Kurt Westergaard, Zeichner der Mohammed-Karikaturen ist tot

Die letzten 16 Jahre seines Lebens stand der Karikaturist unter Polizeischutz. Er hatte es gewagt, Mohammed zu karikieren. Manche Medien scheinen über seinen Tod geradezu erleichtert.

IMAGO / Belga
Kurt Westergaard (1935-2021)

Mit Kurt Westergaard ist ein mutiger Kämpfer für die Meinungsfreiheit gegangen. 2005 zeichnete er Mohammeds Turban als Bombe mit Zündschnur. Seitdem stand er unter Polizeischutz. Doch für einige Medien scheint er der »umstrittene« Anheizer islamistischer Ausschreitungen gewesen zu sein, oder gar der religionsfeindliche Inspirator von Terroranschlägen. Allein, dieser Spin hat kaum jemanden überzeugt, wie zahllose Twitter-Kommentare zeigen.

Es ist leider interessant, wie einige westliche Medien und Mediennutzer auf Menschen reagieren, die sich in Europa kritisch mit dem Islam auseinandersetzen. Jüngst beschrieb ich für TE den Fall der jungen Französin Mila, die wegen ihrer Islamkritik nur noch unter Polizeischutz leben kann. Doch der Frankreich-Korrespondent Kurt Krohn, der das Thema noch keines Artikels für würdig befunden hat, fiel dazu nur ein, dass es »kompliziert« ist.

— Knut Krohn (@knut_krohn) July 15, 2021

Zum selben Artikel raunte ein Nutzer auf Facebook über die angeblich im Dunkeln liegenden »Hintergründe« des Geschehens und rückte am Ende die freie Meinungsäußerung der Achtzehnjährigen in ein kriminelles Licht. Die Strafverfahren gegen die Menschen, die Mila mit Vergewaltigung und Mord bedroht haben, interessierten diesen Nutzer dagegen kaum.

Erst heute wurde bekannt, dass der dänische Zeichner und Karikaturist Kurt Westergaard im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Das melden verschiedene dänische Zeitungen unter Berufung auf Familie und Freunde des Verstorbenen. Nach langer Krankheit sei Westergaard schon am 14. Juli in Kopenhagen gestorben.

Muslime protestierten wie auf Knopfdruck

Westergaard war 2005 zu größerer Bekanntheit und – zumindest indirekt – zu Ruhm gekommen. Die Tageszeitung Jyllands-Posten veröffentlichte damals eine Serie von insgesamt zwölf Karikaturen zum Thema »Das Gesicht Mohammeds«. In seinem Beitrag zeichnete Westergaard einen Mann mit schwarzem Vollbart und einer gewaltigen Bombe im schwarzen Turban. An der Bombe mit brennender Lunte prangt zudem eine arabische Kalligraphie.

Es war speziell diese Zeichnung, durch die sich Muslime angeblich beleidigt fühlten. Es kam zu diplomatischen Verstimmungen zwischen verschiedenen mehrheitlich islamischen Ländern und Dänemark. Doch erst vier Monate nach der Veröffentlichung folgten gewaltsame Proteste, die laut Westergaard von den autoritären Regierungen selbst gesteuert wurden und in deren Verlauf dutzende Menschen ums Leben kamen. Auch die Botschaften von Dänemark und Norwegen wurden attackiert. Parallel sollen Kopfgelder in Millionenhöhe auf den Zeichner ausgesetzt worden sein.

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In einem Nachruf der Nachrichtenagentur dpa, den mehrere großen Medien zunächst übernommen haben, ist sinnwidrig von einem dänischen Streit über »die Grenzen von Meinungs- und Religionsfreiheit« die Rede, der sich an die Veröffentlichung von Westergaards Karikatur angeschlossen hätte. Aber die »Religionsfreiheit« war in Dänemark zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Tatsächlich gab es aber seit der Jahrhundertwende in verschiedenen Ländern Europas einige Fälle, in denen Ausstellungsbilder abgehängt wurden, weil sie die Gefühle von Muslimen beleidigen könnten. Auch eine Berliner Operninszenierung (mit den abgeschlagenen Köpfen mehrerer Religionsgründer) war im Jahr 2006 nicht mehr genehm und wurde abgesetzt.

Westergaard: »Es musste passieren«

Westergaard war wütend, dass etwas so Selbstverständliches und Alltägliches wie eine Zeichnung solche Reaktionen auslösen konnte. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte er 2008: »Für mich ist es absurd, in meinem eigenen Land auf der Flucht zu sein.« Doch zugleich war er sich der Notwendigkeit seines Kampfes bewusst: »Es musste passieren. Die Zeit war reif dafür in Dänemark.«

Ursprünglich war er Deutschlehrer gewesen, später Rektor einer Schule für Behinderte. Erst 1983 begann Westergaard, Karikaturen in elegantem Tuschstil für die Tageszeitung Jyllands-Posten zu zeichnen, und tat dies bis ins Jahr 2010. Der Zeichner sah sich selbst als »kulturradikalen und multikulturellen Provokateur«. Der Kulturradikalismus ist eine liberale Bewegung zur Befreiung der Kultur vom Christentum in den skandinavischen Ländern.

Ab 2007 musste Westergaard mit seiner Frau unter wechselnden, geheimen Adressen leben. Später wurde ihr Reihenhaus unter Kameraüberwachung gestellt. Und doch hielt er die Routine aufrecht, fuhr täglich in die Redaktion der Jyllands-Posten. Das half ihm und seiner Frau, für sich einen Rest von Normalität aufrechtzuerhalten. Doch am Neujahrstag 2010 drang ein mit einem Messer und einer Axt bewaffneter Somalier in das Haus ein. Westergaard konnte sich gerade noch rechtzeitig in das als »Sicherheitsraum« ausgebaute Bad flüchten und von dort aus die Polizei rufen. Zum Tatzeitpunkt war auch seine fünfjährige Enkelin im Haus. Der Schuldspruch: zehn Jahre und anschließende Ausweisung aus Dänemark für den mit Al-Qaida assoziierten Täter.

Im selben Jahr versuchte die Leitung des ZDF eine Einladung in die Sendung von Markus Lanz zu verhindern, mit der Begründung, der Auftritt passe nicht zum Unterhaltungskonzept der Sendung. Der Zeichner protestierte und durfte dann doch auftreten. Im Herbst jenes Jahres erhielt er in Potsdam den M100-Medienpreis für sein Eintreten für die Meinungs- und Pressefreiheit. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, protestierte umgehend: Westergaard habe den Propheten der Muslime »in unseren Augen mit Füßen getreten«.

Der schlichte Reiz-Reaktions-Mechanismus beim Spiegel

Der Spiegel berichtete schon 2010 von geplanten Bombenanschlägen, die junge Muslime »als Protest gegen die Karikaturen vorhatten«. Heute begräbt das Hamburger Magazin den dänischen Zeichner im selben Stil und präsentiert uns einen maliziös blinzelnden Westergaard, der zugegeben noch immer nicht unsympathisch aussieht. Dessen Mohammed-Karikatur ist für den Spiegel inzwischen eine »umstrittene«, und zwar anscheinend deshalb, weil radikale Muslime sie nicht akzeptieren wollen. »Umstritten« ist sie auch in der Überschrift des ZDF und bei der Stuttgarter Zeitung. 

Der Spiegel und andere folgen damit einem schlichten Reiz-Reaktions-Muster: Tut ein freier Mensch das eine, so reagieren Islamisten eben mit dem anderen. Nur so lässt sich davon sprechen, dass Westergaards Karikatur »weltweite Ausschreitungen mit vielen Toten zur Folge« hatte. Der radikale Islam wird hier – auch durch den Vermerk »weltweit« – zum relevanten Gegenüber stilisiert. Auch der Anschlag auf Charlie Hebdo im Januar 2015 ist für den Spiegel eine »indirekte« Reaktion auf Westergaards Karikatur gewesen. Die französische Satirezeitschrift hatte die Mohammed-Karikatur 2012 abgedruckt.

Allerdings erntet das Hamburger Magazin in diesem Fall einiges an Kritik für seine »Täter-Opfer-Umkehr« und die Übernahme »fundamentalistischer Framings«. Ein wichtiger und wertvoller Mensch sei Westergaard gewesen, der gezeigt habe, »wie wenig die hier kollidierenden und lebenden Kulturen zueinander passen«. Westergaard wird in der Tat für den »absurden Wahnsinn« verantwortlich gemacht, der sich um seine Zeichnungen herum zutrug. Es sind die »narzisstischen Kränkungen wahnhaft religionsfixierter Individuen aus dem islamischen Länderbogen«, die Schuld tragen für gewaltsame Ausschreitungen, Todesfälle und Terror – nicht ein freiheitsliebender Zeichner. »Der Spiegel spielt mit dem Feuer.«

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. An dieser Stelle gilt unser Dank den couragierten Twitterern, dem Zeichner Kurt Westergaard unsere Hochachtung. Übrigens hatte der bereits 2008 die passende Erwiderung für Spiegel und Konsorten: »Eine Karikatur ist immer eine Antwort auf eine Provokation. Satire ohne Provokation ist undenkbar.«

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