Heimliche Filmaufnahmen von Correctiv: Was sagt der Datenschutz-Experte?

Im „Ethikrat“ des Medienunternehmens Correctiv sitzt ausgerechnet der frühere Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar. TE fragte ihn nach seiner Sicht. Die Antwort ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Imago
Peter Schaar auf der Demo „Freiheit statt Angst“ in Berlin am 30.08.2014: Mehrere tausend Menschen demonstrierten vor dem Brandenburger Tor gegen Überwachung und die Datensammel-Wut der Nachrichtendienste. Mehrere Organisationen u.a. der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Reporter ohne Grenzen und der Chaos Computer Club hatten zur Demo aufgerufen.

Eine Besonderheit der Correctiv-Veröffentlichung unter der Überschrift „Geheimplan gegen Deutschland“ – in der es in Wirklichkeit um die Vorstellung eines längst bekannten Buchs in einer privaten Runde ging – besteht in der Methode der Nachrichtenbeschaffung. Nach Angaben von Correctiv filmte ein Mitarbeiter der Medienplattform die Veranstaltung in dem Potsdamer Hotel „Landhaus Adlon“ heimlich. Das führt zu der Frage: Wie bewertet der „Ethikrat“ von Correctiv den unerlaubten Video-Mitschnitt einer Privatveranstaltung?

Correctiv: Mit Staatshilfe und Milliardärs-Geld „für die Gesellschaft“
Im Correctiv-Ethikrat sitzt ein prominenter Fachmann für die Frage – der langjährige Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar, nebenbei Parteimitglied der Grünen.

TE fragte Schaar nach seiner Bewertung des Vorgangs aus Datenschutz-Sicht. Seine Antwort ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen teilt er mit: „Der Correctiv-Ethikrat hat sich mit der von Ihnen angesprochenen Recherche noch nicht beschäftigt, ich gehe allerdings davon aus, dass dies in absehbarer Zeit geschehen wird. Persönlich war ich in die rechtliche Bewertung bisher nicht einbezogen.“ Das überrascht – denn als Begründung für die relativ lange Zeit zwischen dem Treffen in Potsdam, das den Gegenstand der vorgeblichen Enthüllung bildet, und der Veröffentlichung des Textes am 10. Januar 2024 führt Correctiv auf der eigenen Webseite an, es sei eben eine gründliche Prüfung des Materials nötig gewesen, auch unter rechtlichen Gesichtspunkten.

„Bei der anstehenden Bewertung durch den Ethikrat“, kündigt Schaar an, „wird die datenschutzrechtliche Dimension eine bedeutende Rolle spielen.“ Allerdings gibt er schon einen Hinweis, dass er in den heimlichen Filmaufnahmen vermutlich keinen Verstoß gegen ethische Prinzipien und Datenschutzrichtlinien sehen wird. „Wie Ihnen sicher bekannt ist“, so Schaar gegenüber TE, „hat Deutschland von der durch den Art. 85 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die allein journalistischen Zwecken dienende Verarbeitung personenbezogener Daten von der Anwendung zentraler Teile der DSGVO auszunehmen. Dieses ‚Medienprivileg‘ wird für die Presseunternehmen und deren Hilfsunternehmen durch die Landespressegesetze garantiert. Für die elektronischen Medien finden sich entsprechende Bestimmungen in den einschlägigen Staatsverträgen. Als Medienunternehmen bekennt sich Correctiv zum Pressekodex des Deutschen Presserats und den darin formulierten ethischen Standards für den Journalismus. Dementsprechend werden die dort niedergelegten Anforderungen bei der Bewertung der von Ihnen angesprochenen Recherche durch den Ethikrat herangezogen werden.“

Gerade die Begründung, die heimlichen Aufnahmen seien allein zu journalistischen Zwecken angefertigt worden, steht allerdings auf wackligen Beinen. Denn Correctiv veröffentlichte das Video oder Teile daraus bisher nicht, sondern erklärte, der Mitschnitt habe nur der internen Auswertung gedient. Möglicherweise gibt es einen guten Grund für die Medienplattform, die Aufnahme nicht zu zeigen: Für zentrale Behauptungen – etwa, die Teilnehmer des Treffens hätten über massenhafte Ausbürgerung von Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft gesprochen – präsentierte Correctiv bisher weder wörtliche Zitate noch andere Belege. Anderen Darstellungen in dem Correctiv-Text widersprechen Teilnehmer vehement. Die Videoaufnahme könnte also geeignet sein, wichtige Punkte des Textes sogar zu widerlegen.

Bisher gibt es eine Strafanzeige der AfD-Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy, einer Teilnehmerin der Potsdamer Veranstaltung, gegen Correctiv. Außerdem geht eine Anwaltskanzlei gegen verschiedene Darstellungen von Correctiv vor. Abgesehen von der datenschutzrechtlichen Bewertung dürfte demnächst auch die Frage anstehen, ob die gegen ihren Willen gefilmten Teilnehmer der Veranstaltung von Potsdam die Herausgabe des Videomaterials verlangen können.

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Kommentare ( 80 )

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jopc
2 Monate her

Ibiza läßt grüßen.
Da wurde auch ein 90 sec Filmchen aus 6 Std zusammengeschnitten.
NUR:
Der gesamte Film ergab das genaue Gegenteil von dem was in dem 90 sec Pamphlet gezeigt wurde.
Aber er wurde monatelang zurückgehalten um darauf herumreiten zu können.

Thorsten
2 Monate her

Das sich der Ethikrat mit den Aufnahmen NICHT beschäftigt haben will, ist ein unerhörtes Manko in dessem Arbeit, da BESONDERS diese Veröffentlichung einen großen gesellschaftlichen Einfluss hat.
Offensichtlich ist diese Ethikrat ein „Feigenblatt“ dessen Kultur in dieser NGO nicht „gelebt“ wird. Er ist also überflüssig wie ein Kropf.

A rose is a rose...
2 Monate her

Wieder nichts als Vorverurteilungen, bislang ohne irgendwelche Beweise, dafür bereits jetzt massive Konsequenzen für die Beteiligten.
Erinnert irgendwie an die Causa Maaßen, bei der sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass keine der aufgestellten und durch Medien und Regierung aufgebauschten Behauptungen der Wahrheit entsprachen. Irgendwann dann eine kleine Randnotiz auf Seite 3: „wir haben uns geirrt“, was kaum jemand mitbekam und auch keine weiteren Folgen hatte.

Chris Friedrich
2 Monate her

Die Stasi hatte sich ihre Legitimationen auch selbst erstellt. Warum sollte Haldenwang und Konsorten nicht von den Elefantenohren der Stasi-Verbrecher gelernt haben?

McIre
2 Monate her

Correctiv ist eine gemeinnützige GmbH. Folgende Erklärung mag hilfreich sein. Der Geschäftsführer eines gemeinnützigen Vereins zur Notfallrettung hat mir mal erklärt, was “gemeinnützig“ heißt. Man muß gemein und sich selber nützlich sein! Gewinne werden nicht ausgewiesen, da sie in Büroausstattung, teure Dienstwagen und Geschäftsführer Gehälter etc. investiert wurden. Genau das macht: CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH. Diese angeblich so korrekten Recherchen mit Stasimethoden brauch die Welt nicht! Bei der Eintragung eines Vereins und der Beantragung der Gemeinnützigkeit beim Finanzamt wird normalerweise sorgfältig geprüft ob der Verein gemeinnützig ist. Wir wurden sogar vom Finanzamt aufgefordert, einen vorgegeben Text… Mehr

Helfried Petersen
2 Monate her

Hier stimmt etwas nicht: Die Teilnehmer wurden angeblich gefilmt, ja richtig, aber nicht während des Treffens, sondern auf dem Gelände. Später wurde davon berichtet, dass in einer Wanduhr im Raum des Treffens eine Wanze gefunden wurde. Mit dieser Wanze – und nicht mit den Videos wurden Gespräche des Treffens hinter verschlossener Tür aufgezeichnet. Während also die Videos (ich las von 3 Kameras) vermutlich von Correctiv eingerichtet wurden, war das sicher nicht der Fall bei der Wanze – die muss im Auftrag von Haldenwang platziert worden sein. D.h. mögliche Zitate, um deren Veröffentlichung man sich drückt, weil sie nicht hergeben, was… Mehr

Kampfkater1969
2 Monate her

„hat Deutschland von der durch den Art. 85 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die allein journalistischen Zwecken dienende Verarbeitung personenbezogener Daten von der Anwendung zentraler Teile der DSGVO auszunehmen.

Das hat mit dem Vorfall überhaupt nichts zu tun. Im Rahmen der DSGVO geht es um einen ganz anderen Aspekt des Datenschutzes. Mit dieser Begründung könnten die Journalisten jedes Schlafzimmer verwanzen!
Datenverarbeitung und Informationsbeschaffung sind ein paar völlig verschiedene Paar Stiefel!

Ralf Poehling
2 Monate her
Antworten an  Kampfkater1969

Volltreffer. Für eine solche Überwachung/Infiltration wie in Potsdam braucht es einen richterlichen Beschluss und Personal mit hoheitlichen Rechten. Eine private Organisation wie Correctiv hat so etwas nicht und kann so etwas auch nicht bekommen. Hätte Correctiv diese Informationen nur zufällig bekommen und diese dann bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, wäre das der rechtlich korrekte Weg gewesen. Aber genau das ist hier nicht der Fall. Und da wird’s spannend: Geheimdienste sind dafür bekannt, ohne richterlichen Beschluss Daten zu sammeln. Üblicherweise halten sie diese unter Verschluss, weil sie nicht gerichtsverwertbar sind und nur im Rahmen der Hinterzimmerdiplomatie als Hebel genutzt werden… Mehr

woderm
2 Monate her

Sofern die kolportierten Behauptungen der ausspähenden Organisation nicht belegt werden können, ist lediglich von einer Verleumdung auszugehen.

Dellson
2 Monate her

Im Wilden Westen hat der Großgrundbesitzer gegen renitente Konkurrenz einfach einen Revolverhelden, einen Killer angeheuert und für die Drecksarbeit bezahlt. Er sollte einfach die störenden Gegner seiner Macht Ausübung ausschalten. Diese Taktik hat sich bis heute nicht geändert! Wer nicht käuflich ist, der wird vernichtet! Die entscheidende Frage für den kritischen Bürger in unserer überbordenden Medienlandschaft ist doch, warum können die Qualitätsmedien mit ihrem riesigen Journalisten Recherchestaat nicht etwas informativ recherchieren, was man nun dieser Räuberpistolenaktivistentruppe überlassen hat? Was ist das für ein Armutszeugnis, bzw. ist das eine klare Offenbarung der inszenierten Empörung. Napoleon sagte, er liebt den Verrat, hasst… Mehr

RUEDI
2 Monate her

Wo sind die vielen Investigativen,achso freien Journalisten in den eigenen Reihen, mit Ihren postulierten ethischen Grundsätzen, die diese „überwachte“ Veranstaltung demskieren – als Räuberpistole, im Auftrag des Politisch- Medialen- Komplexes zur Implementierung eines Meinungsdiktatorischen Regimes.
Tellkamp sprach einst vom Meinungskorridor in einem Streitgespräch. Er kann sein neues Buch nach dem „Der Schlaf in den Uhren“ umbenennen:
„Die Getrieben – Der Gang der Schafe ins Meinungsgatter“