CDU-Ministerpräsidenten stehen hinter Laschet als Kanzlerkandidat

Söders Plan, in Merkels Windschatten Kanzler zu werden, scheint nicht aufzugehen. Die zuletzt gedemütigten Ministerpräsidenten wenden sich immer mehr vom fränkischen Hardliner ab. Jetzt beginnt die Stunde des vorsichtigen Opportunisten. Vielleicht nicht das Schlechteste.

IMAGO / Political-Moments

Fast scheint es so, als wäre es schon wieder vorbei mit der zur Schau gestellten Einigkeit. Während Söder und Laschet gestern wie die engsten Freunde sich beim Vornamen nennend vor die Presse traten und erklärten, die Kanzlerfrage solle „getragen von einem gemeinschaftlichen Geist der Verantwortung“ entschieden werden, scheint davon heute keine Rede mehr zu sein. Denn Laschet zieht die nukleare Option: Aus dem CDU-Präsidium hieß es heute vormittags, dass eine breite Mehrheit den CDU-Vorsitzenden als Kanzlerkandidaten unterstützt. Zwar wurde wie besprochen keine offizielle Abstimmung durchgeführt – aber das Signal zählt. Und eine erklärte eindeutige Meinung bedeutet praktisch schon die Entscheidung. Gestern erklärte Söder, er wolle nur Kandidat werden, wenn die CDU das auch wolle. Am Präsidium der Partei wird man also nicht vorbeikommen – und das sagt: Laschet. Später am Tag tagt das CSU-Präsidium, aber was kann die kleine Schwesterpartei jetzt schon noch groß unternehmen?

In der CDU sprach sich bisher nur der Berliner Landesverband offen für Söder aus. Der bayerische Ministerpräsident hat Anhänger bei der „großen Schwester“, insbesondere, so heißt es, auch in der Bundestagsfraktion. Seine MP-Kollegen aber scheinen ihm den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur verwehren zu wollen. Schließlich hatte er als Lockdown-Paladin an der Seite der Kanzlerin sie immer wieder für das Ausscheren aus der Merkellinie angegriffen.

Auch der doppelt gescheiterte Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz meldete sich bereits gestern zu Wort. Er, der bekanntlich nicht als großer Laschet-Vertrauter gilt, erklärte, dass sich die CDU den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur nicht nehmen lassen solle – Söder solle lieber die Landtagswahl in Bayern gewinnen, giftete Merz. Seine Hoffnung: Behält Söder seinen „Platz in Bayern“, besorgt ihm sein Kumpel Armin einen Platz am Kabinettstisch. Seine Hoffnung wird wohl mal wieder enttäuscht werden, aber das nur am Rande.

Das von den CDU-Ministerpräsidenten und ihren Vertrauten dominierte CDU-Präsidium will den Ober-Opportunisten Laschet und nicht den Ober-Hardliner Söder. Das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Denn Opportunisten wissen, dass sie mit einem ewigen Lockdown keine Volksmassen begeistern können. Zuletzt erkannte das der einstige Merkelliebling Tobias Hans im Saarland, der auf einmal an der Spitze der Öffner steht. Die anderen Ministerpräsidenten scheinen diesem Weg nun vorsichtig zu folgen, immer mehr melden zumindest bedenken gegenüber Merkels Bundeslockdown an. Sie sind zu ängstlich und vorsichtig um den offenen Schlag auszuführen. Helden der Aufmüpfigkeit sind sie alle nicht. Aber für den ewigen Besser-Söder hat man auch keine Sympathien übrig.

Der wird sich wohl sagen: Er kann nur gewinnen und nicht verlieren. Wenn Laschet Kandidat wird und ein voraussichtlich schlechtes Ergebnis einfahren wird, kann Söder sagen: Seht ihr, mit mir wäre das anders gekommen. Aber so einfach ist es nicht: Söder war schon auf dem absteigenden Ast, nur Corona hat ihn nochmal hochkatapultiert. Aber die Beliebtheitshöchststände der Lockdown-Hardliner schmelzen dahin – ihre Welle wird an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität der Folgen des Lockdowns brechen. Wenn Söder jetzt nicht Kanzler wird, wird er es wohl nie mehr. Er hat während der Corona-Pandemie zu viel riskiert und zu viel auf kurzfristige Beliebtheitsschübe gegeben.

Laschet war da taktisch klüger. Er ist ein umprofilierter Mittelharter, die Bevölkerung wird ihn nicht mit dem Lockdown-Desaster identifizieren – er kann diese Krise politisch überleben. Zur Zeit redet er nur von Klima, Quoten & Co. – er will medial nicht in die Kritik geraten. Aber in den nächsten Jahren wird er sein Segel in den Geist der Zeit stellen. Und die CDU kann nur Wahlen gewinnen, wenn sie die Ära Merkel beendet.


Von Max Roland und Air Türkis. 

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Kommentare ( 65 )

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moorwald
3 Jahre her

Journalisten glauben gern ihren eigenen „Narrativen“. So nehmen manche dieses Gerangel – bei dem es sich um Theaterdonner oder Schaulaufen für ein naives Publikum handelt – für bare Münze. Ganz besonders sehen sie darin schon die zukünftige Politik samt Koalitionen vorgezeichnet. Die deutsche Wirklichkeit wird eine Politik erzwingen, die endlich wieder weitgehend zur Realität zurückfinden muß – nach so vielen Jahren der Kindereien und der Pfuscherei. Dei besten Chancen wird der haben, der Politik als technische Herausforderung begreift und darstellt. Politik nicht als verstiegene, kostspielige Utopie, sondern als Aufgabe, hier und jetzt. Solch eine technizistische von Politik würde gerade den… Mehr

Demokratius
3 Jahre her

Mit Verlaub, lieber Herr Tichy: es geht hier nicht um eine irgendwie geartete Opposition gegen die gottgleiche Bundeskanzlerin, sondern um das Gerangel der Hyänen um die Fleischtöpfe der Macht und der damit verbundenen Vorteile.

moorwald
3 Jahre her

Lucas Wiegelmann in der WELT: „Angela Merkel hat sich getäuscht oder verzockt“
Dazu ein schlimmes Foto…
Merkel wird Schritt für Schritt und immer schneller entzaubert.

HoWa
3 Jahre her

Dies sind die realen Probleme dieser Mischpoke – Postengeschacher und freuen sich schon darauf, dass Merkel (wobei nicht klar ist ob nicht doch noch 4 Jahre ?) deren das Durchregieren gerade vorbereitet. Der Dank wird Merkel gelten und man wird weiterhin dienlich sein !

faunino
3 Jahre her

Sehr schön! Söder wird Kandidat. Mag er in Bayern eine Mehrheit holen („endlich ein Bayer an der Spitze“), mag der BR seit heute zur Propagandaschlacht aufbrechen, das Gesamtvolk ist des ewigen Eingesperrtseins, des Zwangstestens von Kindern und anderen, der Luftnot unter der Maske müde und wird ihn nicht wählen. Soll er antreten! Es gab schon andere Profilneurotiker aus Bayern, die sich eine blutige Nase holten (1980/2002). Soll er!

Knilch
3 Jahre her

Ich verstehe diese ständige Kaffeesatz-Leserei um einen Unions-Kanzlerkandidaten einfach nicht.
Sollte sich die Union im Herbst tatsächlich immer noch als stärkste Kraft profilieren können, ist die Kanzlerfrage doch erneut offen.
Zur Erinnerung:
Die EU-Kommissionspräsidentin war vor der Wahl nicht gesetzt – und jetzt ist sie’s.
Könnte doch bei der Kanzlerin genauso laufen, zumal sie bisher den Grünen doch jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat.
Mir graut!

Last edited 3 Jahre her by Knilch
Heiner Hannappel
3 Jahre her

Eigenartig. Wo bleibt eigentlich Merz, der Liebling der CDU-Basis. jetzt wird in der merkeltreuen CDU Führungsriege Armin Laschet gekürt. Der steht dann da und macht, was „Mutti“ sagt. Und wenn er das nicht macht, was dann? Schwingt sich „Merkelunersetzbar“ dann, nachdem sie Laschet ihre Gunst mit Intrigen entzogen hat, erneut in die nächste Legislaturperiode? In diesem erbärmlichen Kanzlerwahlverein CDU ist alles möglich. Es ist schon kurios, dass eine scheidende Kanzlerin anscheinend ein Mitspracherecht bei der Kür des nächsten Kanzlers hat, obwohl die CDU Basis Merz will. Kneift Merz, weil er sich einen guten Ministerposten erhofft? Hat Merz das nötig? Ich… Mehr

Demokratius
3 Jahre her
Antworten an  Heiner Hannappel

Egal wer von den derzeitigen Führungsfiguren das Rennen um den Kanzlerposten gewinnen wird – keinem von denen geht es um das Wohlergehen des deutschen Volkes und die Wiedereinführung der Demokratie. Die Basis der CDU müsste eigentlich Nase voll haben von der bisherigen Politik ihrer Volksvertreter.

Gerd Sommer
3 Jahre her

Laschet: Die ertrickste Kandidatur?

Und- Demokratischer Prozess in der Unjon? Aber keinerlei Spielregeln für politische Entscheidungsprozesse, höhöhöhö…

MajorTOm
3 Jahre her

Wie hatte Konrad Adam einst geschrieben: Aus, aus, das Spiel ist aus! Mit der Kandidatur von Armin Laschet hat sich die CDU endgültig von der Realität losgesagt und um das klarzustellen – ich bin weiß Gott kein Fan vom Opportunisten und Wendehals Markus Söder, aber jemanden aufszutellen, der weniger als 20% in der Bevölkerung an Rückhalt hat, entgegen einem Söder, der fast 60% einholt, da fehlen mir die Worte. Die CDU hat damit ein „Weiter so“ und einen Verwahrer von Merkels Erbe gewählt und von dieser Partei ist somit nichts mehr zu erwarten. Ich habe es geahnt, als Merz nicht… Mehr

Demokratius
3 Jahre her
Antworten an  MajorTOm

Von Bayern habe ich den Reim gehört: “ Wenn du glaubst, es geht nicht blöder kommt ein Kommentar von Söder“. Es steht zu vermuten, dass er im Falle eines Wahlerfolgs Merkels Erbe nicht nur fortsetzen, sondern die Macht des Kanzleramtes noch weiter ausbauen würde.

Holger Tuerm
3 Jahre her

Söder ist eine Pfeife. Er möchte nur Kanzler spielen, wenn er von der CDU eingeladen wird. Früher wollten Kandidaten unbedingt Kanzler werden, haben dafür gekämpft ihr Ziel zu erreichen. Aber Söder hat ja kein Ziel, außer vielleicht der Beliebigkeit und den Zeitgeist.
Ein Hund, den man zum Jagen tragen muss, taugt nichts.

Babylon
3 Jahre her
Antworten an  Holger Tuerm

Sonderlich gekämpft hat er nicht. Ohne Zustimmung der CDU kann er allerdings nicht Kandidat werden. Damit er Kandidat hätte werden können, hätte die CDU ihren gerade gewählten Vorsitzenden rauskicken müssen. Wenn Söder das erwartet hat, wäre er wohl Träumer gewesen aber kein Realist. Die Unionswähler wollen Söder als Kandidaten genau so wie die CDU-Basis Merz als Vorsitzenden wollten. Spielt alles keine Rolle in den Überlegungen der Funktionärskaste.