Facebook mag keinen Sellerie – und tilgt jeden, der widerspricht

Facebook geht mit einer Löschaktion gegen jeden vor, der auch nur den Namen von Unpersonen erwähnt, unabhängig vom Zusammenhang. Und ist trickreich beim Aufspüren - und dann besonders hart bei der Bestrafung, erfährt Ines Laufer.

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Vor wenigen Tagen löschte Facebook mein Profil. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Nach über zehn Jahren Mitgliedschaft. Der Grund: Ich hätte gegen die „Facebook-Nutzungsbedingungen“ verstoßen, z.B. durch die Unterstützung gewalttätiger und/oder krimineller Organisationen bzw. Gruppen, durch Hassrede, durch Androhung von Gewalt oder durch den Verkauf von Freizeitdrogen oder Medikamenten. Habe ich das Tor zum Dark-Net geöffnet?

Doch nichts dergleichen habe ich getan. Es war schwer, dahinter zu kommen, was mein Vergehen ist. Bei Facebook sündigt man schneller, als dass man es weiß. Und Unwissenheit schützt hier nicht vor Strafe. Nur der gottgleiche Marc Zuckerberg weiß und entscheidet über gut und böse.

Mein tatsächliches Vergehen beschränkt sich darauf, die zur gleichen Zeit auf Facebook digitale Eliminierungsaktion gegen den Sprecher der österreichischen Identitären Bewegung, Martin Sellner, zu kommentieren. Es begann damit, dass Facebook mich benachrichtigte, mehrere Beiträge (aus dem Jahr 2018) entfernt zu haben, da diese „gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen oder Organisationen verstießen“. Diese Beiträge hatten eins gemeinsam: Sie enthielten den Namen Martin Sellner.

Unzählige Facebookfreunde berichteten ebenfalls zeitgleich von diesen spezifischen Löschungen. Nun ist Sellner wirklich das, was man eine umstrittene Person nennt. Aber öffnet schon die Erwähnung seines Namens das Tor, durch das man das Paradies verlassen muss? Facebook reagiert wie eine strenge Gottheit: Grausam. Ohne Gnade. Kein Einspruch möglich. Absolutistisch.

Ohne Zweifel hatte Facebook ein großangelegtes, automatisiertes Programm gestartet mit dem Ziel, den Namen Sellners umfänglich von seiner Plattform zu tilgen. Neu ist dieses Vorgehen nicht. Im letzten Jahr war es der Gründer der „English Defence League“, Tommy Robinson, der von Facebook zum Objekt der Eliminierung bestimmt wurde. Dass ein deutsches Gericht erst vor kurzem in einer einstweiligen Verfügung dem Unternehmen verbot, Artikel allein deshalb zu löschen, weil der Name Tommy Robinson in Postings enthalten sei, scheint Facebook jedoch nicht im geringsten zu beeindrucken. Gott steht über den Gesetzen, und heute ist er blau.

Und es gibt kein Entkommen vor seiner Rachsucht.

Ich begleitete die Löschaktion mit mehreren Postings und Kommentaren, in denen ich Sellners Namen zum Teil so aberwitzig verfremdete, dass es ausgeschlossen schien, dass deren anschließende Löschung wegen des „Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen oder Organisationen“ im Zuge eines automatisierten Prozesses erfolgt sein konnte. Da musste schon ein quicklebendiger und (f)linker Löschfinger die Taste betätigt haben. Und zwar im Akkord.

So lautete ein Posting:

„Facebook hat jetzt auch mein heutiges Posting gelöscht, in dem ich auf die radikale Löschung Martin Selleries hinwies“.

Innerhalb kürzester Zeit entfernte Facebook den Beitrag wegen des „Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen oder Organisationen“, revidierte die Entscheidung jedoch und stellte ihn wieder online – nur um ihn wenig später erneut zu löschen, diesmal kommentarlos. Manchmal zeigt die ferne Gottheit menschliche Züge. Offensichtlich gibt es einen Löschbeauftragten, und einen Oberlöscher. Facebook ist doch kein Gott, sondern funktioniert wie ein Einwohnermeldeamt. Bürokratisch. Bloß schneller, um Personen aus dem Sozialen Netzwerk zu entfernen, vergessen zu machen. Und ihre Freunde auch.

Daraufhin fragte ich in einem öffentlichen Posting:

„Heute ist es Maddin Söllner, der in einem großangelegten Facebook-Lösch-Massaker getilgt wird. Und morgen? Du? Ich? Wer nicht?“

Auch diese Veröffentlichung wurde von Facebook entfernt wegen des „Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen oder Organisationen“ und die Löschung nach Antrag auf Überprüfung bestätigt. Die ferne Gottheit hat mich wieder ertappt. Gott lässt sich nicht austricksen. Beweise? Habe ich keine. Alles gelöscht. Gott tilgt alles, nicht nur Sellner, sondern auch jeden, der seinen Namen im Munde führt. Vermutlich bis ins 7. Glied, rachsüchtig, wie er ist.

Mein letztes Posting, das ebenfalls bestätigt gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen haben soll, diesmal allerdings im Rahmen von Bullying und Belästigung, lautete

„Ich nannte ihn Sellerie. Zack! Gelöscht.“

Es wurde aber nicht wie die vorherigen Beiträge einfach gelöscht, sondern brachte mir sogar kurzfristig eine 3-Tage-Sperre ein. Ich konnte gerade noch  Widerspruch dagegen einlegen, dann:

Zack – war mein komplettes Facebook-Konto gelöscht! Es gibt mich nicht auf dem Antlitz der Erde, wie sie Marc Zuckerberg nach seinem Ebenbild formte. Ich bin nun ein Outcast. Schreiben Sie mir einen Brief. Anders können Sie mich nicht kontaktieren.


Ines Laufer


Hinweise: Sollte Ihnen Ähnliches geschehen sein informieren Sie uns. Wir dokumentieren Sellerie-Fälle und lassen sie durch Anwalt Joachim Steinhöfel  rechtlich prüfen. „Meinungsfreiheit im Netz“ hat Beratung zugesichert.  

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Kommentare ( 76 )

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76 Comments
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Stefferl
4 Jahre her

Ich möchte an dieser Stelle mal ein ausdrückliches Lob an das Moderatorenteam von TE loswerden. Während Zensur inzwischen bei fast allen deutschen Medien (Spiegel, Welt, Merkur usw.), die Foren betreiben, normal ist, lässt TE eigentlich alles durch (sofern es nicht gehässig, verleumderisch oder sonstwie unanständig ist).

DAS NENNT MAN DIE ACHTUNG VON MEINUNGSFREIHEIT!!

Stefferl
4 Jahre her

Da können die aktuellen Systeme mit den totalitären absolut mithalten.

Helmut in Aporie
4 Jahre her

Facebook folgt lediglich den Vorgaben unserer Regierung. Die angedrohten Strafen für Facebook sind erheblich. Ich glaube bis zu 50 Mio!
Dass das Verfahren nicht legal ist, darf uns bei unserer EU-Demokratie nicht wundern. Mark Zuckerberg findet das übrigens bedenklich.

Der Michel
4 Jahre her
Antworten an  Helmut in Aporie

Auch hier: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

MK09
4 Jahre her

So wichtig es ist sich juristisch gegen Zensur zu wehren, so wichtig ist es auch zensurfreie Alternativen zu kennen.

Das sich das viel zu wenig rumspricht, hier eine kleine Aufzählung:
YouTube – Bitchute
WhatsApp – Telegram
Facebook – VK
Twitter – Gab.com (Tweets auf Gab können gleichzeitig an Twitteraccounts gebunden werden und auch dort gleichzeitig hochgeladen werden)
Artikelkommentare aller Art – Dissenter (entweder als Erweiterung für die meisten Browser oder als eigenständiger Browser(Browserengine von Brave) )

jochen_f
4 Jahre her
Antworten an  MK09

Ich kann die genannten Alternativen nicht so recht weiterempfehlen. Alle genannten sind selbst zentrale Dienste, die auch von einer zentralen Gottheit geführt werden. Der ein oder andere Dienst mag zwar heute konservative Stimmen nicht zensieren, das kann sich aber jederzeit ändern. Echte dezentrale Alternativen wären: PeerTube, Matrix oder XMPP, PixelFed, Friendica, Diaspora, Mastodon, Pleroma, etc. Speziell von gab.com kann ich aber nur abraten. Die dortige Gottheit, Andrew Torba, ist auch recht rigoros beim Sperren, aber eben nach seinen eigenen (evangelikal bestimmten) Kriterien. Eine wirkliche Alternative ist es, sich eine Mastodon oder Pleroma Instanz zu suchen, die von einem vernünftigen Admin… Mehr

fatherted
4 Jahre her

Selber Schuld….wer sich auf Gesichtsbuch tummelt muss auch mit deren Politik leben. Sowas muss man aechten und nicht auch noch mit Wort/Bild-Beitraegen unterstuetzen.

spindoctor
4 Jahre her

Facebook – nein danke.

Grenz Gaenger
4 Jahre her

„Zack – war mein komplettes Facebook-Konto gelöscht! Es gibt mich nicht auf dem Antlitz der Erde, wie sie Marc Zuckerberg nach seinem Ebenbild formte. “
Sie Glückliche – geniessen Sie diesen Vorzug, endlich der Krake entronnen zu sein, wenn auch nicht durch eigene Entscheidung!
Wer braucht FB? Wer braucht WA?

Der Ketzer
4 Jahre her

Es waren und sind immer wieder vermeintliche „Gemeinschaftsstandards“, die seltsame Blüten treiben. Das Sperren oder Löschen von Facebook-Konten ist in diesem Sinne die „Bücherverbrennung“ des digitalen Zeitalters. Es gibt genügend Beispiele aus der Geschichte, in denen „Gemeinschaften“ glaubten, abweichende Meinungen beseitigen zu müssen. Die Bücherverbrennungen von Ephesos, im Rahmen der Römischen Inquisition, beim Wartburgfest 1817, unter den Nazis 1933, am Abend des Internationalen Kindertages 1955 (DDR, Berlin-Pankow) und zuletzt sogar in Bad Dürrheim durch Mitarbeiter des Regierungspräsidiums (Eine Zensur findet nicht statt? – Art. 5 Abs.1 GG) im Jahr 2015 (https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/buecher-brennen-wieder/) sind untrügliche Zeichen, dass wir uns politisch (wieder) in… Mehr

Protestwaehler
4 Jahre her

Was war noch mal der Unterschied zwischen Deutschland und China, achja, China steht dazu ein Schurkenstaat zu sein, Merkeldeutschland heuchelt Demokratie vor.

Leroy
4 Jahre her

Ich brauche keine Facebook um „Freunde“ zu erreichen. Ich habe die Telefonnummer meiner Freunde digital und analog gespeichert.