Die Wahl in Polen und die Enttäuschung der deutschen Medien

Unverzeihliches ist geschehen: Die Bürger Polens haben in ihrer Mehrheit nicht so abgestimmt, wie es die deutschen Medien wünschten.

imago images / newspix

Bis zuletzt hat man in Brüssel und Berlin gehofft, dass ihr Kandidat, der von den Medien als liberalkonservativ apostrophierte, in Wahrheit aber linksliberale Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, das Rennen macht. Doch alle Unterstützung hat ihn zwar weit gebracht, aber nicht ins Präsidentenamt.

Unverzeihliches ist geschehen: Die Bürger Polens haben in ihrer Mehrheit nicht so abgestimmt, wie es die deutschen Medien wünschten. Laut nationaler Wahlkommission entfielen auf Andrzej Duda 51,2 % aller Stimmen, während 48,8 Prozent Rafal Trzaskowski ihre Stimme gaben. Nach der Auszählung von mehr als 99,9 Prozent der Stimmen gilt eine Veränderung des Ergebnisses als unwahrscheinlich.

Haben die deutschen Medien bis zum Schluss in bangem Hoffen die Knappheit des Wahlergebnis beschworen, kann man nun darauf Wetten abschließen, dass melodramatische Kommentare publiziert werden, die über ein gespaltenes Land spekulieren. Betont man lange genug, dass es Rafal Trzaskowski beinah ins Präsidentenamt geschafft hat, wird man versuchen aus dem „beinah“ ein „doch noch“ zu machen.

Wenn ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Wahlen ein Beleg für bestimmte Kommentatoren für die Spaltung der Nation ist, dann dürfte für diejenigen im Gegenzug die Einstimmigkeit das wahre Kriterium einer Demokratie sein. Wie gespalten war eigentlich die junge Bundesrepublik, als Konrad Adenauer mit einer Stimme Mehrheit – und zwar seiner eigenen – 1949 zum Bundeskanzler gewählt wurde?

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"Auf jeden Fall war das früher alles viel gefährlicher als heute"
Es scheint indes, dass diejenigen, die demokratische Wahlen als „unverzeihlich“ empfinden und sie deshalb korrigieren lassen, die gern das Wort „alternativlos“ benutzen, als machten nicht gerade Alternativen das Wesen der Demokratie aus, die moralische Demokratie der repräsentativen vorziehen. Gilt es nicht, zunächst erst einmal ein Wahlergebnis zu respektieren? Schließlich hat der Souverän gesprochen.

Insofern gibt sich die FAZ der Lächerlichkeit preis oder konkurriert wieder einmal mit der taz, wenn sie Polen in ein „Lager der Sicherheit“ und ein „Lager der Freiheit“ gespalten sieht. Sicher ist die PiS kein Hort der Liberalität, aber Traszkowskis brüsseltreue PO ist es auch nicht. Man darf nicht vergessen, dass Rafal Trzaskowski von Donald Tusk gefördert wurde.

Überraschend schnell verschwand jedenfalls die Wahl in Polen, nach dem ihr Ausgang feststand, von den oberen Plätzen der Online-Ausgaben der Tages- und Wochenzeitungen. Dass die Süddeutsche Trzaskowski inzwischen als Held ohne Sieg postuliert, dokumentiert nur den intellektuellen Niedergang dieser Gazette, denn seit wann, ist jemand nur ein Held, wenn er auch gesiegt hat? Rafal Trzaskowski allerdings einen tragischen Helden zu nennen, fiel nicht einmal der Süddeutschen ein.

Auch wenn die deutsche Presse massiv Rafal Trzaskowski unterstützt hat, so lautet doch die gute Nachricht, dass in Polen schließlich eine polnische Wahl stattfand. Die Wahlbeteiligung war mit fast 70 % sehr hoch. Das Land ist also nicht gespalten, sondern im demokratischen Sinne politisiert. Die Bürger wollen über die Politik ihrer Republik entscheiden – das übrigens ist die zweitbeste Nachricht aus Polen, die beste allerdings lautet, dass echte Alternativen zur Wahl standen. Wer das nicht versteht, hat die repräsentative Demokratie nicht verstanden.

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Kommentare ( 137 )

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Slawek
3 Jahre her

Soweit ich ueberhaupt was dazu sagen kann. Der Irrtum liegt schon da, wo alle Polen politisch sein sollen. Rein historisch betrachtet, besteht grosses Misstrauen gegenueber den Oberen. Der Pole geht also zur Wahl nicht weil er von einer Partei ueberzeugt ist, sondern weil er das groessere Uebel abwenden will. Und so kann man sich auch die Wahlbeteiligung erklaeren. Bisher erschien mir jede Betrachtung der politischen Landschaft in Polen in der deutschen Presse ziemlich danaben. Man geht offenbar vom deutschen Parteiensystem aus und faengt an da an Polen herumzuinterpretieren. Der Unterschied ist der, dass die Parteienlandschaft in Polen weitaus vielfaeltiger ist.… Mehr

moorwald
3 Jahre her

Die Deutschen waren einst das „Volk der Dichter und Denker“ – später eine führende Industrienation – von 1900 bis ca. 1930 stellten die Deutschen in unglaublich dichter Folge Nobelpreisträger in Physik, Chemie, Medizin. Heute sind die Deutschen das Volk mit dem weit geöffneten Portemonnaie. Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Ein entscheidender Fehler war es wohl, daß die DDR dem Bundesgebiet „beitrat“ (der alte Art. 23. GG) und nicht eine gesamtdeutsche Verfassung nach Art. 146 ausgearbeitet und dem Volk vorgelegt wurde. Sozusagen eine Neugründung Deutschlands. Dann hätten sich auch die neuen Bundesländer nicht vereinnahmt, sondern voll dazugehörig gefühlt. Diese… Mehr

Boris G
3 Jahre her

Die Mehrheit der polnischen Wähler honoriert den national-konservativen Kurs der PiS, die das Land vor einer Masseneinwanderung von Armutsprekariat aus der Dritten Welt bewahrt hat, auf einem heiklen Kurs soziale Wohltaten verteilt und bis vor kurzem die Erfolge einer wachsenden Wirtschaft für sich reklamieren konnte. Man darf gespannt sein, wie lange dieses Wählerwohlwollen in der jetzigen herben Rezession anhalten wird.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Ich bin gerade in Polen. Und eine gewisse Spaltung lässt sich nicht von der Hand weisen. Das Medienbombardement trägt schon Früchte, bilden wir uns da mal nichts ein. Was auch vielen Polen an den Konservatriven der PiS nicht passt, ist das religiöse Geblubber. Ja, man ist katholisch, aber nicht im Mittelalter. Meine Freundin hat PiS gewählt, aber es fiel ihr schwer, eben deswegen. Und eben deswegen hat ihr Vater den linken Typ gewählt.

MRKA
3 Jahre her

Jede Partei die von Religion etc schwafelt ist unwählbar. Das Buch ‚ Kriminalgeschichte des Christentums‘ liefert unschöne Einsichten.
Null Toleranz gegenüber religiösen Pac*

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  MRKA

Naja, Sozialismus ist auch eine Religion, bloß ohne Gott. Und wenn die einen von Jesus schwafeln und die anderen von Lenin (bzw. Merkel, Gender, Diversity, Antirassimus, sozialer Gerechtigkeit, CO2, etc.), dann halte ich die Jesusspinner für das kleinere Übel.

Karl Napf
3 Jahre her

Die Polen zeigen Mass und Verstand in Politik und Alltag. Zwei Dinge, die hier zu Fremdwoertern verkommen sind, die keiner mehr versteht.

Lasst die Polen in Ruhe.

Lotus
3 Jahre her

In den gestrigen „heute“-Nachrichten um 19:00 Uhr berichtete das ZDF über das Wahlergebnis. Korrespondentin Natalie Steger zur Situation der Medien in Polen: „Öffentlich-rechtliche sind bereits fest in PIS-Hand, das haben OSZE-Wahlbeobachter heute auch moniert in einer PK; sie haben gesagt, im Wahlkampf sei TVP Wahlkampfvehikel für den Amtsinhaber, also für Duda, gewesen.“ Tja, was das ZDF bzgl. Polen kritisiert, ist in Merkel-Land so selbstverständlich, dass die ÖRR-Journos schon gar nicht mehr realisieren, wie lächerlich sie sich mit solchen Aussagen machen. Die AfD ist Oppositionsführerin im Bundestag, wird von den ÖRR aber seit Monaten einfach ignoriert und kommt fast nicht mehr… Mehr

moorwald
3 Jahre her

Eines kann man ohne große prophetische Gaben voraussagen: Bei der Bundestagswahl 2021 werden ganz andere Themen den Ausschlag geben als Klimarettung, Energiewende (höchstens als Ausstiegsoption), Genderei, Antifaschismus, Antirassismus…

Es wird ganz banal ums physische Überleben gehen. Und die Partei wird die besten Chancen haben, die am pragmatischsten und realistischsten daherkommt. – Ist noch nicht in Sicht….

moorwald
3 Jahre her

Alle EU-Mitgliedsstaaten außer dem Goldesel Deutschland verfolgen selbstverständlich knallharte Eingeninteressen.
Was in Deutschland (noch ) funktioniert: das Einlullen derjenigen, die schon länger hier leben, mit hohlen Reden – verfängt in Brüssel keine Sekunde. Da schaut jeder auf Gewinnmaximierung (finanziell) und Verlustminimierung (Aufgeben von Eigenständigkeit).

Gerro Medicus
3 Jahre her

Das war vorgestern Morgen bestens in n-tv zu sehen. Da berichtete ein Reporter direkt aus einem polnischen Wahllokal. Dort stand eine große gläserne Box, in die wohl die Wahlzettel gesteckt wurden. Der Reporter ging an diese Box heran und sagte dann, er könne „sehen“, dass der größte Teil der Wahlzettel für Trzaskowski stimmen würden und dass Prognosen einen deutlichen Vorsprung Trzaskowskis vor Duda ausweisen würden.

Meine Frau und ich haben uns nur angeschaut und dann gelacht. Diese „Nachrichten“ sind nur noch peinlich, so plump, wie die ihre Lügen und Manipulationsversuche verbreiten…

Alex70
3 Jahre her

Eines nicht so fernen Tages müssen sich die Neuen Bundedlsänder entscheiden, ob sie auf der Seite Osteuropas, als Bollwerk der Freiheit und westlichen Kultur stehen wollen oder untergehen wollen.

Geezer
3 Jahre her
Antworten an  Alex70

Wie sollen sich die neuen Bundesländer denn entscheiden, sind die autonom? Wenn Sie auf die Wählerschaft anspielen, dann wird das mit Blick auf die Wahlergebnisse immer prekärer. Mittlerweile lebt ein hoher Anteil ehemaliger Bundesbürger im Osten, weil man dort noch teilweise ungestört leben kann, wie vor 20 Jahren im Westen und auch gut eingekauft hat. Allerdings wählen diese Leute die, die für diese Zustände im Westen verantwortlich sind. Anscheinend werden aber auch extra Personen ermutigt, sich dort anzusiedeln um das Virus der grünen Ideologie zu verbreiten.