Besatzer lösen Demos in Kherson gewaltsam auf – Kiew warnt vor „schweren Wochen“

Der russische Vormarsch lässt Kiew „schwere Wochen“ fürchten, auch Berichte über Kriegsverbrechen häufen sich. In Kherson wollen die russischen Besatzer und Kollaborateure ungeachtet des anhaltenden Widerstands der Bevölkerung die Abtrennung der Region von der Ukraine umsetzen.

IMAGO / ZUMA Wire
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow schwört die Armee seines Landes auf "äußerst schwierige Wochen" ein.

Russland konnte in seiner Offensive weitere Geländegewinne erzielen. Aus zwei Richtungen im Nordosten stoßen Moskaus Truppen auf die Stadt Kramatorsk vor. Rund 60 Kilometer westlich von Luhansk kommt es zu schwerem Artilleriebeschuss, auch Zivilgebäude werden getroffen. Der russische Angriff nimmt Fahrt auf – der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow schwört die Armee seines Landes auf „äußerst schwierige Wochen“ ein.

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Die Umsetzungen von Ausbildung und Logistik bräuchten Zeit, schreibt Resnikow bei Facebook. Russland hat seine Streitkräfte bereits für eine großangelegte Offensive in der Ostukraine zusammengezogen. Die Unterstützung für die Ukraine nehme zwar zu, aber Kiew müsse in den kommenden Tagen Widerstandsfähigkeit und besondere Einigkeit unter Beweis stellen. Russland werde zwar nicht gewinnen, aber versuchen, der Ukraine „so viel Schaden wie möglich“ zuzufügen.

Dieser Schaden manifestiert sich gestern erneut durch berichtete Gräueltaten – russische Soldaten in der Ostukraine sollen sich ergebende Feindsoldaten exekutiert haben. „Wir haben jetzt glaubwürdige Informationen, dass eine russische Militäreinheit, die in der Nähe von Donezk operiert, Ukrainer exekutiert hat, die versuchten, sich zu ergeben, anstatt sie in Gewahrsam zu nehmen“, erklärte US-Sonderbotschafterin Beth Van Schaack.

Über den Fall berichtete der Nachrichtensender CNN. Van Schaack berichtete weiter, den USA lägen glaubwürdige Berichte über Personen vor, „die mit gefesselten Händen exekutiert wurden, über Leichen, die Folterspuren aufwiesen, und über entsetzliche Berichte über sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Unabhängige Bestätigung gibt es dafür noch nicht.

Im besetzten Kherson ist es wieder zu Protesten durch die ukrainische Bevölkerung gekommen. Nach ukrainischen Angaben ist eine Demonstration in der südukrainischen Stadt gewaltsam aufgelöst worden. Wie die ukrainischen Streitkräfte am Mittwoch mitteilten, setzten die „Besatzer Tränengasgranaten gegen ukrainische Demonstranten ein“. Mehrere der Protestteilnehmer wurden demnach „verletzt und festgenommen“.

Ukraine-Update
Russland will die Donbass-Zange schließen – Bedrohung aus Transnistrien
Kherson war die erste größere Stadt, die russische Truppen zu Beginn der Invasion Ende Februar eingenommen hatten. Seitdem kommt es immer wieder zu Widerstand durch die Zivilbevölkerung. Putin will Kherson wohl in Russland eingliedern – demnächst soll dort der russische Rubel als alleiniges Zahlungsmittel eingeführt werden. Die von Russland eingesetzten Machthaber wollen das südukrainische Gebiet dauerhaft aus dem Staat herauslösen. „Die Frage einer Rückkehr des Gebiets Kherson in die nazistische Ukraine ist ausgeschlossen“, sagt Kirill Stremoussow von der moskautreuen Verwaltung der russischen Staatsagentur Ria Nowosti.

An der Grenze zwischen der Ukraine und der moldawischen Separatistenregion Transnistrien sind derweil erneut Schüsse gefallen. Das meldet die transnistrische Miliz. Nahe eines Funkturms haben die Separatisten laut eigener Aussage außerdem zehn Sprengsätze gefunden. In den vergangenen Tagen kam es immer wieder zu Explosionen und Anschlägen in Transnistrien, die dortigen Separatisten machen Kiew dafür verantwortlich.

Die Ukraine weist das zurück und beobachtet die Lage in Transnistrien weiterhin wachsam. „Wir haben Transnistrien immer als Brückenkopf betrachtet, von dem gewisse Risiken für uns ausgehen können“, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak nach Angaben der Agentur Unian am Mittwochabend in Kiew.

Unterdessen drohte Putin selbst anderen Ländern mit einer „blitzschnellen Reaktion“, sollten sie in der Ukraine militärisch eingreifen. Das russische Militär werde nicht zögern, modernste Waffen dafür zu nutzen, sagte der russische Präsident vor Parlamentariern der Duma. Russland habe „alle Werkzeuge“ für einen schnellen Gegenschlag: „Wir werden nicht lange damit prahlen: Wir werden sie verwenden, wenn wir müssen. Und ich möchte, dass jeder das weiß“, so Putin.

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Kommentare ( 9 )

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Nun ja
1 Jahr her

In Transnistrien befinden sich viel zu wenige russische Soldaten, um ernsthaft zündeln zu können. Das ist die gleiche Propaganda die behauptet, die Russen würden Gefangene exekutieren (gut die georgische Legion sollte besser nicht in Gefangenschaft gehen, da könnte gleiches mit gleichem vergolten werden). Aktuell nehmen die Russen immer mehr Gefangene, sprich die Ukrainer geben insbesondere nach zermürbenden Artilleriebeschuss zunehmend auf und fliehen oder gehen in Gefangenschaft. Sie lassen bei der Flucht übrigens auch ihre Gefallenen zurück. Logischerweise. Nur wenn die Russen das machen, ist es natürlich kaltherzig und unkameradschaftlich. Was tut ein ukrainischer Befehlshaber in so einem Fall? Er erzählt… Mehr

Nun ja
1 Jahr her

Das hängt ganz vom Waffenarsenal des Nachbarn ab. Im Zweifel würden sie bei eindeutiger Waffenungleichheit wohl fliehen.

Ante
1 Jahr her

Wie verpeilt muss man sein, um Täter und Opfer zu vertauschen? Die Fakten sind eindeutig. Kyjiv wird seit 24. Februar 2022 mit Raketen beschossen, Lviv auch, Charkiv ist im Nordosten eine Ruinenstadt, Cherson ist erobert, Mariupol eine Geisterstadt, überall in der Ukraine sieht man Zerstörung und Vernichtuung. Im Gegensatz dazu fiel in Moskau keine einzige Bombe, in Petersburg auch nicht, in Smolensk nicht und nicht in Rostov. Russland hat die Ükraine überfallen und zerstört sie rücksichtslos. Trotz der Faktenlage gibt es hier Stimmen (bezahlte Kreml-Trolle?), die behaupten, die Ukraine führe einen Angriffskrieg gegen Russland. Wenn ein Land schon solche „Mitbürger“… Mehr

corsen
1 Jahr her

Richtige Seite? Wie bei Corona? Ich lese heraus, dass Sie einmal kritischer gewesen sein müssen. Mich wundert es immer wieder, dass ehemals kritische Menschen beim nächsten deepstate great reset Thema (wieder) auf die Propaganda hereinfallen.

Meine ALTERNATIVE
1 Jahr her

Der Autor bezieht sich hier auf CNN! Ein äußerst fragwürdiger Sender, der mehr durch Popaganda und nachgewiesenen Lügen als durch seriöse Berichterstattung auffällt.

blutiger ernst
1 Jahr her

Vielen Dank für den – aus meiner Sicht – sachlichen und neutralen Report.

Nun ja
1 Jahr her

Der Herr Verteidigungsminister sollte seine Soldaten nicht länger sinnlos verheizen. Ich verstehe ja, dass die USA nach der Schmach von Afghanistan nun einen indirekten Erfolg brauchen, das sollte aber nicht das Problem der Ukrainer sein. Wenn die Ukraine rechtzeitig einen Friedensschluss analog den finnischen Vorbildern von 1940 und 1944 versuchen würde, könnte das Gemetzel schnell enden. Vielleicht ist es dafür aber auch schon zu spät. Die Durchhalteparolen der ukrainischen Seite klingen schon sehr nach der veränderten Tonlage der deutschen Propaganda 1943/44. Sinngemäß „..in auch für uns verlustreichen Kämpfen…“ Das mit den angeblichen Greueltaten sollte besser auf Wiedervorlage liegen bleiben. Schließlich… Mehr

Janosik
1 Jahr her
Antworten an  Nun ja

Das ist nicht der Pan. Die USA Vertreter haben doch gesagt, dass es um dauerhafte Schwächung Russlands geht. Hegemonie 2022. Das ist in sich selbst nichts schlimmes. Man muss es aber auch nicht gut finden, besonders wenn dabei Leute sterben. Die unaufhörliche Propaganda ist dabei nur krank.

Farbauti
1 Jahr her

Wie geht neutraler Journalismus in Kriegszeiten? Gibt es das überhaupt? Wenn man kein „Putinverehrer“ ist, kann man sich trotzdem fragen, wie glaubwürdig Äußerungen eines ukrainischen Verteidigungsministers sind oder „Glaubwürdige“ Beteuerungen aus USA. Was die Ukraine zurückweist ist richtig und berichtenswert? Die Russen lügen von A-Z? Nehmen wir nocheinmal Transnistrien: „Am Mittwoch wurde dann ein Dorf nahe der Grenze zur Ukraine beschossen. Dort befindet sich ein großes russisches Munitionslager.“ https://orf.at/stories/3262239/ Das waren die Russen wohl selbst, typische false flag Operation? Im Kommentarbereich wurde die differenzierte Berichterstattung beim Thema Corona erinnert und gelobt u.ä. für die Ukraine Berichterstattung gewünscht. Ich erinnere das… Mehr