Aufkommende Inflationsängste sorgen für erste Nervosität 

An Corona haben sich die Märkte gewöhnt, jetzt taucht ein neues Phänomen auf, über das Börsianer sich sorgen: Die anziehende Inflation könne zu steigenden Zinsen führen, lautet eine historisch etwa aus den Erfahrungen des Crash-Jahres 2000 stammende Angst der Aktienanleger.

imago Images

Tatsächlich ziehen derzeit offenbar höhere Inflationserwartungen den Verkauf von US-Staatsanleihen nach sich, sinkende Anleihekurse führen zu steigenden Renditen etwa der 10-jährigen US-Bonds — was die vergleichsweise sicheren Zinstitel im Verhältnis zu Aktien attraktiver macht. Die Rendite der Staatsanleihen ist soeben über 1,3 Prozent geklettert. Die Dividendenrendite des breiten US-Index S & P 500 liegt mit inzwischen knapp 1,5 Prozent nur unwesentlich höher. Das ist wohl ein Grund, weshalb den US-Börsen nach monatelanger Rekordjagd etwas die Puste ausgeht. Die Bullen beruhigt indes, dass aus den Protokollen der jüngsten Sitzung der US-Notenbanker klar hervorgeht, dass die Wirtschaft weiter gestützt werden soll. Zinserhöhungen sind kein Thema. Das erhält Investoren das kurstreibende Szenario einer anziehenden US-Wirtschaft. Die Bullen werden zwar schwächer, aber die Bären gewinnen noch lange nicht die Oberhand.

Am Freitag zeigten sich die Investoren an der Wall Street weiter nervös. Der Dow Jones Industrial meldete sich nach seiner Vortagsschwäche zunächst mit einem neuen Rekord von 31.648 Punkten zurück, büßte dann aber unter dem Eindruck wieder gestiegener Anleiherenditen seinen Rückenwind ein. Mit 31.494 Punkten ging er dann prozentual unverändert über die Ziellinie. Auf Wochensicht legte er um 0,1 zu.

Die fortschreitende Impfkampagne stützte zwar die Erwartung einer baldigen Erholung von der Corona-Krise. Diese gilt aber neben üppigen Staatshilfen und lockerer Zinspolitik auch als Grund für die Sorgen vor künftiger Teuerung, was derzeit die Anleiherenditen in die Höhe treibt. „Hält dieser Trend, würde der Aktienmarkt dann doch etwas weniger alternativlos“, sagte Marktbeobachter Jochen Stanzl von CMC Markets.

Andere Indizes gingen nach frühen Anstiegen im Minus aus dem Handel. Der breit gefasste S&P 500 verlor 0,2 Prozent auf 3.907 Punkte. Der technologielastige NASDAQ 100 fiel um 0,4 Prozent auf 13.581 Zähler. Weil Tech-Werte neuerdings bei den Anlegern an Stellenwert verlieren, verbuchte er bereits den vierten Verlusttag in Folge.

Auf Unternehmensseite gab es am Freitag einige positive Nachrichten unter anderem von Applied Materials. Der Hersteller von Anlagen für die Halbleiterindustrie erfreute die Anleger mit einer robusten Prognose, woraufhin die Aktien um 5,3 Prozent anzogen. Derzeit füllen sich die Auftragsbücher, weil die Kunden wegen der aktuellen Knappheit an Mikrochips ihre Produktion hochfahren. In der Folge stiegen die Aktien des Wettbewerbers Lam Research um 3,6 Prozent.

Auch bei Deere läuft es derzeit rund: Der Hersteller von Land- und Baumaschinen erhöhte seine Prognose und reagierte damit auf die besser laufenden Geschäfte der Kunden aus dem Agrarsektor. Die Aktien schossen um knapp zehn Prozent hoch auf die nächste Bestmarke. Auch hier wurde mit Caterpillar ein Konkurrent beflügelt. Dessen Aktien blieben ebenfalls auf Rekordjagd, sie waren mit einem Anstieg um fünf Prozent der Spitzenreiter im Dow.

Die Papiere der Fluggesellschaften American, Delta und United rückten zum Beispiel um 2,9 bis 6,8 Prozent vor. Analyst Sandy Morris von Jefferies Research sieht derzeit perspektivische Lichtblicke mit Nachholbedarf beim Reiseverhalten. Die Säulen dafür seien Impfungen, Testmöglichkeiten und Gesundheitsausweise.

Der DAX hate sich zuvor von seiner stärkeren Seite gezeigt. Der Leitindex schloss 0,8 Prozent im Plus bei 13.993 Punkten. Der Kursrücksetzer der vergangenen Tage sei lediglich eine Pause der Aktienrally und keine Trendwende, sagte Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda der Nachrichtenagentur Reuters. „Keine Notenbank der Welt denkt derzeit daran, den Fuß vom geldpolitischen Gas zu nehmen. Die Finanzmärkte werden das gesamte Jahr 2021 mit billigem Notenbankgeld geflutet und ein Großteil davon wird in Aktien fließen.“

Der Versicherungskonzern Allianz ist im Corona-Jahr 2020 überraschend glimpflich davongekommen. Für 2021 peilt Konzernchef Bäte schon wieder ein Rekordergebnis an, wie der Konzern am Freitag in München mitteilte. So hat der Versicherer bei seinen Geschäftskunden teils deutlich an der Preisschraube gedreht und sich von unrentablen Verträgen getrennt. Für die flächendeckende Schließung von Betrieben will der Konzern nicht geradestehen. Und auch eine endgültige Absage der Olympischen Spiele würde die Allianz nur wenig kratzen. Derweil können sich die Anteilseigner auf eine stabile Dividende freuen.

Der ZEW-Index des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ist ein guter Indikator für die Entwicklung der Börse, da er Auskunft gibt über die Seelenlage der Analysten und Investoren. Und geht man danach, dann dürfte sich die wirtschaftliche Großwetterlage in Deutschland bald aufhellen. Denn die Börsianer blicken erneut positiver auf die deutsche Konjunktur. So stieg das Barometer ihrer Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten sechs Monaten im Februar überraschend um 9,4 Punkte auf 71,2 Zähler, wie der ZEW zu seiner monatlichen Umfrage unter Analysten und Anlegern mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Rückgang auf 59,6 Zähler gerechnet. „Bei den Finanzmarktteilnehmern kehrt großer Optimismus zurück — sie glauben, dass die deutsche Wirtschaft die Krise in den kommenden sechs Monaten überwinden kann“, erklärt Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. „Nach Ansicht der Finanzmarktteilnehmer dürften die Beschränkungen ab dem Frühjahr gelockert werden. Sie glauben nicht an eine dritte Welle.“

An den Börsen ist zurzeit Musik drin. Nicht nur da die Kurse kräftig klettern, sondern auch weil die Musikrechte von Popstars bei Investoren heiß begehrt sind. Nun sorgt der französische Mischkonzern Vivendi für den nächsten Paukenschlag. Die Ankündigung, die Musiksparte UMG noch 2021 an die Börse zu bringen, ließ den Vivendi-Kurs um über 20 Prozent steigen. Zum UMG-Port-folio gehören unter anderem die Beatles, Lady Gaga und Rihanna.

Das „Orakel von Omaha“ wird Warren Buffett von seinen Anhängern gern genannt. Denn der Großinvestor erkennt lohnende Trends und Unternehmen, die andere noch nicht wahrnehmen. Kein Wunder, dass Buffetts Käufe und Verkäufe für Schlagzeilen und Kursbewegungen gleichermaßen sorgen. Ein Beispiel gab die vergangene Woche, als bekannt wurde, dass Buffett im großen Stil beim US-Telefonanbieter Verizon und dem US-Ölkonzern Chevron eingestiegen ist. An Verizon hält Buffetts Unternehmen Berkshire Hathaway jetzt Anteile in Höhe von 8,6 Milliarden Dollar und an Chevron von 4,1 Milliarden Dollar, wie aus einer Mitteilung an die Börsenaufsicht hervorgeht. Die Verizon-Aktien stiegen daraufhin um drei, Chevron-Papiere um 2,2 Prozent. Berkshire stockte zudem seine Anteile an den Pharmafirmen Abbvie, Bristol–Myers Squibb und Merck & Co auf, während es sich von Anteilen an Pfizer und Apple trennte. Seinen Anteil an Papieren der US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile US, erhöhte Buffett von 2,4 auf 5,2 Millionen Aktien. Insgesamt ist Berkshire Hathaway an mehr als 90 Unternehmen beteiligt. „Das sind klassische Buffett-Investments“, erklärt Steven Check von Check Capital Management. „Verizon hat ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis, und weil die Ölpreise sich erholen, haben die Energiewerte noch einen weiten Weg der Erholung vor sich.“ Zuletzt gab es zudem Gerüchte, dass Chevron mit dem Rivalen Exxon angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage und unsicheren Zukunft fusionieren könnte.


Weitere Meldungen und Kommentare zu Wirtschaft und Börse lesen Sie auf unserer Partner-Site

 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 9 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

9 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
IJ
3 Jahre her

Bis zu einer Zinserhöhung bleibt seitens der EZB und den Euro-Mitgliedsstaaten noch viel, viel Luft für eine Ausweitung des Inflationsziels, wodurch viele Menschen in die Armut gleiten werden. Für die überschuldeten Euroländer wäre eine dauerhaft hohe Inflation jedoch gleichsam wie „Mana vom Himmel“ und zwar aufgrund des simultanen Einkommens- und Entschuldungseffektes: Mit der Inflation steigt zum einen simultan das MwSt-Aufkommen. D.h. die wesentlichste Einkommensquelle des Staates bleibt gesichert. Zum anderen gewinnen in der Inflation die überschuldeten Schuldner (Staaten) ggü. den Gläubigern (Sparer), da die Scfhuldner immer weniger Mittel aufwenden müssen, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Darüber hinaus wirkt die Inflation ubiquitär… Mehr

Alois Dimpflmoser
3 Jahre her

Die EZB befindet sich zwischen Skylla und Charybdis. Die Zinsen müssen steigen, um die gallopierende Inflation zu stoppen. Die Zinsen dürfen nicht steigen, weil sonst alle EU-Staaten pleite wären. In die Situation hat man sich selber rein manövriert. Die Kreditausweitung durch den herunter manipulierten Zins führt unausweichlich in die Katastrophe. Ludwig von Mises hat es vorausgesagt und auch genau dargelegt, warum das so ist. Man wollte, wie immer, nicht auf ihn hören, man hört lieber auf den „größten Ökonomen“ des 20. Jahrhunderts Lord Keyens. Wie sagte der doch gleich zu den langfristigen Auswirkungen seiner Politik: „In the long run we’re all dead“… Mehr

Kuno.2
3 Jahre her

Wenn die Inflation anzöge, müsste der Goldpreis steigen. Aber dieser sinkt seit Wochen. Die Corona Angelegenheit wirkt ohnehin tendenziell deflationär, weil Unternehmen die eigenen Kostensteigerungen nicht über die Preise weitergeben können. Und ob die Preisinflation an den Aktienmärkten und Immobilienmärkten in Deutschland noch lange so weitergehen kann; dahinter würde ich ein dickes Fragezeichen setzen. Denn die Unternehmensgewinne sinken in der Pandemie und somit drohen Verlust von Dividendenzahlungen. Zunehmende Arbeitslosigkeit wirkt ebenfalls deflationär und nicht inflationär. Wer heute TUI Aktien kauft, weil diese jetzt fast nix mehr kosten, läuft auf einem Drahtseil. Denn wenn es „nie mehr so wird wie es… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Kuno.2

Am deutschen Aktienmarkt gibt es keine richtige Preisinflation, nur insofern, dass die Unternehmen real an Wert verlieren, während der Kurs stagniert, statt zu fallen, wie es sich gehört. Teurer wird da aber nix. Der Dax ist ja ein Performance-Index. Dividenden voll reinvestiert (ohne Steuern also) eingerechnet. Der Dax-Kursindex dagegen hat sich seit etlichen Jahren per Saldo nicht mehr bewegt. TUI ist pleite, bankrott, insolvent, konkurs, aus die Maus, Schicht im Schacht. Das war schon vor Corona ein Geschäft auf dem absteigenden Ast. Da könnte man ja gleich in Wirecard investieren. Kaufhäuser, noch so untotes Geschäftsmodell. Lasst sie endlich sterben, braucht… Mehr

Kuno.2
3 Jahre her

Die Kleinanleger strömen aber weiterhin zu TUI, angezogen vom niedrigen Preis. Bisher wurde noch jede systemrelevante Firma gerettet. Aber bei TUI wird das sicher nicht der Fall sein.

Ben Goldstein
3 Jahre her

Was meinen Sie denn mit „Dividenden reingerechnet“? Natürlich spielt die Erwartung an zukünftige Dividenden eine entscheidende Rolle bei der Preisfindung der Aktien, aber der DAX ist immer noch ein Index des Preises und die Formulierung mit „Inflation“ ist daher schon richtig.

Thorsten
3 Jahre her

Solange die Notenbanken die Staatsschulden finanzieren, wird es nicht zu steigenden Zinsen kommen.
Das dies in Europa „alternativlos“ ist, wird anhand der Schuldenberge verständlich. Griechenland und Italien wären ziemlich schnell und hart bankrott aber auch der Zahlmeister Europas müsste mal schnell 50 Mrd € mehr pro Jahr für Zinsen ausgeben. Dann wäre die schwarze Null schnell Geschichte wie die CDU Helmut Kohls …

Schlaubauer
3 Jahre her

Die Zinsen werden steigen. Und weder Staat noch Bürger sind darauf vorbereitet.

awilson
3 Jahre her
Antworten an  Schlaubauer

Das mag schon sein, aber wer wird sie bezahlen ?