Schauermärchen von der „Rache des Planeten”

Durch das Coronavirus haben ökologistische Denkweisen Konjunktur. Nicht selten wird dabei die Grenze zur Menschenfeindlichkeit überschritten.

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Vor Kurzem musste sich das Model Doutzen Kroes bei ihren Fans für ein Video entschuldigen, in dem sie sich positiv über das Corona-Virus äußerte: „Danke Corona“, hatte die Niederländerin unter anderem gesagt, und dann die Stille und die Ruhe für die Natur in Folge des Shutdowns gelobt. Der Beitrag provozierte eine Reihe empörter Reaktionen, woraufhin Kroes das Video zurückzog. Doch auch in anderen Ecken des Internets wird das Virus wahlweise als gerechte Strafe oder sinnvoller Beitrag im Kampf gegen die „Überbevölkerung” gefeiert.

Während die Pandemie wütet, grassiert der Ökologismus: Der Begriff meint die Politisierung von Ökologie im Dienste moralisch-ästhetischer Leitbilder. Wissenschaftliche Ökologie will die Funktionsweise von Ökosystemen verstehen. Sie versucht abzuschätzen, was passiert, wenn Menschen in Ökosysteme eingreifen. „Stille und Ruhe für die Natur“ sind aber rein ästhetische Zielsetzungen, die mit wissenschaftlicher Ökologie in etwa so viel zu tun haben wie eine Vorlesung in Geologie mit einem Töpferkurs. Ökologisten erheben den Planeten selbst zum Subjekt. Jeder Eingriff in seine vermeintlich stabilen und harmonischen Kreisläufe gilt als sündhafte Verschlechterung.

Die gute Nachricht ist, dass Ausfälle wie der von Kroes nicht ohne Widerspruch bleiben. Die schlechte lautet, dass sie nicht aus heiterem Himmel kommen. Nicht nur das Topmodel folgt hier einer Mode, die in westliche Gesellschaften seit längerem angesagt ist: Einer mehr oder weniger expliziten Menschenfeindlichkeit aus ökologistischen Motiven. Die kaum verhohlene Freude über menschenleere Orte, die einst vor Leben wimmelten, spricht jedenfalls Bände und hat mehr als nur ein antihumanistisches Gschmäckle. Leider scheint es, als würde der ökozentrische Antihumanismus durch den Ausbruch des Coronavirus an Virulenz gewinnen.

„In zahlreichen Debattenbeiträgen werden Globalisierungsfurcht, Modernitätsskepsis und Naturschwärmerei zu einer trüben Melange verrührt.“

Ein Hinweis darauf ist die krampfhafte Suche nach einem Schuldigen. Viele fällt es offenbar schwer zu akzeptieren, dass bestimmte Naturvorgänge (wie etwa das erstmalige Überspringen eines Virus vom Tier auf den Menschen) nicht vollständig beherrschbar sind und dem Zufall unterliegen. Es läge nahe, sich dieser Wahrheit zu stellen und pragmatisch nach Möglichkeiten zu fahnden, wie moderne Gesellschaften durch Hygiene, Forschung und Kooperation ihre Resilienz gegenüber derartigen Schocks ausbauen können, aber stattdessen werden in zahlreichen Debattenbeiträgen Globalisierungsfurcht, Modernitätsskepsis und Naturschwärmerei zu einer trüben Melange verrührt.

Besonders die politisierte Ökologie ist stets für einen Theaterdonner auf medialen Bühnen gut. Zum Beispiel beim öffentlich-rechtlichen Sender Arte, dessen Social-Media-Team die These verbreitet, es sei sicher, „dass die menschengemachte Umweltzerstörung das Auftreten solcher Krankheiten begünstigt.“ In dem zweieinhalbminütigen Video heißt es: „Schuld an dieser Entwicklung ist auch der Mensch. Er gefährdet das Gleichgewicht der Ökosysteme und verändert so die Übertragungskette der Viren.” Als Beispiel wird das Nipah-Virus genannt, dessen Ausbruch in Malaysia zwischen 1998 und 1999 etwa 100 Menschen das Leben kostete. Die Übertragungskette verlief wohl von Flughunden auf Schweine und von dort auf die Mitarbeiter von Schlachthöfen. Der Beitrag macht die Rodung von Wäldern in Indonesien für die Migration infizierter Flughunde ins benachbarte Malaysia verantwortlich, aber die Beweisführung bleibt vage, schon allein weil die besagten Tiere bereits davor in zahlreichen Regionen Südostasiens heimisch waren – so z.B. auch in Indien und Bangladesch.

Woher dann die „Sicherheit” rührt, dass Pandemien wie Corona durch menschliche Umwelteingriffe wahrscheinlicher werden, erfährt der geneigte Zuschauer nicht. Naheliegende Einwände werden außer Acht gelassen: Etwa die Frage, ob die Transformation von Kulturlandschaften und das Leben in Städten, wie sie für die Moderne charakteristisch sind, nicht eher dazu beitragen, den menschlichen Kontakt mit Wildtieren zu reduzieren? Von Ungeziefer wimmelnde Wohnräume und ein Leben mit dem Vieh unter einem Dach gehören in weiten Teilen der Welt zum Glück der Vergangenheit an. Und müsste eine faire Bilanz nicht auch die Vorteile der globalisierten Wirtschaftsordnung betrachten, zu denen nicht nur die Verbreitung von Impfungen und anderen medizinischen Innovationen zählt, sondern auch der menschheitsgeschichtlich beispiellose Massenwohlstand, den hunderte Millionen Asiaten seit knapp einer Generation genießen? Fragen über Fragen.

„Pandemien gibt es mindestens, seit es Fernhandel gibt, was u.a. das Beispiel der Großen Pest beweist.“

In einer „Analyse“ für die Wochenzeitung Die Zeit stößt die Redakteurin ins gleiche Horn wie ihre deutsch-französischen Kollegen: Experten meinten, „es sei kein Zufall, dass das Virus gerade jetzt ausbricht, und noch weniger, dass es sich so schnell verbreiten kann.“ Den Beleg für die steile These im ersten Halbsatz bleibt sie aber genauso schuldig. Das folgende Zitat von Johannes Vogel, Botaniker und Direktor des Berliner Museums für Naturkunde, glänzt nämlich ebenso mit koketter Unbestimmtheit, wie das Skript des Arte-Filmchens von zuvor, aber urteilen Sie selbst:

„Wir schauen zu wenig auf die Tatsache, dass ein falsches Mensch-Natur-Verhältnis viele unserer Probleme befeuert, meist sogar verursacht […]. Nicht nur Viren breiten sich aus. Ganze Länder werden überflutet, Wälder brennen, Gletscher schmelzen, Ozeane erwärmen sich und Insekten sterben. Die großen Herausforderungen – der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und eben das Aufkommen ganz neuer Erreger, die den Menschen letztlich wieder bedrohen – hängen alle zusammen.“

Es hängt eben alles mit allem zusammen. Aber wie? Sieht man einmal von der Binsenweisheit (die zugleich ein glücklicher Umstand ist) ab, dass mehr Menschen als je zuvor die Erde bevölkern, warum sollte dann der Ausbruch neuer Krankheiten genau heute wahrscheinlicher sein als z.B. vor 200 Jahren? Pandemien gibt es mindestens, seit es Fernhandel gibt, was u.a. das Beispiel der Großen Pest beweist, deren Erreger sich im 14. Jahrhundert seinen Weg über die fernöstliche Seidenstraße bis in die Hafenstädte Westeuropas bahnte. Natürlich verlief die Ausbreitung damals langsamer, aber auf der anderen Seite waren die Menschen der Vormoderne den Krankheitsfolgen in einem Maße schutzlos ausgeliefert, das heutige Zeitgenossen erschaudern ließe.

Man kann solche Dinge trotzdem schreiben, man kann sie auch senden. Aber der penetrante Versuch, trotz unklarer Faktenlage jedes Übel dieser Welt mit menschengemachten Umweltveränderungen erklären zu wollen, beschädigt am Ende die eigene Glaubwürdigkeit. Und die sollte einem kostbar sein, gerade wenn man sich dem Kampf gegen die Erderwärmung verschrieben hat. Das ökologistische Schauermärchen von der „Rache des Planeten” ersetzt in jedem Fall keine rational begründete Politik, die bedrohliche Umweltentwicklungen ernsthaft adressiert und entschärft.


Der Beitrag von Johannes Mellein ist zuerst bei Novo erschienen.

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Kommentare ( 33 )

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Agrophysiker
4 Jahre her

Man könnte es auch umgekehrt sehen. Corona ist die Folge des zunehmenden Ökologismus. Unter dem Schlagwort Biotopschutz sorgt man dafür, dass sich zunehmend wieder Krankheitsüberträger in Siedlungsnähe ansiedeln. So hat man hier die Malaria ausgerottet indem man viele Sümpfe trockengelegt hat. Aus Ökosicht war das eine massive Biotopzerstörung. Insofern müsste man eigentlich die Fledermaushöhlen in Siedlungsnähe ausräuchern. Nun haben auch Fledermäuse ihren ökologischen Wert. Aber man sollte da eben nicht der mystischen Ökopropaganda anheimfallen. Es bietet durchaus Vorteile wenn man in Siedlungsnähe Krankheitsüberträger wenig ökologische Nischen bietet. Wenn man die Viehhaltung in größeren Ställen konzentriert, statt dass die (Nutz-)Tiere fast… Mehr

Politkaetzchen
4 Jahre her

Die Rache des Planeten hatte schon immer Stoff für Sci Fi geboten. Interessant ist dabei die schizophrene Beziehung zu Mutter Natur. Auf der einen Seite sei sie erbarmungslos zu „Krebszelle Mensch“ aber gleichzeitig ist sie eine Disney Welt, wo die Tierchen alle lieb und nett sind und natürlich kein Ungeziefer und Krankheiten existieren. Passt nicht so ganz zsm.

Karl-Otto
4 Jahre her

Wir erleben seit den 1980er Jahren eine Ökosystemisierung unserer Gesellschaft, die damals noch auf dem Wissenschaftsbereich beschränkt blieb. Aber spätestens 1972 kamen hochmisanthropische Theorien auf, nach denen die Erde ein lebendes Superökosystem sei. Dem wurden Namen gegeben, wie GAIA oder Terra sempervirens. Der Mensch wird darin als „neoplastische Krebszelle“, als Plage und Seuche betrachtet, die das System krank macht (siehe J.E. Lovelock, GAIA, Die Erde ist ein Lebewesen). Ausdruck dafür ist der zunehmende CO2 Gehalt, die Erde bekommt „Fieber“ (geologisch betrachtet völliger Schwachsinn). Der Geophysiologe solle als Wissenschaftsarzt die Erde heilen. Heute nennen sich diese Heiler „Erdsystemwissenschaftler“. Das PIK kommt… Mehr

Moses2
4 Jahre her

Und jetzt kommt es: Für das schwarze Loch ist der weisse Mann verantwortlich.

Biskaborn
4 Jahre her

Das verwundert nun wirklich nicht, das der Zusammenhang zwischen Klimaveränderung, nicht durch den Menschen gemacht, und dem Coronavirus schon mal hergestellt wird. Unsere Umweltministerin schreitet da schon mal eifernd voran. Sobald das Thema Corvid-19 abgeklungen ist, werden sie mit breiter Brust aus ihren Löchern hervorkriechen, die Klimahysteriker jeglicher Couleur. Die Grünen haben nicht umsonst gemahnt, an den Klimazielen und der CO2 Bepreisung ab 1.1.21 unbedingt festzuhalten. Die machen auch beim Zusammenbruch der Wirtschaft nicht davor halt, ihre Ideologie durchzusetzen. Es ist wie mit der illegalen Migration, der einfältige Deutsche wird auch dabei mitmachen, auch wenn es den eigenen Untergang bedeutet.

Alex70
4 Jahre her

Dieser ganze Mist verfängt nur, weil die Leute von Naturwissenschaft, Mathe und Geschichte keine Ahnung haben. Wen wunderts also, daß ausgerechnet im Osten sich Greta & Co. die Zähne ausbeißen.

Coco Perdido
4 Jahre her

Nicht verkehrt, wenn jetzt „ökologische“ Menschenfeindlichkeit transparent wird.

Dasselbe gilt auf der anderen Seite auch für Zeitgenossen, denen das Geld wichtiger ist als Menschenleben, die dies raffiniert in Gutmenschlichkeit zu verpacken wissen. Alles zum Wohle der Menschheit. Angeblich.

Sonnenschein
4 Jahre her

Wenn man mal auf Twitter rumstöbert, gibt es zahlreiche, herrliche Filmchen, in welchen gezeigt wird, wie die Tiere in die Dörfer und Städte kommen, um mal zu schauen wo denn die Menschen abgeblieben sind. Nur soviel zu dem Argument, dass die Natur / Tiere nun ihre Erholung bekommen.

Gerd M
4 Jahre her

Man sollte diesem überzüchteten und menschenfeindlichem Model und diesen anderen Menschenhassern alles wegnehmen was ihnen die Gesellschaft gegeben und gebracht hat und jeden davon auf einer einsamen Insel aussetzen, dann können Sie sich mit der Natur auseinandersetzen. Was bilden sich diese bösartigen abgestumpften Wohlstandsverwahrlosten Individuen überhaupt ein. Wieso wird Ihnen die sogar den Massenmord an unschuldigen Menschen befürworten nicht einhalt geboten. Sie halten sich in ihrer abgehobenen absoluten arroganten und bösartigen und dummen Art anscheinend für Götter. Alles wegnehmen und ganz kräftig in den ………… treten. Soviel Menschenhass ist in keinster Weise mehr zu entschuldigen

BOESMENSCH
4 Jahre her

Danke
Ich stimme völlig mit Ihnen überein.
Aber viele „likes“ werden Sie dafür nicht bekommen.
Ist aber egal, da es keine kollektiven Wahrheiten gibt