CDU-Politiker Zimmer bestätigt „System der Absprache“ in der Partei

TE berichtete über eine undemokratische Übereinkunft in der Frankfurter CDU. Ein als treuer Merkalianer bekannter CDU-Bundestagsabgeordneter ärgert sich jetzt in einer Email über die Zerstörung dieses „Systems der Absprache“ – denn er wurde trotzdem abgewählt.

IMAGO / Christian Spicker
Matthias Zimmer (CDU)

Vor einigen Tagen hat die Frankfurter CDU ihre Kandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Wider Erwarten wurde der Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer nach 12 Jahren nicht mehr nominiert, der zur „Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA)“ gehört, also dem linken Parteiflügel. Stattdessen wurde Axel Kaufmann, ein Vertreter des konservativen Flügels, gewählt. Zimmers Abwahl bedeutete den Bruch mit einer undemokratischen Tradition, die nach einer TE-Recherche seit Jahrzehnten in Frankfurt herrscht.

Seit den 70er Jahren existiert in der Frankfurter CDU eine „Übereinkunft“, dass die „Christlich-Demokratische Arbeiternehmerschaft“ (CDA) – der linke Flügel – und die „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ (MIT) – der rechte Flügel – sich die Vergabe der vorderen Listenplätze aufteilen. Das Duopol aus MIT und CDA galt auch jahrelang für die zwei Frankfurter Bundestagswahlkreise: Für Frankfurt-West wurde ein CDA-Mitglied, für Frankfurt-Ost ein MIT-Mitglied nominiert. Die Entscheidungsgewalt und Vergabe der Listenplätze liegt demnach hauptsächlich in den Händen von fünf Politikern: Stadtrat Jan Schneider, Bürgermeister Uwe Becker, Bundestagsabgeordneter Matthias Zimmer, Landtagspräsident und MIT-Vorsitzender Boris Rhein, dessen Stellvertreter Ralf-Norbert Bartelt.

Zimmer: „das System der Absprachen in Frankfurt zerstört“

Für den Bundestagsabgeordneten Matthias Zimmer, der nicht nur in der Frankfurter CDU als „treuer Merkelianer“ gilt, war dies eine schwere politische und wohl auch persönliche Niederlage. TE liegt eine Email von Matthias Zimmer vor, in der er sich über den Bruch dieser autoritären Strukturen innerhalb der CDU echauffiert. In der Email an CDU-Mitglieder heißt es wörtlich:

„Ich habe immer gewollt, dass wir als CDA sichtbar sind – und das thematisch profiliert vertreten. Das missfällt einigen, die für Volkspartei nur das halten, was aus der Wirtschaft kommt. Das hat letztlich auch das System der Absprachen in Frankfurt zerstört. Die MIT-Führung war nicht in der Lage, ihr gegebenes Wort einzuhalten. Mehr noch: Gegenüber den teilweise groben Angriffen auf meine Person während der Delegiertenkonferenz aus den Reihen der MIT bin ich nicht in Schutz genommen worden – ganz so, als ob diese Angriffe mit klammheimlicher Freude zur Kenntnis genommen wurden.“

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Als TE im Zuge der Recherche vor einigen Wochen Matthias Zimmer mit der Beschuldigung dieser „Übereinkunft“ konfrontierte, blieb eine Antwort aus. Doch nun hat er diese höchst undemokratische Übereinkunft indirekt bestätigt. Während der Delegiertenkonferenz zur Nominierung der Kandidaten für den Bundestag haben in der Fragerunde einige Mitglieder Zimmer kritisiert und sprachen sich für einen konservativeren Kurs der Partei aus.

TE zeigte an dem Beispiel Frankfurt/Main auch, wie sich innerhalb der CDU ein System der Angst etabliert hat, das zur weitgehenden Entmachtung der Parteibasis führte. Mitglieder berichteten von Einschüchterungen, die bis zu Erpressung reichen. Die Forderung ist stets: „Entweder politische Gefolgschaft oder du wirst nichts mehr.“ Wer nicht auf der Linie Merkels und des linken Flügels ist, wird innerparteilich bekämpft.

Vor dem zweiten Wahlgang für den Frankfurter Wahlkreis Ost wurden CDU-Parteimitglieder, die TE über Missstände berichteten, von der Bundestagsabgeordneten Bettina Wiesmann scharf angegriffen: „Der Artikel in Tichys Einblick betreibt Parteischädigung aus den eigenen Reihen.“ Dafür gab es keinen Applaus und sie wurde mit nur 69 Ja- und 20 Nein-Stimmen nominiert. Damit offenbarte Wiesmann die innere Verfassung der CDU: Es darf keine Kritik innerhalb der Partei aufflammen, sowie keine Kritik nach außen dringen. Wer dies tut, wird gebrandmarkt.

Die Ereignisse von Frankfurt zeigen, dass undemokratische Machtstrukturen in der CDU nicht unüberwindbar sind. Die Frankfurter CDU könnte ein Vorbild für andere Kreisverbände sein, in denen ähnliche Verhältnisse herrschen.

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Kommentare ( 42 )

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martin ruehle
3 Jahre her

Wen überrascht das??! Dass sich die Parteien den „Staat zur Beute“ machen (Prof. Hans Herbert von Arnim) und „Cliquen, Klüngel und Karrieren“ (Prof. Erwin u. Ute Scheuch) die Politische Klasse zu dem machen, was sie ist – eine „machtbesessene Räuberbande“, ist seit langem traurige Realität im Parteienfilz der Bundesrepublik. Erwin Scheuch, der 2003 verstorbene Prof. für Soziologie (Köln) und seine Frau haben dazu bereits vor fast 30 Jahren eine detaillierte Analyse der „Filzokratie“ vorgelegt. Ironischerweise beruhte das Buch auf einer Studie über den Zustand des deutschen Parteiensystems, die die CDU Nordrhein-Westfalen anlässlich der Wiedervereinigung in Auftrag gegeben hatte. Als die… Mehr

Last edited 3 Jahre her by martin ruehle
Manfred_Hbg
3 Jahre her

Mhh, WO bleibt hier eigentlich die sog. WERTEUNION der CDU mit Herrn Maaßen u. Kollegen??

Sollte nicht grad die Werteunion an diesen „demokratischen“ CDU-Strukturen interessiert sein?

friedrich - wilhelm
3 Jahre her

…..ein system der absprache wird es auch zwischen regierung und bundesverfassungsgericht geben! jedenfalls deuten manche gerichtsurteile und klageabweisungen darauf hin!

89-erlebt
3 Jahre her

Der Geist der SED ist überall in der Merkel Truppe zu finden. Ein widerlicher Selbstbedienungsladen zum Schaden von Land & Leuten, angeführt vorn einer selbstherrlichen, realitätsfernen Person mit einer mehr als hinterfragwürdigen Vergangenheit mit DDR Reisepass.
Und so was haben die lieben West Brüder *innen all die Jahre zu ihrer „All-Macht“ verholfen.

A. Loeffler
3 Jahre her

Auch und gerade in Rhein-Main wirbt die CDU um junge Mitglieder. Keine Gelegenheit lassen Bouffier&Co. aus, um besonders junge Frauen zum Mitmachen zu animieren. Und jetzt das? Da werden ja Albträume junger Leute wahr über Gängelei und Ganz-hinten-an-stellen. Das sind keine Decken aus Glas, sondern Deckel aus Stahlbeton, auf denen oben HERR Zimmer (HERR Bouffier, HERR Rhein, HERR Penz, HERR …) sitzt und grinst.

Oliver Koenig
3 Jahre her

Herr Zimmer ist also der Ansicht, dass die Absprachen in Ordnung waren, solange sie ihm dienten, aber jetzt nicht mehr?

USE
3 Jahre her

In ihren Parteizirkeln können die machen was sie wollen. Und wenn sie mit einer Kerze um einen Tisch laufen. Niemand wird gezwungen, mitzumachen. Ganz anders sieht es im BT aus. Hier ist der gewählte Abgeordnete aussschließlich seinem Gewissen verpflichtet und nicht dem Fraktionszwang. Eigentlich…

M. Graf
3 Jahre her
Antworten an  USE

Das Problem ist doch, dass wegen dieser Parteizirkel, niemand Bundestagsabgeordneter wird, der sich nicht dem System beugt. Und deshalb haben wir seit Jahren eine grauenhafte Eliten-Rekrutierung in der Politik. Alles nur zweit- und drittklassig. Schauen Sie sich doch mal die Biographien an. Mauz-Widman, Göring-Eckardt, Roth, Tobias Hans, Ziemiak, Kühnert, Esken. Das gibt es in keinem anderen Land.

Heimatland
3 Jahre her

Ja sie hoffen, dass die Zwillingsschwester von Merkel, auch genannt Laschet, an die Macht kommt, dann werden aus den Merkelanern eben Laschetaner. Sie sind unwählbar, sogar unser MP aus Bayern, leider auch ein Umfaller geworden.

Kanahlen
3 Jahre her

Für mich stellt sich die Frage, war die CDU schin immer so, oder gibts das Phänomen erst seit 2005?

G Koerner
3 Jahre her

Wieder so ein Mimimi… Wieder so einer, der sich fragt: „Was wird denn nur aus mir?“ Leute, die aus dieser vollversorgten Vollkaskomentalität Klage führen, haben es nicht besser verdient abserviert zu werden! Fehlt nur noch ein gesonderter Opferstatus für entmerkelte CDU-Abgeordnete.