Skandal: Junge Leute wollen Spaß haben

Ida aus Berlin sagte dem ZDF heute journal, dass sie und andere junge Leute es vermissen auszugehen. Nun ist ein Shitstorm gegen sie ausgebrochen. Wohlgemerkt: Sie hält sich an alle Bestimmungen. Sie vermisst nur. Aber auch das ist schon zuviel für den emsigen linken Weltretter.

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Na, sind Sie auch so ein Ü40er, der noch vor der Wende geboren wurde und uns jungen Leuten das Studium bezahlt? Davon soll es unter den Lesern ja einige geben, habe ich gehört. Jetzt, wo uns allen der Urlaub und überhaupt jedes gesellschaftliche Leben mies gemacht wird, denken Sie doch bestimmt immer mal wieder an Ihre goldenen Jahre zurück, oder? Das waren noch Zeiten damals!

Heft 11-2020
Tichys Einblick 11-2020: Wieviel DDR steckt heute in Deutschland?
Sicherlich haben Sie schon oft Ihren Kindern oder auch Enkeln davon erzählt, wie Sie sich in Zeiten des Rock’n’Roll oder der Neuen Deutschen Welle oder wippend zu Whigfield herzklopfend die Haare frisiert, stundenlang ihr Outfit zusammengestellt, eine neue Beleuchtung installiert und eine teure Webcam gekauft haben, um bei der Videokonferenz Ihrem Schwarm aufzufallen. Oder? Sonst haben Sie bestimmt von dem Wochenende erzählt, als Sie mit Ihren Freunden zusammen einen stylischen Mundschutz shoppen gegangen sind, den Sie dann abends reizvoll zu ihrer Winterjacke, einem Wollschal und einer Mütze kombiniert haben, weil die Heizstrahler auf der Open-Air-Party ausgefallen waren? Nicht wahr? „Kinder“, haben Sie dann bestimmt gesagt, „ihr könnt euch nicht vorstellen, wie reizvoll die Augenpartie eurer Mutter/eures Vaters war, als sie/er mich vom anderen Ende der Tanzfläche angeguckt hat!“ Lächelnd haben Sie dann an die Nacht gedacht, als Sie um 10 Uhr abends wie von der Biene gestochen von Bar zu Bar gestolpert sind, um vor der Sperrstunde alle Möglichkeiten ausprobiert zu haben. Da haben Sie sich richtig lebendig gefühlt!

Bestimmt vermissen Sie diese Zeiten und werden manchmal ganz wehmütig, wenn Sie abends nach 23 Uhr aus dem Fenster gucken und junge Leute in Fünfergruppen Redbull trinken sehen, weil der „Späti“ ja keinen Alkohol mehr verkaufen darf. Wir jungen Leute haben das Glück, dass wir das alles gerade live und in Farbe erleben dürfen. Da ist es doch wirklich frech, dass sich eine junge Frau nun über ihr quietschlebendiges Leben beschwert, oder? Total unreflektiert hat „Ida“ aus Berlin in den letzten Tagen tatsächlich dem ZDF heute journal erzählt, dass sie es traurig findet, dass sie jetzt seit März nicht mehr feiern war. Vorher sei sie dreimal die Woche aus gewesen und brauche das auch. Darauf zu verzichten, findet sie ziemlich schlimm und das ginge nicht nur ihr so. Laut Ida vermissen viele das Nachtleben und das sei auch der Grund, warum die zweite Welle so schwierig sei und wieder mehr Partys gefeiert würden. 

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Zum Glück sind nicht alle jungen Leute solche Jammerlappen wie Ida. Ein Twitter-User, seinem Twitter-Profilbild zufolge vermutlich Ende 20 und laut Eigenangabe wissenschaftlicher Mitarbeiter des CDU-MdBs Andres Jung, teilte Idas Beitrag aus dem ZDF heute journal auf seinem Twitter-Account. Dazu schrieb er den Kommentar: „Definiere First world problems“. Genau! Die Kleine heult da rum, nur weil sie nicht mehr rumknutschen darf – die Kinder in Afrika, die werden nicht mal von ihrer Mutter geknutscht! Das sahen auch viele andere Twitter-Nutzer so – 508 Retweets und 3.965 Likes bekam er. Da kann man gar nicht verstehen, warum er kurze Zeit später den Tweet wieder gelöscht hat. „Steh doch zu dir“, möchte man ihm zurufen, „es braucht mehr junge Leute wie dich!“

Wir jungen Leute müssen echt aufhören, uns zu beschweren. Ich für meinen Teil, fange heute Abend einfach die zehnte Netflix-Serie seit März an und zoome mal wieder mit meinen Freunden. Wer braucht schon unmittelbaren Kontakt, wer braucht schon die Spannung eines Flirts an der Bar oder eines Tanzes in einem vollgedrängten Club. Wer braucht überhaupt Kontakt zum anderen Geschlecht? Oder zu seinen Freunden? Wer braucht schon die nervigen Uni-Veranstaltungen im Hörsaal, wenn man stattdessen einfach das ganze Semester vor seinem Laptop in der Bude hocken und Jogginghose tragen kann? Wer braucht schon Geselligkeit in Restaurants und Cafés? Wer braucht schon den Reiz des Aufbretzelns vor dem Ausgehen? Wer braucht schon Wein nach 23 Uhr? Wer braucht überhaupt andere Menschen außer sich selbst in seiner Umgebung? Man kann sich doch einfach einen Spiegel hinstellen, dann ist man auch nicht mehr allein!


Larissa Fußer (22) ist Autorin des Jugendmagazins Apollo News.

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Kommentare ( 123 )

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GUMBACH
3 Jahre her

Warum die Menschen derart panisch reagieren, verstehe ich überhaupt nicht. Ok, im Februar/März konnte ich es noch verstehen, weil niemand genau wusste, was da auf uns zukommt. Jetzt aber ist mindestens klar, dass 1. junge Leute so gut wie gar nicht betroffen sind von Krankheit oder Tod hinsichtlich Corona (ja, es bleibt ein minimales Restrisiko, aber das ist tragbar) 2. der PCR-Test nicht validiert ist, in der Disgnostik gar micht eingesetzt werden darf und höchst zweifelhafte Ergebnisse liefert 3. Behandlungsmethoden optimiert wurden. Man weiß jetzt, wie man mit Covid-19 umzugehen hat. 4. Ansteckungen im Freien nahezu ausgeschlossen werden können. Was… Mehr

Philokteta
3 Jahre her

Vielleicht haben viele vergessen, wie es in einem Volksliedlied heißt:
„[…]Drum sag ich’s noch einmal,
schön ist die Jugendzeit,
schön ist die Jugend, sie kommt nie mehr.
Sie kommt, sie kommt nie mehr,
kehrt niemals wieder her.
schön ist die Jugend, sie kommt nie mehr.“

Durch all diese Coronamaßnahmen werden auch den jungen Leuten sämtliche Kulturveranstaltungen genommen, Vereinsleben oder Sportveranstaltungen sind erschwert oder nicht mehr möglich, usw.
Es geht doch nicht nur ums „Party machen“, wobei es dabei ja auch nicht nur ums Saufen geht.

donpedro
3 Jahre her

ach nee…sieh einer an. sie also waren als junger mensch bereits perfekt und irrtumsfrei! sie haben sich nie – als junger mensch wohlbemerkt- beeinflussen lassen, niemals eine (aus heutiger sicht) „falsche“ entscheidung getroffen, waren niemals idealistisch, sondern bierernst und standen mit erst 16 oder 18 jahren felsenfest in politisch korrektem denken und handeln auf dem hartem boden der sogenannten tatsachen? Sie also haben in die welt geblaeht „traeume sind schaeume“ und alle jugendliche ihr verbittertes „das habt ihr nun davon!“ schadenfreudig aufs brot geschmiert? Sie also sind es, Sie und ihre ebensolche mitforisten, deren herzen so verhaertet sind, dass nur… Mehr

Kaltverformer
3 Jahre her
Antworten an  donpedro

Vielleicht sollten sie sich einmal ein wenig neu orientieren, damit sie den Unterschied zwischen ihrer Jugend und der aktuellen erkennen.

GermanMichel
3 Jahre her

Larissa und Co müssen doch nur als Sundenböcke herhalten, wegen „dem Elefant im Raum“, der in einem Gesinnungsstaat nicht benannt werden darf.

Jeder weiß, wo der Staat eingreifen müsste um die Pandemie wirksam einzudämmen, und jeder weiß dass der Staat da weder eingreifen kann noch will, noch überhaupt bereit ist das Problem zu benennen.

Larissa und Co ergeht es jetzt wie den „Südländern“, also den Spaniern und Italienern, die gar nicht wissen, warum ihr Ruf so ruiniert ist.

nachgefragt
3 Jahre her

Absolut nachvollziehbar, was die Autorin schreibt. Genau so sieht es aus. Das halte ich auch für eine überaus schmerzhafte Situation in dem Alter. Dennoch ein ABER: Diese Generation sollte sich das Gefühl ganz genau merken. Es ist nämlich vielleicht deren Zukunft in vielen Bereichen, ganz ohne Corona. Die Selbstbeschränkung der FFF/Grünen, die Flugscham, die Verteuerung von Urlaub, die Verteuerung überhaupt von Kraftstoffen und PKW – so fordert es angeblich diese Generation – wird auch in Zukunft den Urlaub in den „eigenen“ vier Wänden oder im Stadtpark für viele wahrscheinlicher machen. Besonders dann, wenn die Industrie in diesem Land erfolgreich vernichtet… Mehr

Paul Justus
3 Jahre her

Eben nicht geliefert wie bestellt: Traurig, die mangelnde Bereitschaft in manchen Kommentaren zwischen Lebensfreude und feierwütigem Partyvolk zu unterscheiden, alles in einen Topf zu werfen und letztlich doch genauso eindimensional wie die Twitter-Adjudanten aus dem Vorzimmer!

Philokteta
3 Jahre her

Diejenigen, die einen Shitstorm gegen Ida veranstaltet haben, werden wohl vergessen haben, wie wichtig auch ihnen als sie jung waren, das Ausgehen und der Kontakt mit Gleichaltrigen gewesen sind. Da beeinflußt wohl die Angst das Gedächtnis.
Für Menschen sind Kontakte mit anderen Menschen etwas ganz Normales, etwas Lebenswichtiges. Das ist lebenslang so.
Ich habe Ida nicht gehört, mag sein, daß es so rüberkam, als sei es das wichtigste im Leben der jungen Menschen, „Party zu machen“. Für einige stimmt das möglicherweise. Aber doch nicht für alle.
Es wird gerade die Zukunft unserer jungen Menschen vernichtet, nicht nur durch die Coronaregeln.

Armin Latell
3 Jahre her

Liebe Larissa, das ist doch so: eine reine Fürsorgemaßnahme unserer Regierenden explizit für junge Frauen wie dich, die sich gerne aufbretzeln (ich als weit, weit über 40 jähriger sehe das allerdings noch immer sehr gerne), an einer Bar (womöglich mit falschen) Männern flirten oder nach 23 Uhr leicht erheitert auf dem nach Hause Weg sind – ruck-zuck werden sie mit einem öffentlichen Druckausgleichventil verwechselt, und das Erleben nimmt seinen ungewünschten Lauf. Das kann vor dem Spiegel so eher nicht geschehen. Trotzdem: du hast absolut recht. Dass der MA von Andres Jung in seinem Leben noch nicht geknutscht hat, noch nicht… Mehr

NighthawkBoris
3 Jahre her

Ich gebe der Autorin vollumfänglich Recht und hege die Hoffnung, dass auch andere ihre verblendete Sichtweise aufgeben und gegen die Politik-Trottel (unsere Regierung) aufbegehren und sei es auch nur durch ein geändertes Wahlverhalten.
Was wäre die Welt ohne Spaß, wir hatten in den 80ern jede Menge davon.

Bina Trusch
3 Jahre her

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, ein wütendes „How dare you!“ aus vielen jungen Kehlen zu hören? Wo sind jetzt die mutigen Schüler und Schülerinnen, die sich mit Plakat an die Straße setzen und für ihre Jugend und die Freiheit streiken? Wo ist eine Greta denn jetzt, die sich gegen die nun tatsächlich stattfindende Zerstörung ihres jugendlichen Lebens wehrt? Sonst hat man sie doch so hofiert und so auf sie gehört….

ratio substituo habitus
3 Jahre her
Antworten an  Bina Trusch

Was ist daran mutig, mit der Herde zu laufen? Eine Greta und die FfF sind doch nur so mutig, weil sie wissen, dass sie die „Guten“ und „Aufrechten“ sind. Ohne deren politische Ansichten diskutieren zu wollen – sich heute in Deutschland offen für die AFD zu bekennen, dass erfordert Mut. Und ist in Hamburg und Berlin wirklich gefährlich.