EU will verschlüsselte Kommunikation im Eilverfahren aushebeln

In Brüssel wird in Stille ein neues Vorhaben vorangetrieben: Verschlüsselte Internetkommunikation soll verboten werden. Das heißt, dass der Staat im Zweifelsfall bei Ihren Textnachrichten mitlesen kann.

imago Images/LePictorium

Vor dem Hintergrund des Terroranschlags in Wien will man in Brüssel ein Ende sicherer Verschlüsselung durchsetzen. Der Österreichische Rundfunk (ORF) veröffentlichte einen geheimen Entwurf für einen Beschluss des EU-Ministerrats, demzufolge Messengerdienste wie WhatsApp zum Einbauen von Hintertüren für die Sicherheits-und Geheimdienstbehörden verpflichtet werden sollen. Mit extra generierten „Generalschlüsseln“ soll sich der Staat jederzeit unerkannt in private Chats und andere verschlüsselte Übertragungen einklinken können.

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Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, eine der wichtigsten Errungenschaften für die Privatsphäre im digitalen 21. Jahrhundert, würde damit bald der Vergangenheit angehören – wenn es nach dem Rat der Europäischen Union geht, sehr bald. Denn das EU-Gremium, dem zurzeit Deutschland vorsitzt, will das Vorhaben im Eilverfahren durchpeitschen. Am 6. November wurde der Entwurf den Delegationen des Ministerrates vorgelegt. Nun haben die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten noch bis Donnerstag Zeit, „substanzielle Kommentare“ abzugeben. Bereits wenige Tage später soll die Resolution dann durch die Ratsarbeitsgruppe zur Kooperation im nationalen Sicherheitsbereich (COSI) beschlossen werden, bevor es am 25. November zur Vorlage im Rat der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten (COREPER) kommt. Durch die als sicher geltende Annahme (man hat bereits im Voraus beschlossen, auf eine Debatte zu verzichten) wird das Dokument als Auftrag an die EU-Kommission formuliert und kann somit innerhalb weniger Wochen zu geltendem EU-Recht gemacht werden – schweigend, durch die Hintertür, und an Parlamenten und Öffentlichkeit vorbei. Die EU kann effizient sein, wenn sie denn will.

Das bereits vor November bestehende Vorhaben wurde nach dem Terroranschlag von Wien bedeutend verändert. Die Attacke soll nun als Vorwand dienen, um Überwachung zu verschärfen und selbst den Geheimdiensten Zugriff auf bisher verschlüsselte Daten gewähren – so würden betroffene nie von einer Überwachung erfahren. Wie aus weiteren Berichten des ORFs hervorgeht, würden von diesem Zugriff im Zweifel nicht nur EU-Geheimdienste, sondern auch ihre außereuropäischen Partner, wie etwa die NSA profitieren – als sogenannte „competent authorities“.

Dass nicht ein Mangel an Überwachung, sondern fatale Ermittlungsfehler und Aussetzer beim österreichischen Verfassungsschutz den Anschlag in Wien erst ermöglicht haben, wird von den EU-Regierungen natürlich gekonnt ignoriert. Das hat Tradition: In Brüssel werden Terrorakte seit Jahrzehnten mit schnöder Regelmäßigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen. Nach den Zuganschlägen in London und Madrid wurde die vorher jahrelang umstrittene Vorratsdatenspeicherung im gleichen Stil durchgebracht, bevor sie am Ende durch den EuGh kassiert wurde. Ob auch dieses mal wieder Gerichte unsere Privatsphäre schützen müssen (und wollen), wird sich noch zeigen.

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In allen öffentlichen Reaktionen wird auf das Vorhaben unisono mit Ablehnung reagiert: Die Gesellschaft für Informatik fordert ein vehementes Entgegenstellen von Parlament und Kommission. Ihr Vorsitzender, Hannes Federrath, bezeichnete die Verschlüsselung als elementar für eine liberal-demokratische Gesellschaft. „Das Grundrecht auf Verschlüsselung ist wichtig für unsere Demokratie – so wie es das Postgeheimnis in der analogen Welt war.“ „Verschlüsselung ist ein – um nicht zu sagen das wichtigste – Instrument für sichere Kommunikation im Netz“, unterstreicht Klaus Landefeld, Vorstandsmitglied des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Der geplante tiefe Eingriff schwäche die komplexen Softwaresysteme der Betreiber von Messenger-Diensten und stehe „in keinem Verhältnis zum noch unbewiesenen Nutzen bei der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung“. Es drohten breite Einfallstore für den „unkontrollierten Zugriff unzähliger Bedarfsträger und Geheimdienste aus dem In- und Ausland auf die Kommunikation der EU-Bürger“. Ganz zu schweigen von der realen Gefahr, dass kriminelle die eingebauten Hintertüren eben auch knacken und ausnutzen könnten.

Aus ähnlichen Gründen gab es bei vergleichbaren Vorhaben in den USA bereits massiven Widerstand von Tech-Giganten wie Apple. Somit würden dann US-Unternehmen mehr für unsere Privatsphäre tun als der Staat, der diese als ein Grundrecht eigentlich garantieren, nicht sabotieren sollte. Doch wie wir bereits öfter gelernt haben: Wenn die Hinterzimmer-Bürokratie in Brüssel etwas beschließt, ist das Grundgesetz im Zweifel eben nur noch ein lästiges Hindernis, welches es entweder zu umschiffen oder zu ignorieren gilt.

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Kommentare ( 21 )

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Karl Schmidt
3 Jahre her

Die Zuwanderung hat noch andere schöne Nebenfolgen: Erst wird der Terror importiert; dann bekommen die, die schon immer hier lebten, ihre Entrechtung geschenkt. Auch so verschlechtert sich der gewohnte westliche Standard durch die Politik von Merkel & Co. ganz massiv.

MartinS
3 Jahre her

Das geht exakt in die von mir erwartete Richtung. Warum tun europäische Politiker was sie tun? Angefangen beim öffnen der Grenzen, im Wissen, dass überproportional viele Terroristen und Gewalttäter einreisen. Das Geschrei des Klimawandels und des dadurch behaupteten Weltuntergangs, das Aufbauschen eines sicher nicht harmlosen aber auch nicht übermäßig gefährlichen Virus zur nicht beherrschbaren Pandemie mit Lockdown und was sonst noch kommen wird. Die Antwort ist einfach, es soll Angst geschürt und abgelenkt werden, denn Angst ist nicht nur die stärkste Waffe Gottes sondern auch der weltlichen Regierungen. Menschen die Angst haben sind leicht zu beherrschen. Wenn man die Richtung… Mehr

Silverager
3 Jahre her

Korrespondenz soll nicht mehr verschlüsselt sein, weil die grundsätzlich verdächtigen Bürger ja schriftlich Terrorakte vereinbaren könnten.
Da dürfen wir aber nicht stehenbleiben. Denn das muss natürlich erst recht für das gesprochene Wort in Wohnungen gelten. Ich schlage vor, es verpflichtend zu machen, in jedem Raum, in jedem Flur und in jedem Keller Mikrofon und Kamera zu installieren, damit der Große Bruder sich jederzeit einen Überblick über unsere terroristischen Gespräche machen kann.
Merkel muss es einfach nur beschließen. Die Klatschhasen im Bundestag winken es natürlich durch, da es ja unserer Sicherheit dient.

Thomas Riessinger
3 Jahre her

Die EU ist mindestens so kriminell wie die Mafia, aber meistens weniger effektiv. Wenn es um die Knechtung der Bürger geht, funktioniert sie jedoch bestens.

Maja Schneider
3 Jahre her

Wenn es um Einschränkungen der Freiheitsrechte oder sonstiger Interessen der Bürger oder um mehr Zahlungen geht, ist die EU immer erstaunlich schnell und effektiv, weil es die eigene Macht stärkt, aber die Sommerzeit auf Dauer abzuschaffen (nur ein Beispiel von vielen) ist offensichtlich nicht möglich, obwohl bei einer mehr als fragwürdigen und den wenigsten Menschen bekannten Umfrage im Netz sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen hat.

Ben Neva
3 Jahre her

Dauert nicht mehr lange und dann muss Tichys Einblick alle Accounts löschen die unter einem Pseudonym laufen.
So viel fehlt da nicht mehr.
Orwell hat sich nur um 36 Jahre verschätzt und die Diktaturen dieser Welt reiben sich verwundert die Augen wie dies ohne Gegenwehr so butterweich von statten gehen kann.
***unbelievable***

Ben Neva
3 Jahre her

Muss ich bald meine Hausschlüssel beim Staat abgeben, weil man die Tür nicht mehr abschließen darf ???

Gerald
3 Jahre her

Im Fall Amri ist dokumentiert, wie Sicherheitsbehörden einen Anschlag grob fahrlässig oder bewusst in Kauf nahmen. Über Ziele der Behörden können wir nur mutmassen. Ich persönlich frage mich, ob die Sicherheitsbehörden solche Leute wie den Attentäter von Wien gewähren lassen, um einen Vorwand für weitere Einschränkung von Bürgerrechten zu bekommen.

Sani58
3 Jahre her

Was kann man da als Bürger Normalo machen?
= richtig wählen. Viel bleibt sonst nicht. Und auch das wird bei uns paar 10%-Hanseln nix weiter bewirken. Schätze der gute alte Postbrief kommt bald wieder in Mode, so wie Schubkarre, Handwagen, Pferdekutsche und Baggerseeurlaub.

November Man
3 Jahre her

Die wollen nicht nur die verschlüsselte Kommunikation im Eilverfahren aushebeln, sondern die wollen die gesamte freie Kommunikation der Menschen überwachen und kontrollieren.
So werden zukünftig im gesamten Netz nur noch Meinungen, wie die von gefährlichen Islamisten und Terroristen und Hass und Hetze der linksrotgrünen Seite erlaubt sein.
Alle die sich darüber zu Recht beschweren, alle Andersdenkende werden ausgesperrt.
Meinungsmanipulation vom feinsten.
Corona ist nicht für jeden gut, aber für alles nur Erdenkliche.

Montgelas
3 Jahre her

Ein alter Araber lebt seit mehr als 40 Jahren in Chicago. Er würde gerne in seinem Garten Kartoffeln pflanzen, aber er ist allein und zu alt und zu schwach. Deshalb schreibt er eine E-Mail an seinen Sohn, der in Paris studiert. „Lieber Achmed, ich bin sehr traurig weil ich in meinem Garten keine Kartoffeln pflanzen kann. Ich bin sicher, wenn du hier wärst, könntest Du mir helfen und den Garten umgraben. Dein Vater.“ Prompt erhält der alte Mann eine E-Mail. „Lieber Vater, bitte rühre auf keinen Fall irgend etwas im Garten an. Dort habe ich meine Sachen vergraben. Dein Sohn… Mehr

azaziel
3 Jahre her
Antworten an  Montgelas

Klasse!