismus erwartete, wird bitter enttäuscht. Schon vor langer Zeit stellten große Investmentkonglomerate wie Blackrock & Co. die Weichen für die Zukunft. Ob mit grüner Energie, multikultureller Inklusivität, oder doch mit Fracking-Gas und traditionellen Werten: Entscheidend ist für Investoren nur, am Höhepunkt zu verkaufen und rechtzeitig auf das richtige Nachfolgepferd zu setzen.

Bis dieser Wandel die Öffentlichkeit erreicht, haben diese ihre Schäfchen im Trockenen. Was bleibt, ist ein wenig Spott und Hohn für Nachzügler wie Zuckerberg, der aber schnell wieder verstummen wird, wenn diese Unternehmen wieder kräftig Profite machen und zum Tagesgeschäft übergehen.

Wider die Stagnation

Es mag zynisch erscheinen, doch auch wenn man nicht die Welt grob vereinfachend auf eine Verschwörung von ein paar US-Milliardären reduzieren möchte, so lassen diese Entwicklungen ernsthafte Zweifel am allgemeinen Zustand der Demokratie aufkommen. Schon Platon schilderte eindrücklich, wie die Demokratie durch die Zügellosigkeit ihrer Freiheit schließlich die Tyrannis notgedrungen auf den Plan ruft und so stellt sich die Frage, ob jene Oligarchen, die sich wie Elon Musk als „Absolutisten der Meinungsfreiheit“ bezeichnen, in rasender Geschwindigkeit zu jenem autokratischen Regulativ entwickeln könnten, das die letzten Reste der Nachkriegsordnung mit einem Handstreich dahinrafft.

Nicht, dass jene Feinde der Freiheit, wie sie in Brüssel und Berlin sitzen, dieser Entwicklung vorzuziehen wären. Doch es gilt bei allem Idealismus, vor allem einen realistischen Blick auf die Welt zu wahren. Das überwältigende Gefühl der Gegenwart – zumindest außerhalb Deutschlands – ist das von Veränderung. Ob zum Positiven, oder zum Negativen, dieses Urteil wird die Geschichte fällen (und selbst diese nicht immer ehrlich). Doch eines ist gewiss: Der stete Wandel gehört zur Natur und zum Menschen und sollte daher nicht vermieden werden. Die Stagnation ist eine Manifestation des Todestriebs, ein Versuch, dem Kreislauf des Lebens zu entrinnen, indem man diesem Einhalt zu gebieten trachtet.

Die Ampel mag Irrsinn gewesen sein. Doch bei den anstehenden Wahlen droht Deutschland ein noch viel schlimmeres Schicksal: die Rückkehr in die Stagnation der Merkel-Jahre mit einem Kanzler Merz. Eine Rückkehr des „wir leben hier ja gut“ und des „zumindest ist es nicht die Ampel“, währenddessen alles, wie es mittlerweile die ökonomischen Spatzen von den Dächern pfeifen, täglich ein bisschen schlechter wird.

Stagnation ist der Feind des Lebens und so gilt es auch für mich, als Exil-Wiener verdammt zu einem Dasein als schubertscher Wanderer in der Ferne, meinen Ranzen wieder zu packen und mich auf eine neue Winterreise zu begeben. Dieser Artikel wird – zumindest für einige Zeit – mein letzter Beitrag bei Tichys Einblick sein und ich möchte mich, neben den unendlich fleißigen Kollegen der Redaktion, vor allem bei jenen Lesern bedanken, die meine Gedanken mit Gewinn aufgenommen haben und mir ihre Wertschätzung in Kommentaren oder anderweitigen Zuschriften haben zukommen lassen. Es sind dringend nötige Tropfen Wasser für all jene, die dazu verdammt sind, durch die Wüste zu ziehen. Lassen Sie diese Wertschätzung zukünftig auch weiter meinen nunmehrigen Ex-Kollegen zukommen. Gute Nacht.

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Kommentare ( 28 )

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giesemann
24 Tage her

Und wenn wir die anderen erst mal aufholen lassen, um dann gemeinsam Änderungen hin zum Besseren zu versuchen? Die Anziehungskraft des Westens, von Europa ist derart gewaltig, dass sie alle zu uns wollen, porca miseria. Ein Inder warnt uns: Weltbank-Chef Ajay Banga prognostizert weitere 800 Millionen Flüchtlinge – FOCUS online
Wichtig wäre es, denen zu sagen: Ihr habt genug bei euch selbst zu tun, Europa braucht euch nicht auch noch.
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/die-welt-im-wandel/ 
 

teanopos
25 Tage her

Aber selbstverständlich.
Die USA sind wie ein große Pumpe.
Zwei Parteiensystem, God-Cop Bad-Cop aber im Hintergrund am Steuer immer die selben Kreise, die bestimmen wo es lang geht.
Wenn deren eigener Schwarze Gaul international umhergeritten wurde, alle auf „Schwarzer Gaul“ nachgezogen sind und/aber das Pferd endlich tot ist, wird in den US Hinterzimmern entschieden dass das Pferd jetzt „plötzlich“ Braun sein muss.
Ein Paradies für korrupte „Investoren“ die auf Kosten aller Geld verdienen bzw. Rendite machen wollen.
Die USA haben den Dollar, die Leitwährung bzw. die entsprechende Druckerpresse, deswegen können die das machen.

teanopos
25 Tage her

Schade Herr Boos, Sie waren bei/für Tichy eine echte Bereicherung.   Wobei ich Ihren Abgang bzw. Ihren Aufbruch zu Neuem ein bisschen nachvollziehen kann. Ich finde dass Ihnen bzw. Ihrer Arbeit(Artikel und Video) von öffentlicher bzw. von Empfänge Seite häufig nicht die nötige Wertschätzung entgegengebracht wurde bzw. seltener als in Anbetracht der Qualität und Anregung angebracht gewesen wäre, leider. Ich hätte mir für Ihre Arbeit gerne mehr Reichweite gewünscht. Aber Herr Tichy hat Ihrer Arbeit bzw. auch unserer Generation durch Ihnen eine Stimme/Plattform gegeben. Das ehrt auch Herrn Tichy. Vielen Dank für Ihre lesenswerten Artikel! Ich wünsche Ihnen alles Gute… Mehr

Michael M.
26 Tage her

Vielen herzlichen Dank Herr Boos und alles erdenklich Gute für ihre weitere Zukunft.

Last edited 26 Tage her by Michael M.
K-Jettie
26 Tage her

Sehr geehrter Herr Boos, vielen Dank für Ihre guten Artikel, habe Sie stets gerne gelesen. Nicht nur vom Inhalt, auch vom Stil war das ein Gewinn. Alles Gute für die Zukunft !

Wilhelm Roepke
26 Tage her

Verehrter Herr Boos, ich bin trotz meiner Dankbarkeit für Ihre Leistungen enttäuscht, dass Sie Ihren Abgang nicht begründen wollen.

EigeneAnsicht
26 Tage her

Schade, Herr Boos, dass sie Tichy verlassen – alles Gute.

Dr.KoVo
26 Tage her

Herr Boos, ich würde mich sehr freuen, wieder Artikel von Ihnen hier zu finden. Schade,aber so ist das Leben.

Freiheit fuer Argumente
26 Tage her

Alles Gute und vielen Dank!

Dr. Rolf Lindner
26 Tage her

Zu den Wahlplakaten der CDU ist zu sage: Der Hintergrund ist türkis – eine Farbmischung aus blau – wie das geklauete AfD-Programm – und grün – wie die spätere Nichtumsetzung – eben die Türkispartei.