Vorgetäuschte Moral – Heuchelei als Geschäftsmodell

Viele Wirtschaftsunternehmen möchten nicht mehr zugeben, dass sie Gewinn machen wollen. Ihre Geschäftsentscheidungen begründen sie lieber ganz und gar unökonomisch. Mit Schein-Ethik wird der Verbraucher für dumm verkauft.

IMAGO

Inzwischen gibt es so gut wie keine Handlung mehr in Deutschland, die nicht moralisch überhöht wird. Das gilt nicht nur in der Politik, wo es die grün-linken Neo-Jakobiner ja längst geschafft haben, dass vermeintlich gute Absichten wichtiger geworden sind als tatsächlich verheerende Folgen.

Der Ungeist, auch noch den kleinsten Schritt irgendwie ethisch zu begründen, hat längst auch die Wirtschaft erfasst. Das Wort „Profit“ wird gemieden, obwohl es die unverzichtbare Grundlage nicht nur jedes Unternehmens ist – sondern unseres Wohlstands insgesamt, unserer Kultur und unserer Lebensart.

Manchmal treibt dieser Drang, jedwedes Gewinnstreben unbedingt zu verbergen, sehr skurrile Blüten.

Das mittlerweile leider recht heruntergekommene „Kranzler-Eck“ in Berlin ist eine Einkaufs- und Geschäftspassage am mittlerweile leider nicht weniger heruntergekommenen Kurfürstendamm. Im öffentlich begehbaren Innenhof des Gebäudekomplexes stehen seit einem knappen Vierteljahrhundert zwei große Volieren.

Beide sind jeweils 22 Meter hoch, imposant und ein Besuchermagnet. Ursprünglich lebten dort mehr als 100 Sittiche. Inzwischen sind es noch 15 Vögel – doch noch in dieser Woche werden auch die verschwunden sein. Die Volieren werden abgebaut.

Die Liegenschaftsverwaltung – neudeutsch „Facility Management“ – erledigt seit Jahren die Firma Apleona. Sie begründet den Auszug der Sittiche gegenüber der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ mit leicht irritierendem Pathos: „Wir können die Käfighaltung mit unserem Gewissen nicht länger vereinbaren.“

Das überrascht etwas, denn die Vögel werden keineswegs ausgewildert. Das würden die Tiere, die niemals in freier Natur gelebt haben, auch keine zwei Tage überleben. Die Sittiche werden in die Vogelburg Weilrod im hessischen Naturpark Hochtaunus verlegt. Dort hält man sie, wir ahnten es schon, natürlich weiter in Volieren.

Dass Vögel in Volieren leben, können die Damen und Herren bei Apleona also offensichtlich sehr gut mit ihrem Gewissen vereinbaren. Nur sollen es bitteschön nicht die eigenen Volieren sein. Der Volksmund hat dafür den Begriff Sankt-Florians-Prinzip geprägt:

„Heiliger Sankt Florian:
Verschon’ mein Haus, zünd’ andre an.“

Allerdings darf man bei näherer Betrachtung bezweifeln, dass Apleona tatsächlich irgendein wie auch immer gelagertes Interesse an den Sittichen hat. Deren Umsiedlung dürfte vielmehr handfeste wirtschaftliche Gründe haben: Die Volieren sind alt und sanierungsbedürftig. Ihre Instandsetzung wäre recht teuer geworden.

Außerdem hat der Versicherungskonzern Axa, dem das ganze Areal gehört, Pläne für eine weitgehende Neugestaltung. Der Innenhof, in dem jetzt die Volieren stehen, soll begrünt und künftig als Veranstaltungsort genutzt werden. Damit, auch das ahnten wir, sollen mehr Besucher angelockt werden, mit denen sich dann mehr Geld verdienen lässt als bisher. Das ist völlig normal in der Marktwirtschaft – oder sollte es sein.

Doch stattdessen tischt uns Apleona das Märchen vom Gewissen auf.

Glenn Close hat in Hollywood eine beachtliche Karriere als Filmschauspielerin gemacht. Mit vorgetäuschter Moral kennt sie sich also aus. Ein Zitat der US-Künstlerin über ihre Zeit im Kino-Business passt perfekt zu unseren Berliner Vogelkäfigen:

Das Gegenteil der Heiligen sind nicht die Sünder, sondern die Scheinheiligen.

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Kommentare ( 23 )

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Rob Roy
25 Tage her

Als die Gegend noch wirklich belebt war, mit Kaufhaus Bilka und selbst noch mit Karstadt Sport, war der Hof mit den Volieren eine Oase der Ruhe. Gerne habe ich farbenprächtigen Sittiche beobachtet. Doch in den letzten Jahren hat kaum noch jemand die Tiere überhaupt noch wahrgenommen. Eine Voliere wurde bereits geschlossen. Auch wenn einige solche Orte der Ruhe vielleicht als überflüssigen Schnickschnack empfinden, es war eine Institution, von der nur wenige wusste. Was gut war, damit die Vögel ihre Ruhe hatten.

BK
25 Tage her

In Deutschland ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht zu gründen, ist doch sehr abenteuerlich. Es gibt zu viele Variable, die im Politbüro entschieden werden. Wenn Sie Pech haben, dann will niemand einen Job von Ihnen, weil das Bürgergeld den Einkommenszwang völlig entschärft hat. Dreckige Wäsche müssen Sie heute schon irgendwo auf dem Balkan waschen lassen, weil Hotels und Krankenhäuser kein Geld haben. Denn die Krankenkassen sind chronisch unterfinanziert und bei Zimmerpreisen von 199 Euro überlegt sich jeder Gast, ob er dafür nicht Urlaub in Tunesien macht. Handeln Sie am besten nach dem ökonomischen Grundsatz: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“.… Mehr

Reinhard Schroeter
24 Tage her
Antworten an  BK

Das mit dem Urlaub in Tunesien meinen Sie doch nicht ernst.
Wir haben Arabien inzwischen bei uns. Wozu also noch dahin fahren oder reicht Ihnen das hier noch nicht ?

BK
24 Tage her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Jede 5 Sterne Hotelanlage in Tunesien ist sicherer als ein Weihnachtsmarkt in Deutschland. Man kriegt AI geboten. Dagegen ist ein Strandhotel in Deutschland die reinste Touristenfalle.

Flaneur
25 Tage her

Ich sag´s mal so – wegen mir müssen in einer Einkaufspassage keine Tiere zur Belustigung der Leute gehalten werden.
Ob nun Geiz oder schlechtes Gewissen dazu führt, diese Unsitte abzuschaffen, ist mir herzlich egal.
Und da es erst seit 25 Jahren dort aufgestellt war, kann mir auch keiner erzählen, dass sei irgendwie Tradition oder identitätsstiftend für den Bau, der im Übrigen nichts mehr mit dem ursprünglichen Kranzler-Eck gemein hat.

Silverager
25 Tage her
Antworten an  Flaneur

Es geht doch gar nicht darum, ob Volieren sinnvoll oder sinnlos sind. Das können Sie befürworten oder ablehnen. Es kann Ihnen natürlich auch egal sein.
Es geht um die Scheinheiligkeit der Begründung („Wir können die Käfighaltung mit unserem Gewissen nicht länger vereinbaren.“), weshalb der Betreiber sie aus knallharten Gründen weghaben will.
Im übrigen stimmt es, das früher gemütliche Kranzler-Eck gibt’s nicht mehr.

LF
25 Tage her

Diese moralische Scheinheiligkeit hat mittlerweile große Teile unserer Gesellschaft durchdrungen. Angefangen in den höchsten Spitzen der Politik.Und es wird noch viel mehr werden.

Jenny
25 Tage her

Das macht doch der Politkomplex auch so und zwar sehr erfolgreich. Wann immer uns von diesem ein moralisches Gut aufgetischt wird, dem sich alles unterzuordnen hat, dann ist doch klar, dass es nur ums Abkassieren geht. Ständig werden neue, angeblich notwendige Arbeitskreise und NGOs gegründet, die irgendwie mit den Altparteien verbändelt sind. Die Intention dahinter ist klar: Abkassieren und Umverteilen von „Unten“ nach „Oben“. Dem Michel wird dann erklärt, dass dies „alternativlos“ ist und er glaubt das. Würde mich nicht wundern, wenn bei diesem Apleona irgendeiner von CDU, Grüne oder SPD beteiligt ist.

twsan
25 Tage her

Man nennt es „Marketing“ – die Basis desjenigen Kapitalismus, der jegliche Konkurrenz abschaffen will…

MfS-HN-182366
24 Tage her
Antworten an  twsan

Falsch: Nach Karl Marx ist die Basis des Kapitalismus das Kapital. Marketing ist nur ein untergeordneter Bereich zur Ausweitung des Profits.

Harry Charles
25 Tage her

SEIT 1968 ist vorgetäuschte Moral zwecks Karrieremachen das vorherrschende gesellschaftliche Modell. Warum haben sich damals so viele Kleinbürger an die Linksradikalen angehängt und so den Marsch der „68 – er“ durch die Institutionen erst möglich gemacht? Weil viele (klein-) bürgerliche Familien eine Nazi-Historie hatten, die als karrierehinderlich gesehen wurde. Also hat man sich dem ideologischen „Diametral“ – Gegner, den Ultralinken, an den Hals geworfen. Mit dem nicht ganz unbedeutenden Schönheitsfehler, dass der Kommunismus auf seine Weise die Gesellschaft verpfuscht. Das Hinüberrennen ins entgegengesetzte Extrem zeigt nicht gerade von charakterlichen Reife. Ähnliches gilt für die linksgrüne Filialgeneration der „68 – er“:… Mehr

Biskaborn
25 Tage her

Genau so ist es. Die Deutschen Unternehmen sind längst Untertan des woken Zeitgeistes! Vielfalt, Kampf gegen Rechts und angeblichen Rassismus, Regenbogenflagge, Klima über alles, nur Erneuerbare Energien treiben die Maschinen und Rechenzentren an, alles, aber auch wirklich alles, wurde nachhaltig produziert und, und, und! Das sind die Kernsätze unserer Unternehmen. Nicht vergessen das Lobpreisen der Regierenden, denn man wartet auf Subventionen. Wenn es trotzdem nicht läuft, wird Kurzarbeitergeld vom Steuerzahler gefordert oder man verschwindet eben aus Deutschland.

roffmann
25 Tage her

Ziel unserer Unternehmen ist , eine hohe Steuerquote zu erzielen , die wir dann guten Gewissens an unsere Finanzbehörden abführen , die damit viel…. G u t e s …tun !

Last edited 25 Tage her by roffmann
Deutsche
25 Tage her

Mit Schein-Ethik wird der Verbraucher für dumm verkauft.“
Öhm.
Migration rettet Leben und bereichert unser Leben. (Kriminalstatistik)
Deutschland wird am Hindukusch, in der Ukraine und im Kanzler WC verteidigt.
Zwangsimpfungen mit fragwürdiger Genplörre „rettet Leben“ ansonsten Pandemie der Ungeimpften. Kinder könnten sonst ihre Großeltern killen.
AfD ist die Schwefelpartei. „Unsere Demokraten“ kämpfen um die Apokalypse der echten Demokratie aufzuhalten.
Das Zeitalter der Lüge.

MfS-HN-182366
24 Tage her
Antworten an  Deutsche

Alles richtig, aber warum verteidigen »wir« Deutschland im Kanzler-WC? Könnte es sein, dass diese neofeudale Kloake grün versifft ist? Dabei meine ich Schimmel, denn die Grünen sind Naturschützer. Sie lieben die Wälder und Pflanzen und gönnen denen nicht das lebenswichtige Co².