Die Nichtwähler werden aus Analysen und Berichterstattung gedrängt

Die Nichtwähler sind mit Abstand die größte Gruppe der Landtagswahl in Niedersachsen gewesen. Doch über sie redet kaum einer. Es wird sogar schwieriger, überhaupt die Nachricht über ihre Größe zu finden.

IMAGO / U. J. Alexander
Symbolbild
Nachrichtliche Texte zu Wahlen folgen einer einfachen Dramaturgie: Wer hat gewonnen, wer verloren und wie hoch war die Wahlbeteiligung. Alles weitere ist erst einmal Zierrat. Doch die Wahlbeteiligung ist aus dem Kreis der Kernnachrichten ausgeschieden. In manchen Medien muss sie regelrecht gesucht werden.

Dabei ist die Wahlbeteiligung in Niedersachsen eigentlich das Thema. Es ist der Schlüssel, den der braucht, der das Ergebnis verstehen will: 6.064.092 Menschen waren laut Landeswahlleiter zur Wahl aufgerufen. 2.455.509.haben demnach keine gültige Stimme abgegeben. Rechnet man die als eigenen Block, die gar keine oder keine gültige Stimme abgegeben haben, kommt man auf 40,5 Prozent. Es wäre die mit Abstand stärkste Kraft im Landtag.

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Die SPD, die den Ministerpräsidenten Stephan Weil stellt und stellen wird, kommt nach der Rechnung auf 20,0 Prozent. Die Grünen auf 8,7 Prozent, die CDU auf 16,8 Prozent und die AfD auf 6,5 Prozent. Bezieht man die Nichtwähler in die Rechnung mit ein, gäbe es im niedersächsischen Landtag keine Mehrheit ohne AfD oder Nichtwähler beziehungsweise Falschwähler. Immerhin haben sich knapp 50.000 Menschen die Mühe gemacht, ein Wahllokal aufzusuchen, um eine ungültige Stimme abzugeben.

Trotzdem war die Wahl in den öffentlich-rechtlichen Medien und ihnen politisch nahestehenden Zeitungen eine Bestätigung für die Ampel in Berlin. Zumindest für deren rot-grünen Teil. Die FDP zum Wahlsieger zu erklären, wäre schwierig gewesen. Bei Anne Will behalfen sich die Experten damit, dass die FDP halt nicht genug rot-grün gewesen sei.

Die Analyse von der bestätigten Ampel ließe sich nicht halten, würden die Analytiker die Wahlbeteiligung in ihre Rechnung aufnehmen. Das mag ein Grund dafür sein, dass über diese immer weniger geredet wird und warum sie nachrichtlich immer schwerer zu finden ist. Die Erzählung vom bestätigten rot-grünen Teil der Ampel gefällt ARD, ZDF und politisch verbündeten Medien so gut, dass sie diese nicht durch Fakten zerstören wollen. Das nennen sie übrigens Einordnung – nicht Unterdrückung von Nachrichten.


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Kommentare ( 78 )

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Gotthelm Fugge
1 Jahr her

Anmerkung zu eigentlich wahren Wahlsiegern – DIE Nichtwähler (Letzte LTWen – Wegen des Schwafelns vom „grandiosen Wählerauftrag“): Wahlbeteiligung NRW = 55,5% / SH = 60,3% Jetzt auch NS = 63,1% (Plus AfD = 10 9%, Summe der Unzufriedenen = 47,8%)   Ein CDU-Merz als Heilsbringer der lang wieder herbeigesehnten Reaktivierung der konservativen sozialen Marktwirtschaft im Sinne von Ludwig Erhard entpuppt sich seit seiner Inthronisation als Totalausfall.   Überall in Europa (Italien [Fratelli d’Italia – Giorgia Meloni], France [Rassemblement National – Marine Le Pen], nordische Länder – Jetzt mit den neugewählten Schwedendemokraten) ist es mittlerweile selbstverständlich, mit patriotisch-konservativen Kräften in deren… Mehr

StefanZ
1 Jahr her

Schon die politische Bildung in Deutschland ist doch mittlerweile eine Katastrophe. Die einen ignorieren die Wahlen, ein großer Teil der Menschen wählt Kandidaten aus Sympathie und andere aus Ideologie. Es muss sich daher niemand über das politische Personal, diese Regierungen und den Parteienstaat wundern. Diese „Demokratie“, ist doch schon lange am Ende. Das ausgerechnet die Profiteure dieser Farce an diesem Zustand etwas ändern, ist wohl kaum zu erwarten. Die Wahl ist nur noch das Mittel zum Zweck und dient als Alibi. Rechts und Konservativ ist mittlerweile das Böse und keine politische Richtung mehr. Eine Opposition ist daher gar nicht mehr… Mehr

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her

Noch schlimmer: Die Stimmen für die „Sonstigen“ Parteien werden nirgendwo aufgeschlüsselt. Bisher auch nicht bei TE.

DAS wäre doch mal ein Thema. Dann wüssten wir mehr über die „sonstigen“ Alternativen.

Peter Meyer
1 Jahr her

Diese Parteien und deren Politik sind nicht wählbar. Deshalb verwundert mich dieses Verhalten nicht.

1 Jahr her

Die Wahlbeteiligung spielt erst dann möglicherweise eine Rolle, wenn sie sich auf die Wahlkampfkostenerstattung auswirkt. Das tut sie aber nicht. Der Kuchen wird nur verteilt und die Größe wird vom BT-Präsidenten willkürlich festgelegt. Pro Stimme gibt es einen festen Betrag. Ist die Wahlbeteiligung niedrig, fällt der Betrag höher aus. Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht. Wahlen interessieren sie kaum noch, es sei denn, jemand will ihnen den Platz am Futtertrog streitig machen. Dann wird um sich gebissen. Es ist so erbärmlich. Wir erlauben einer gesellschaftlichen Negativauslese, über unser Leben zu bestimmen. Jeder Weg, der das beendet, verstößt… Mehr

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her
Antworten an  [email protected]

Vielleicht hilft auch öffentlicher Protest. Selbst die DDR hat es friedlich hinweggefegt.

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her
Antworten an  [email protected]

Unser Land hat zwei Probleme: – Staatlich finanzierte Medien und – Staatlich finanzierte Parteien – ein Medienkartell, das die Stimmen für die „Sonstigen Parteien“ nicht mehr aufschlüsselt. Weder bei den „Sonntagsfrage“ noch nach der Wahl (das ist besonders skandalös!). Woher soll der Wähler dann wissen, welche Parteien sich der 5%-Hürde nähern. Das gilt übrigens auch für TE, es ist peinlich – Der vollständige „Ausgleich“ der direkt gewählten Mandate mit Listenmarionetten – die üppige staatliche Finanzierung der Parteien, die es unabhängigen Persönlichkeiten praktisch unmöglich macht, sich im Kampf um die Erststimme gegen einen Parteikandidaten durchzusetzen. Selbst eine Sarah Wagenknecht wäre nicht… Mehr

Sonny
1 Jahr her

Unter Berücksichtigung der Wahlberechtigten und der ungültigen Stimmen sowie Nichtwähler bestimmt künftig ein Bruchteil (rotgrün) der Bevölkerung darüber, was mit 8,02 Millionen Menschen in Niedersachsen zu geschehen hat.
Was das noch mit Demokratie zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
Sind wir das einzige, angeblich demokratische Land, in dem Minderheiten zu bestimmen haben, wo es lang geht?

Last edited 1 Jahr her by Sonny
Ante
1 Jahr her
Antworten an  Sonny

Das sind zwei Seiten derselben Medaille. In der freiheitlichen Demokratie hat jeder die Möglichkeit zur Teilnahme an Wahlen aber eben keine Pflicht. Letztere würde der Freiheit zuwiderlaufen. hat man aber die Freiheit zu wählen ohne es zu müssen, muss man im Gegenzug auch hinnehmen, das nur die Teilnehmenden entscheiden, wer gewählt ist. Das ist so folgerichtig, obgleich man es im Ergebnis bedauern mag. .

Dr.Remberg
1 Jahr her
Antworten an  Sonny

Es hat sehr wohl etwas mit Demokratie zu tun, denn Demokratie heißt ja auch, dass niemand wählen muss, sondern im wahrsten Sinne des Wortes FREI wählen kann, ob und was er wählt. Aber wenn einer auf die Abgabe seiner Stimme verzichtet ausgerechnet in einer noch nie da gewesenen Zeit wie der heutigen, d.h. wo die Inflation bei 10 % liegt, wir frieren werden und uns die Regierung zum Bevorraten von Lebensmittel auffordert, und obendrein uns das noch alles eingebrockt hat – in einer solchen Zeit auf sein Wahlrecht zu verzichten, DAS verstehe ich wiederum nicht.

Ante
1 Jahr her

Zitat: „Nichtwähler werden aus Analysen und Berichterstattung gedrängt.“
Ist doch auch richtig, schließlich kennt das Wahlsystem der BRD keine relevante Kategorie namens „Nichtwähler“. Das Wahlsystem der BRD ist dem Grundsatz nach im Grundgesetzt festgeschrieben. Danach sind nur „Wähler“ eine relevante Kategorie. Bedeutet, wer an Wahlen nicht teilnimmt, also nicht wählt, also keine gültige Stimme abgibt, der spielt keine Rolle, der kommt nicht vor, der beeinflusst kein Wahlergebnis. Jedem BRD-Menschen sollte das klar sein. Deshalb sollte jeder immer wählen gehen. Ansonsten kommt er nicht vor. Bedeutet: Ich wähle, also bin ich.

Wuehlmaus
1 Jahr her

Wählen Sie Niemand!

  • Niemand hält seine Wahlversprechen!
  • Niemand wird Ihre Probleme lösen!
  • Niemand wird den Armen und Notleidenden helfen!
  • Niemand sorgt sich um Ihre Familie!

Und Niemand sagt die Wahrheit!

Brotfresser
1 Jahr her
Antworten an  Wuehlmaus

Sehr guter Ansatz! Wäre aber noch ausbaufähig: – Niemand wird die Pandemie gleich nach der Wahl für beendet erklären! – Niemand sorgt für bessere Schulen, mehr und besser ausgebildete Lehrer und zukunftsgerechte Lehrpläne! – Niemand wird die USA für ihren Anschlag auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 mit ihrem Poseidon-Bomber ohne Hexcode-Kennung verantwortlich machen! – Niemand wird sich für unsere Rentner einsetzen! Vielleicht sollten wir tatsächlich eine Partei namens „Niemand“ gründen. Meine Leidensgenossen (und ich natürlich auch) aus der Selbsthilfegruppe „Die Anonymen Zyniker“ stünden als Gründungsmitglieder zur Verfügung! Ideal wäre natürlich in dem Zusammenhang, gar nicht zur Wahl… Mehr

Robert Tiel
1 Jahr her

Jeder, der nicht blau gewählt hat, hat grün gewählt. Da darf sich keiner was vormachen. Ich hätte mal briefwählen müssen. Das habe ich nicht getan. Überprüfen Sie doch bitte, wie die Kontrollmechanismen bei den Briefwahlen aussehen. Es hat schon einen Grund, wer gerade bei der Briefwahl so gute Ergebnisse hatte. Und die hohe Zahl der ungültigen Stimmen. Hat sich jemand die Mühe gemacht, zu zählen, welche Partei die höchste Zahl an ungültigen Stimmen hatte? Ein Strich zu viel und schwupps – schon ist es passiert. Da ist es unerheblich, wer den Strich gemacht hat. Wer kontrolliert, dass ähnliche Parteinamen nicht… Mehr

Ante
1 Jahr her
Antworten an  Robert Tiel

Mein ganzes Umfeld wählt seit 2013 blau. Jetzt nicht mehr. Denn „Russenknechte“ wählt man als Freiheitlicher nicht.

old man from black forrest
1 Jahr her

Es wird zwar immer spekuliert, warum diese Nichtwähler nicht wählen. Mich würde interessieren: wer sind diese Nichtwähler? Das ist möglicherweise nicht leicht herauszufinden. Aber warum macht man sich nicht einfach mal die Mühe? Kann es möglicherweise sein, daß diese Klientel nichts produktives zum Bruttosozialprodukt beiträgt und für sie somit steigende Mietpreise, Energiepreise oder Krankenversicherungsbeiträge kein Thema darstellt? Ist jetzt reine Spekulation von mir. In meinem Umfeld gehen wirklich alle wählen. Diese sind aber Erwerbstätig oder Rentner.

Ante
1 Jahr her

Nein, man nehme nur die Gruppe öffentliche bekennender Nichtwähler. Die stammen aus allen sozialen Schichten, von Mr. DAX (Dirk Müller) bis zum IT-Programmierer bis zum urbanen Künstler. Eine Zuschreibung dieser inhomogenen Gruppe in eine bestimmte politische Richtung ist nicht belegt. Hier dürfte die Gleichverteilung angemessen sein bzw. eine Verteilung nach dem Wahlergebnis. Es hat linke Nichtwähler ebenso wie grundkonservative Nichtwähler, Ökotypen genauso wie Autonarren. Das ist schwerpunktuell nicht zuzuordnen.