Milliardär Arnault bricht das Schweigen im Handelsstreit mit Trump

Europas Wirtschaftselite tritt selten in den politischen Diskurs. Nun hat der reichste Mann Europas, LVMH-CEO Bernard Arnault, das Schweigen gebrochen. Der Franzose äußerte anlässlich einer Aktionärsversammlung in Paris scharfe Kritik an der EU im Zollstreit mit den USA. Von Thomas Kolbe

IMAGO / IP3press

Es geschieht selten, dass europäische Top-Unternehmer oder CEOs in den politischen Diskurs eingreifen. Umso bemerkenswerter ist die harsche Intervention des reichsten Europäers im Handelsstreit zwischen der EU und der Trump-Regierung. In einer Rede anlässlich der Aktionärsversammlung von LVMH in Paris am Donnerstag, sparte CEO Bernard Arnault nicht mit Kritik am Brüsseler Bürokratenapparat. Einzelne Staaten der EU sollten mit den USA über die Zollpolitik verhandeln, so der Unternehmer, der bekannt wurde durch Marken wie Louis Vuitton oder Moët & Chandon. Arnault kritisierte fehlende Verhandlungskompetenz in Reihen der EU-Bürokratie – ein vernichtendes Zeugnis, geriert man sich gerade dort gern als europäische Chefdiplomaten.

Bilateralismus statt Zentralsteuerung? Die Forderung Arnaults verströmt den Odor von Revolte, herrscht doch sonst eisernes Schweigen im Unternehmerlager, geht es um Angelegenheiten der EU. In Brüssel sollten spätestens jetzt Alarmsirenen schrillen. Zu lange hat man die Kritik der Wirtschaft verworfen und sie mit Subventionen zerstreut. Kam es hart auf hart, delegitimiert man sie mit Alarmismus im Klimakampf. Die Grenzziehung war eindeutig: bis hierhin und nicht weiter! Brüssel gibt die ideologische Richtung vor, Kritik an der grünen Transformation oder an außenpolitischen Grundsatzentscheidungen ist nicht erwünscht.

Überschreiten des Rubikon

Überschritt Arnault mit seiner Kritik also den Rubikon? Ein „Coming Out“ inmitten des emotional aufgeladenen Krachs zwischen den USA und der EU ist kein Schuss aus der Hüfte. Es handelt sich um die wohlüberlegten Worte eines Mannes, der global bestens vernetzt ist, der sich seiner Unterstützung in der Wirtschaftselite vergewissert haben wird, bevor er ans Mikrofon trat. Und er liegt mit seiner Kritik an der Überbürokratisierung richtig. Als Unternehmer und Investor hat Arnault die Regulierungswut und den ideologischen Kampf Brüssels gegen die Privatwirtschaft seit Jahrzehnten am eigenen Leib erfahren. Das macht ihn zu einem glaubwürdigen Anwalt im Kampf um eine ordnungspolitische Wende in Europa.

Wir können davon ausgehen, dass er als Eisbrecher für weitere Vorstöße aus dem Unternehmerlager auftrat. Arnault zeichnete ein realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage und drohte offen mit Verlagerung seiner Firmen, sollten die Verhandlungen mit den USA scheitern. Besonders pikant für Brüssel fiel die Kritik am Bürokratismus der EU und seiner repressiven Wirtschaftspolitik aus – ein Novum im politischen Diskurs zwischen EU-Eliten und der Wirtschaft.

Schweigegelübde und heimlicher Protektionismus

Hier herrschte bis zum Zollhammer der Trump-Regierung dröhnendes Schweigen. Wenn es Trumps Plan ist, den europäischen Protektionismus mit maximalem Zolldruck zu brechen, hat er den Hebel an der richtigen Stelle angesetzt: Mit einem Sonderzoll von 25 % auf den Import von Automobilen aus der EU steht nun Berlin unter Zugzwang. Der deutsche Industriestandort leidet seit Jahren unter dem Regulierungsdiktat der EU und der katastrophalen Energiepolitik Berlins. Sein Automobilsektor gab mit etwa 1,8 Millionen direkt und indirekt Beschäftigen den Herzschlag der gesamten Ökonomie vor. Und gerade dieses Filetstück europäischer Industrie geriet immer wieder in das Fadenkreuz der Klimaregulierer, die mit dem Verbot des Verbrennermotors wissentlich europäische Produktionskapazitäten nach China verdrängen. Wir können also nach Arnaults Vorstoß mit einer Welle koordinierter Kritik aus den Reihen deutscher Autobauer rechnen. Brüssels Schlingerkurs in der Frage der Zukunft des Verbrennermotors ist das untrügliche Zeichen, dass der Druck auf die Politik wächst, zur wirtschaftspolitischen Vernunft zurückzukehren. Es muss wieder gelten: Privat vor Staat!

Das Mercosur-Desaster

Der freie Markt bleibt in Europa ein Traum weniger. Mächtige Lobbys wie die französische Agrarindustrie haben sich mit dem Staat verflochten und ersticken jeden Fortschritt. Das Desaster des MERCOSUR-Abkommens ist ein Musterbeispiel: Nach jahrelangen Verhandlungen mit Südamerika scheiterte Brüssel 2024 am Veto der französischen Bauernlobby, die ihre Privilegien schützte. Dieses Fiasko zeigt: In Europa ist Freihandel ein Lippenbekenntnis, kein Ziel. Der Wunsch nach Regulierung und Kontrolle privatwirtschaftlicher Aktivitäten ist tief in die DNA europäischer Wirtschaftspolitik verpflanzt und sie wird nun offen kritisiert – eine neue Erfahrung für Politiker wie Ursula von der Leyen, die sich zu selten Kritik aus der Wirtschaft stellen mussten.

Umso schwerer wiegt die Kampfansage Arnaults. Der EU fehlende Verhandlungskompetenz vorzuhalten, ist eine höfliche Form, die Bürokraten aus dem Verhandlungsraum zu bitten und künftig Staatsmännern das politische Geschäft anzuvertrauen. Verhandlungsgeschick und Diplomatie sind unverzichtbare Ingredienzien zur Lösung der wirtschaftlichen Krise mit den USA, die längst zu einer diplomatischen Krise wurde. Das wissen die Firmenchefs internationaler Konzerne mit Blick auf das Tagesgeschäft besser als politische Funktionäre.

Verhandlungskompetenz ist Europas Achillesferse. Neben dem Handelsstreit mit den USA brennt die Energiepolitik lichterloh: 57% des Energiebedarfs importiert die EU, doch der Traum einer staatlich orchestrierten Klimawirtschaft erstickt im Subventions- und Bürokratiechaos. Um das Embargo günstigen russischen Gases abzufedern, braucht es strategische Energiepartnerschaften – verhandelt mit Pragmatismus, nicht mit Brüssels herrschaftlichem Diktat. Nur so kann Europa seine geopolitische Schwäche kompensieren und steigende Energiekosten abmildern. Die Europäer werden sich darauf einstellen müssen, dass Energie tendenziell teurer wird, da ihre geopolitische Macht angesichts der wirtschaftlichen Schwäche schwindet.

Ruckrede oder heiße Luft?

Ist Bernard Arnault mit seiner Rede am Donnerstag ein großer Wurf gelungen? Ruckreden haben bekanntlich ihre Tücken. Sie verwehen schnell in den Wellenschlägen der schnelllebigen Informationsflut. Gerade die Deutschen sollten sich dessen erinnern, war es doch die medial zelebrierte Ruckrede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der 1997 einen neuen Geist im Umgang mit der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre anmahnte. Sie zerstreute sich über die Zeit in den Feuilletons und erreichte nie ihr anvisiertes Ziel: sich in tatsächliches Handeln zu übersetzen. Die Wirtschaftselite hatte diesen wichtigen Weckruf verschlafen und es versäumt, eine Hinwendung zu mehr unternehmerischer Freiheit, offenen Märkten und individueller Verantwortung einzufordern. Man hätte Herzogs Worten diese Metawerte entnehmen können, wäre man nicht unmittelbar zur Tagesordnung zurückgekehrt.

Erzwingt Trump die Wende?

Ein freier Markt wäre auch heute Europas Ausweg. Die Abschaffung protektionistischer Barrieren würde Unternehmen wie LVMH oder deutschen Autobauern neue Märkte eröffnen. Sie würde den Wettbewerb intensivieren, Investitionen anlocken und käme letztlich dem Verbraucher zugute. Arnaults Forderung nach nationalen Verhandlungen könnte diesen Wandel beschleunigen, da Länder wie Deutschland gezielt auf US-Zölle reagieren könnten, ohne in EU-internen Konflikten wie beim Mercosur-Deal an den Rand gedrängt zu werden.

Trumps Zollpolitik ist geopolitisch motiviert und soll Handelspartner aus der protektionistischen Festung herauslocken. Dies scheint zu funktionieren. Immerhin hat Brüssel zunächst das Bürokratenmonster „Lieferkettengesetz“ auf Eis gelegt. Eine Reduktion der Zölle wurde ebenfalls in den Raum gestellt. Das wäre ein vielversprechender Anfang, den man in Washington sicherlich goutieren würde. Die Europäer müssen lernen, dass sie nicht mehr in der Position sind, Regeln und Standards in der sich wandelnden Weltökonomie zu diktieren. Ihr Beharren auf einen längst versunkenen status quo ante wird ihren Einfluss zwischen den Machtinteressen Chinas und den USA politisch weiter dezimieren. Es ist Zeit, dass die europäische Wirtschaftselite ihren Einfluss geltend macht und die Agonie des Bürokratismus überwindet.

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Kommentare ( 31 )

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Edwin
25 Tage her

„Ist Bernard Arnault mit seiner Rede vom Donnerstag ein großer Wurf gelungen?“

War was? Hätte ich nicht Tichys Einblick gelesen, wüsste ich von der Rede nichts. Wie auch, wird auch in den hiesigen Medien totgeschwiegen. Wie soll es also jemals einen größeren Empfängerkreis erreichen? Die Massen wird es hier nie erreichen.

ramses82
22 Tage her
Antworten an  Edwin

Mit Verlaub: die sogenannten Massen haben weder Ahnung von der Materie noch jegliches Interesse daran.

Johny
25 Tage her

„…und künftig Staatsmännern das politische Geschäft anzuvertrauen. “ – Aber woher nehmen?

Daniel Petersburger
25 Tage her

Pariser Elite sorgt sich um ihre Milliarden. Bernard Arnault kungelte gern mit den Sozialisten, Macron; Hidalgo etc. Die franzöische Wirtschaft war ihm egal solange LVHM Milluarden einfuhr. Seine überteuerten Tragetaschen kann er sich irgendwo hinschmieren, wie auch die Herren von Chanel und Hermes.Ob der Ami jetzt 13000 USD oder nur 10000 USD bezahlt; ist den Franzisen gleich, denn immerhin ist der Sprit jetzt billiger. Nun hat er ha völlig recht, dich das weiss er alles schon seit 30 Jahren.

Ben Clirsek
25 Tage her

Arnault gehört zu der politischen und wirtschaftlichen Davoser Elite, die im jährlichen Abstand und trauter Eintracht darüber befindet, wie man den Plebs effizient unterdrücken kann, ohne den eigenen Wohlstand zu gefährden. Trump ist zu verdanken, dass dieser eingespielten totalitären Maschinerie Sand ins Getriebe gestreut wurde. Ich würde den Arnault‘s, Höttges, Bäte‘s oder Josef Kaeser‘ keinen Millimeter über den Weg trauen, die würden sich jedem Regime anbiedern, das ihren Machtanspruch sichert.. LVMH macht rund 25% seines Umsatzes in den USA, da geht auch einem Arnault der A…. auf Grundeis.

Kassandra
25 Tage her
Antworten an  Ben Clirsek

Zumal die Chinesen auch für ihn produzieren – und inzwischen bekannt geben, dass Billigware überteuert mit solchen Etiketten verkauft wird. Hier eine Sammlung: https://www.danisch.de/blog/2025/04/15/die-rache-der-chinesen/#more-69247

Waldorf
25 Tage her

Ein Schritt zurück schärft eventuell den Blick. Man könnte einfach fragen, was die EU eigentlich ist und wem sie am meisten nützt und entsprechend wer sie am deutlichsten prägt, dominiert etc. Und da deutet vieles auf eine ziemlich klare Antwort: Frankreich! UvdL mag Deutsche, hier weggelobte Exministerin sein, doch sie wäre niemals ohne Segen Frankreichs 2x Kommissionspräsidentin geworden. Sie ist also aus Brille Frankreichs „hilfreich“. Und was hilfreich oder weniger hilfreich aus Brille Frankreichs ist, entscheidet sich an einer Handvoll Prinzipien, die auch das französische Modell von Staatsorganisation prägt: ausgeprägter Zentralismus, starker Anteil des Staates am Wirtschaftsleben, wenig Lust auf… Mehr

Paul Brusselmans
25 Tage her

„Brüssel“ ist keine autonome Macht, sondern das Ergebnis der Mitgliedstaaten. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei Deutschland, auf das der Green Deal mit seinem Elend unter Verantwortung der grünen Kanzlerin zurückgeht. Sie hat auch die Kompetenz für die Impfstoffbestellung einfach auf vdL übertragen, die sie dort durchgedrückt hat, weil sie weg musste. Auch das Verbrennerverbot geht auf Berlin zurück, haben doch die Genossenden und Grünen im Parlament geschlossen dafür gestimmt, und die Strafzahlungen noch hinzugefügt.

W aus der Diaspora
25 Tage her

Es gibt schlicht keine EU-Wirtschaft. Jedes Land hat andere Prioritäten in der Wirtschaft. Aus diesem Grund kann es keine Abkommen zwischen EU und anderen Staaten geben sondern nur zwischen anderen Staaten und einzelnen Ländern der EU.

bkkopp
25 Tage her

Der unternehmerische Hintergrund von Herrn Arnault, die Produkte und Marktsegemente seiner Unternehmungen, qualifizieren ihn nicht über die handelspolitischen Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe und Handel von zehntausenden Industrie- und Alltagsprodukten zu sprechen. Eine handelspolitische Rückkehr zu Bilateralismus ist eine Rückkehr zu den Handelsbedingungen aus dem 19. Jhdt. Es wäre absurd konzeptionell hinter die Fortschritte von GATT, General Agreement on Tariffs and Trade von 1948-1955, zurückzugehen. Arnault ist auch sonst als arroganter und autoritärer Besserwisser bekannt. Das heißt ja nicht, dass er zu Fehlentwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte immer unrecht hätte. Am Anfang dieser Fehlentwicklungen stand aber immer auch die opportunistische… Mehr

GR
25 Tage her

Hinwendung zu unternehmerischen Freiheit, offenen Märkten und individueller Verantwortung? Wo kämen wir denn da hin? Und wo blieben dann die Politiker, die so gern gestalten wollen?
Die Lösung ist wohl tatsächlich, die Unternehmen aus der EU zu verlagern und den Politikern und den Schmarotzern zu zeigen, wer wichtig ist.

nicht immer dagegen
25 Tage her
  • „Das Desaster des MERCOSUR-Abkommens ist ein Musterbeispiel“

Das sehe ich anders. Das MERCOSUR Abkommen würde eine gewaltige Benachteiligung nicht nur der französichen, sondern aller europäischen Landwirte bedeuten.
Die unsäglichen EU-Bürokraten überziehen die europäische Landwirtschaft auf allen Produktionsschritten mit irrwitzigen Vorschriften und hohen Kostennachteilen.
Diese Vorschriften und Kosten haben die südamerikanischen Produzenten nicht. Und eine Einhaltung des europäischen „Standard“ ist im Abkommen auch nicht gefordert.
Mir ein bisschen unklar, was den Autor zu genau diesem Beispiel getrieben hat – das ist eher ganz im Gegenteil ebenfalls ein gutes Beispiel, wie Eurokraten einen weiteren Wirtschaftsbereich zertrümmern würden.