Martin Schulz muss Mut machen – sich selbst und anderen

Von heute an können alle Wahlberechtigten, wenn sie nicht mehr warten wollen, auf ihrem Rathaus oder in ihrem Wahlamt per Brief wählen.

Für Kanzlerkandidat Martin Schulz und seine SPD sieht die Sache nicht allzu gut aus. Nehmen wir nur die Umfragen der vergangenen acht Tage: Bei Forsa liegt die CDUCSU 17 Punkte vor der SPD, im Politbarometer 16 Punkte, bei Infratest dimap 15 Punkte, bei Emnid 14 Punkte. Da wirkt das Ergebnis von INSA mit 37:25 zugunsten der Union schon fast wie ein Hoffnungsschimmer.

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Martin Schulz hat gar keine andere Wahl, als sich optimistisch zu geben. Jeder Spitzenkandidat ist qua Amt der oberste Mutmacher seiner Partei. Er muss sich an jeden Strohhalm klammern, an dem er sich aus dem Umfragetal nach oben ziehen könnte. Schließlich kann kein Spitzenkandidat, und seien die Umfragezahlen noch so schlecht, sich hinstellen und verkünden: Leute, stellen wir den Wahlkampf ein, wir haben ohnehin keine Chance. Denn von jedem Prozentpunkt mehr oder weniger hängt viel ab: Mandate, Karrieren und Jobs.

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Der Mutmacher Schulz verkündet also fröhlich und unverdrossen: „Ich werde Kanzler“. Was angesichts der Zahlen seltsam klingt – irgendwie trotzig und arrogant zugleich. Wer „ich werde Kanzler“ sagt, tut auch so, als bestimme er allein den Wahlausgang. Ein sehr fragwürdiges Rezept.

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Bei der CDU ist man mit den Umfragewerten zufrieden, hat aber eine andere Sorge: Dass die eigenen Wahlkämpfer ebenso wie die eigenen Wähler meinen könnten, die Sache wäre bereits gelaufen. Dann kämpfen die einen nicht mehr richtig und die anderen bleiben am Wahltag eventuell zu Hause. Die Kanzlerin, vom Urlaub gestärkt, wirft sich seit dem Wochenende jedenfalls in die Schlacht: 10 Kundgebungen allein in dieser Woche, weitere 40 bis zum Wahltag. Ihre Botschaft wird sie aber kaum ändern: Weiter so! Was aber auch die eigenen Anhänger nicht gerade beflügeln dürfte.

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Viele Journalisten sind geradezu auf den 3. September fixiert – auf das TV-Duell zwischen Schulz und Merkel. Das könnte die große Chance für Schulz sein, da Merkel diese Art der Auseinandersetzung nicht so liege. Letzteres stimmt. Es stimmt aber auch, dass noch nach keinem dieser Duelle die Umfragen gekippt wären – nicht bei Schröder gegen Stoiber und Schröder gegen Merkel und ebenso wenig bei Merkel gegen Steinmeier oder Merkel gegen Steinbrück. Wie es scheint, versuchen die Medien eine Art Duell-Hype zu kreieren. Hat ja beim Schulz-Hype schon mal geklappt, war aber nicht von Dauer.

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Übrigens: Von heute an wird es wirklich ernst. Alle Wahlberechtigten können, wenn sie nicht mehr warten wollen, auf ihrem Rathaus oder in ihrem Wahlamt per Brief wählen. Zugleich beginnen die Wahlämter mit dem Versand der Wahlunterlagen für den 24. September, mit denen ebenfalls Briefwahl beantragt werden kann. 41 Tage vor dem Wahltag wird also bereits gewählt. Übrigens: Bei der Bundestagswahl 2013 stimmte fast jeder vierte Wähler (24,3 Prozent) per Brief ab.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: „Ein Optimist ist ein Mensch, der alles halb so schlimm oder doppelt so gut findet.“ (Heinz Rühmann)

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Kommentare ( 6 )

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Berggrün
6 Jahre her

HMV hat recht: Die Wahl ist gelaufen. Aber nicht erst seit heute. 1. Die Mehrheit der Deutschen hat sich längst entscheiden, bzw. besser gesagt, sie haben Angst vor einem Wandel. Zwar dürfte in Wahrheit kaum jemand Merkel gut finden oder wirklich behalten wollen, nicht mal die eigenen Leute, aber das galt noch für jeden deutschen Regierungschef. Im Kern vertraut der Deutsche nach wie vor seiner Obrigkeit, und wenn die entscheidet, das Land zu umvolken, die Energieversorgung zu zerstören oder die Autoindustrie oder das Recht durch Moral und Gesinnung zu ersetzen, dann sei es eben so. Ein bißchen wird gemeckert, aber… Mehr

Daniela Gmeiner
6 Jahre her

Lieber Herr Müller-Vogg, der Schulz-Hype, hat mich animiert, gestern Herrn Schulz im RTL-Check zuzuschauen. Fazit: Der Kanzlerkanditat der SPD ist mit praktischen Fragen, Wohnungsnot, Altersarmut und Migration an Hand praktischer Beispiele, gänzlich überfordert. Kleines Beispiel: Wer die Wohnungsnot mit einer Mietpreisbremse 2, wie Schulz gestern erklärte, lösen will, der bleibt bei seiner Verschleierungspolitik. Dass Merkel diese zweite Auflage der Mietpreisbremse nicht will, macht deren Politik ohne Opposition auch nicht besser, denn fehlende, bezahlbare Wohnungen gab es schon vor 2015. Wer dann, wie beide Kanditaten die „Grenztore weit aufmacht“, und die Schwierigkeiten, auch mit der inneren Sicherheit bagatellisiert, ist für mich… Mehr

Marc Hofmann
6 Jahre her

Egal wer…CDU oder SPD….beide Parteien müssen die AfD fürchten. Nur sagt man dies in der Öffentlichkeit nicht…man könnte damit die Aufmerksamkeit auf die AfD lenken….und das wiederum wäre für die Merkel CDU so etwas wie ein Eigentor…für die Schulz SPD schaut dies nochmal um einiges schlimmer aus….die SPD verliert weit mehr Wähler an die AfD….wobei so langsam bei der Merkel Union immer mehr Wähler aufwachen und sich zur AfD hin orientieren…..jedenfalls die Konservativen und Patriotischen in der Merkel Union.

Michael Müller
6 Jahre her

Der EU-Millionär Schulz ist eher eine karnevalistische Frohnatur und taugt meiner bescheidenen Meinung nicht zum Kanzler, kein Format a la Schmidt oder Brandt. Man kann aber auch nicht erwarten, daß man mit dem Austausch von nur einer Personalie, einen Politikwechsel herbeiführen kann. Es liegt aber nicht nur an Schulz alleine, man muß auch immer den Personenkreis im Auge behalten, die hinter dem „Gernegroß“ steht !!! Es ist die gesamte alte Schrödersch´e marktradikale sowie neoliberale AGENDA 2010 Mischpoke, die ihrer einstmals ureigendsten Klientel, vor fast zwei Jahrzehnten, im wahrsten Sinne des Wortes in den Rücken gefallen ist und diesen eklatanten Vertrauensbruch… Mehr

Tesla
6 Jahre her

Ich glaube, das TV-Duell wird so ein Langweiler, das es selbst noch das Sommerloch in den Schatten stellt.

C.Meyer
6 Jahre her

Na vielleicht wird der Martin Kanzler, wenn die AfD ihn mit Grün und Links und FDP zum Kanzler macht. Wohl eher wird ihm allerdings vermutlich der Himmel auf den Kopf fallen, die einzige Befürchtung des standhaften Asterix , bevor es zu einer derartigen „grossen Koalition“ kommt.

Martin muß einen Schluck aus dem Kessel tun oder darin baden, dann kann er zum Obelix mutieren. In diesem Fall hätte Sigmar allerdings gleich Kanzlerkandidat bleiben können ohne Magenverkleinerung. lol