Putin: nahes Ende

Mit sinkenden Ölpreise zielt die OPEC nicht nur auf die US-Ölschieferproduktion, sondern auch und insbesondere auf Russland.

In der Woche des 7. Dezember 2015 fiel der Ölpreis erstmals seit 2009 wieder deutlich unter die 40-Dollar-Marke. Die OPEC – angeführt von Sa’udi-Arabien – schießt weiter zu Dumpingpreisen das Schwarze Gold in den Markt. Und sie zielt damit nicht nur auf die US-amerikanische Ölschieferproduktion, sondern auch und insbesondere auf Russland.

Russland ist der Gegner der Saudis

Der Syrien-Konflikt spitzt sich zu
Wie positioniert sich Saudi-Arabien und welche Gefahren bestehen auch für uns?
Hatten die Experten bis vor Kurzem noch erwartet, dass der Ölpreis bei 40 $ seinen Sockel finden und sich anschließend langsam wieder nach oben bewegen werde, so hatte spätestens der Einmarsch Russlands in Syrien den Sinn insbesondere der arabischen Ölscheichs deutlich gewandelt. Ich wies in früheren Artikeln darauf hin: Die Sa’ud werden weder eine schiitische Barriere zwischen Libanon und Iran noch eine dauerhafte russische Militärpräsenz in ihrem Vorgarten dulden. Gleichzeitig werden sie – anders als Erdogan – alles vermeiden, was zu einer bewaffneten Konfrontation mit Putins Armee führen könnte. Statt dessen haben sie sich einmal mehr auf ihre schon 1973 erstmals genutzte, schärfste Waffe besonnen: das Erdöl. Drehten sie 1973 den westlichen Industrienationen wegen deren Unterstützung der Israelis den Ölhahn zu, so lassen sie derzeit den russischen Präsidenten in den Restfettstoffen fossilen Massensterbens ersaufen.

Putin steht das billige Erdöl schon bis zum Hals. Seine Währungsreserven schwinden dahin – nach Schätzungen auf Grundlage des aktuellen Ölpreises ist Russland in spätestens eineinhalb Jahren zahlungsunfähig. Geld dafür, seine zahlreichen, in den russischen Propaganda-Organen allwöchentlich hochgejubelten, hochmodernen Kampfmaschinen tatsächlich zur Serienreife und in die Produktion zu bringen, ist heute schon nicht mehr verfügbar. Hat sich der Spruch von den Potemkinschen Dörfern, mit denen die zaristische Propaganda dereinst die Illusion blühender Städte erzeugte, fest in den deutschen Sprachschatz eingepflegt,  so wäre es langsam an der Zeit, von den Putinschen Waffen zu sprechen.

Szenenwechsel. Ostsee. Syrien

Wie seit bald 24 Monaten waren auch im November die polnischen Flieger des NATO-Kommandos Ostsee, unterstützt durch in Litauen stationierte Bundeswehrmaschinen, mehrmals am Himmel, um die russischen Kollegen freundschaftlich aus dem NATO-Luftraum zu geleiten. Das letzte Mal hatten es die Russen bis kurz vor Rügen geschafft. Da die Piloten auf beiden Seiten über hervorragende Ausbildungen verfügen, kennt man sich fast schon persönlich. Beim Flug auf Sicht grüßt man sich, tauscht einige Worte aus – die Russen drehen ab und verschwinden wieder Richtung Osten.

Von „Ritualen“ spricht einer der NATO-Beteiligten. Solange die Russen mit Transponderkennung fliegen – und das tun sie zumindest dann, wenn sie in NATO-Luftraum eindringen – sei das kein Problem. Eine bewusste russische Provokation eben. Spielchen. Sollte allerdings eine Maschine ohne Kennung eindringen, könnte es ihr vielleicht ergehen wie jener SU-24, die von den Türken vom Himmel geholt wurde. Über NATO-Ostsee gehen die Russen dieses Risiko nicht ein. In Syrien allerdings schon.

Vor einem Jahr sah das noch anders aus. Die russischen Aktivitäten wurden nach konkreten Kriegsdrohungen Putins als Kriegshandlungen gewertet. Der europäische Friede stand auf Messers Schneide. Doch im Moment herrscht bei nach wie vor erhöhter Alarmbereitschaft über der Ostsee Entwarnung.

Das wird in Kreisen des NATO-Kommandos Europas hinsichtlich Türkei und Syrien deutlich anders gesehen. Es gibt Stimmen, die damit rechnen, dass in Syrien der Krieg unvermeidlich geworden ist. Eine direkte Konfrontation zwischen russischen Armee-Einheiten und dort stationierten US-Amerikanern.  Flankiert durch Türken, Araber, Franzosen, Briten – vielleicht sogar Deutschland. Russland provoziert, indem es ständig neue Waffen aus seinen Beständen nach Syrien verlagert. Die USA provozieren, indem sie das Weltall zum amerikanischen Eigentum erklären.

Szenenwechsel. Moskau

In Moskau wird die Luft dünn für Wladimir Putin. Sein Volk hat er längst ausgequetscht. Seine Mittelschicht – überwiegend ebenfalls im Staatsdienst oder von staatlich kontrollierten Arbeitgebern abhängig, lässt sich vielleicht noch etwas weiter ausnehmen.  Aber die Oligarchen haben langsam die Nase voll. Sie finanzierten Putin, den manche für den reichsten Mann der Welt halten, seine Winter-Olympiade. Sie müssen ihm seine Fußball-WM bezahlen. Und sie finanzieren die Abenteuer in Georgien, der Ukraine  – und nun auch noch in Syrien.

Eine Zeitlang haben sie sich von dem im Kreml  residierenden Chef des wie eine mafiöse Organisation agierenden KGB gern melken lassen. Es musste dabei vom vereinnahmten Volksvermögen aber immer genug übrig bleiben, um die eigenen Konten beharrlich zu füllen. Und die teuren Wünsche der Olgas und Svetlanas zu befriedigen, die zum Status des Oligarchen gehören wie das Sahnehäubchen auf den Wiener Kaffee. Doch die Olgas und Svetlanas sind unzufrieden. Putin hat ihnen ihr Spielzeug genommen. Erst die mondänen Urlaubsorte in den österreichischen Alpen und an der Cote Azur – nun auch noch die dagegen schon drittklassigen Destinationen in Ägypten und der Türkei. Ihr Unmut überträgt sich auf die Herren – die ohnehin schon zutiefst unglücklich sind, weil sie ihr Vermögen nicht mehr täglich wachsen, sondern beständig schwinden sehen.

Unglücklich ist auch das Militär. Bislang hat der Oberste Feldherr Russlands, Sergei Kuschogetowitsch Schoigu, getreu zu Putin gestanden. Der Halbtuwiner – eine turkmenisch-mongolische Volksgruppe aus dem Grenzgebiet zur Inneren Mongolei – gilt als langjähriger Gefolgsmann Putins.

Doch Schoigu ist auch Militär. Und das steht nicht erst seit Gründung der Sowjetunion der Polizeitruppe des KGB sowie dessen Vorgänger- und Nachfolge-Organisationen mit einer gewissen Arroganz und viel Skepsis gegenüber. Schoigu weiß, dass Russland keinen großen Krieg wagen darf. Denn nicht nur, dass die Putinschen Waffen Jahrzehnte weit entfernt sind von jeglicher Einsatzfähigkeit – Russland steht auch ohne jegliche Verbündete da. Der Armeegeneral weiß, dass ein konventioneller Krieg für Russland nicht zu gewinnen ist. Ihm ist auch bewusst, dass der Druck auf den Roten Knopf der Atomwaffe den finalen Untergang Russlands bedeuten würde.

Szenenwechsel.Peking

In Peking ist die Führung alles andere als glücklich. So lange sich Putins Spielchen auf Scharmützel in seinem Vorgarten beschränkten, mochte man darüber hinweg sehen. Doch ein großer Konflikt zwischen NATO und Russland ist – auch wenn man die USA gern ein wenig gestutzt sehen würde – um jeden Preis zu vermeiden. Er würde – neben allen anderen Unwägbarkeiten – unweigerlich den Welthandel zum Zusammenbruch bringen. Damit würde das sorgsam austarierte, innere Gefüge des Chinesischen Reichs zusammenbrechen und die Führung hinwegfegen. Die Mannschaft um Xi Jinping ist auf die US-EU-Märkte zwingend angewiesen. Sie weiß deshalb: Im Ernstfall wird es kaum die Möglichkeit geben, sich zurück zu lehnen. Sie weiß auch: Putin hat China nicht das Geringste zu bieten. Russland hingegen schon: Riesige Ländereien voller Rohstoffe, die China schon immer als sein natürliches Eigentum betrachtet hat. Peking denkt darüber nach, wie es sich im Konfliktfall verhalten wird. Eines ist dabei heute bereits ausgeschlossen: Ein Kriegsbeitritt auf Seiten Russlands.

Szenarien. Wolfsrudel

Putin ist kein russischer Bär. Er ist eher ein verschlagener, sibirischer Wolf. Er führt sein Rudel – und es folgt ihm, solange er genug Beute einbringt. Wölfe sind schlaue Tiere. Sie vermeiden den Angriff auf die Schafherde, wenn Schäferhunde die Gefahr bedeuten, dass sich der Wolf bei seinem Angriff verletzen könnte. Denn der Wolf weiß auch: Ist er verletzt, wird niemand da sein, der ihn wieder gesund pflegt. Das unterscheidet ihn vom Schäferhund, der sich auf die Fürsorge des Schäfers verlassen kann.

Putin, der Führer des Wolfsrudels, war so lange unangefochten, wie er Beute für sein Rudel einbringen konnte. Die nord-georgischen Gebiete waren solche Beute. Die Krim ist eine solche Beute. In der Ukraine aber stieß das Rudel unerwartet an seine Grenzen. Der Traum von Neu-Russland, von einer erweiterten russischen Schwarzmeerküste bis an die Ostgrenze Moldawiens, liegt auf Eis. Zwar konnte Putin noch über seine vorgeblichen, humanitären Hilfskonvois die Industrieanlagen des Donbass stehlen – doch der Rudelführer stieß an seine Grenzen.

Syrien sollte Ablenkung schaffen und neue Beute bringen. Stattdessen brachte es den Abschuss eines russischen Jagdbombers. Seitdem liegen die Nerven im Kreml blank. Man war davon ausgegangen, dass die Spielchen wie über der Ostsee von der NATO geduldet würden. Doch Erdogan ist kein Nordeuropäer. Vor allem sieht er durch Russland seine vitalen Interessen bedroht. Aus seiner Sicht zu recht.

Der Abschuss der SU-24 hat dem russischen Militär vorgeführt, dass es alles andere als unverwundbar ist. Schoigu spürt, dass seinem Militär ebenso wie der großen Mehrheit der ohnehin schon gebeutelten russischen Bevölkerung die Sinnfälligkeit des Syrien-Einsatzes nicht erklärbar ist.

Putin träumt davon, über den Syrien-Einsatz den Druck auf die Ölförderländer derart erhöhen zu können, dass die Ölpreise endlich wieder steigen und Russland vor dem Staatsbankrott bewahren. Die einfachen Russen wissen, dass sie selbst genug Öl und Gas haben, um davon Jahrzehnte zehren zu können. Warum sollen die Söhne in einem fernen Land dafür sterben? Warum sollen Russen für einen Assad sterben, der ihnen nicht das Geringste bedeutet?

Die Flucht ist versperrt.

Es rumort in Moskau. Putin ist übernächtigt, wirkt fahrig. Der Rudelführer steht mit dem Rücken zur Wand. Er ist deutlich angeschlagen. Er spürt, wie ihm die Macht unter den Fingern zerrinnt – und wie allerorten bis hinauf in höchste Führungsspitzen die Unzufriedenheit wächst. Deshalb muss er krampfhaft alle Fäden in den Händen halten, jeden Einsatz persönlich befehlen. Deshalb bekommt er kein Auge mehr zu und manövriert sich – wie einst Stalin – in die selbstverzehrende Paranoia.

Dabei könnte er sich eigentlich mit seinem zusammengeraubten Vermögen zurückziehen und seinen Lebensabend in vollen Zügen genießen. Eigentlich.

Volker Rühe sagte 2014 in kleinem Kreise, der wesentliche Vorzug der Demokratie sei nicht, dass man gewählt, sondern dass man ohne Gefahr für Leib und Leben abgewählt werden könne. Er hatte recht. Das Russland von heute ist keine Demokratie mehr. Falls es überhaupt jemals eine war. Putin hat scheinbar alles erreicht – doch wenn er eines natürlichen Todes sterben will, dann muss er wie einst Stalin als Alleinherrscher dahinscheiden. Wobei heute mehr als fraglich ist, ob Stalin tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben ist.

Putins Alternative wäre es, außerhalb des Zugriffs seiner Camarilla sein Leben irgendwo in einem fernen, netten Land in einer Luxusvilla ausklingen zu lassen. Putins Problem ist es: Für ihn gibt es kein solches Land. Der vor den Ukrainern fliehende Janukovic konnte nach Russland ausweichen. Wohin aber sollte Putin fliehen? Nord-Korea? Zimbabwe? Das wären vermutlich die einzigen Länder, die ihn heute aufnehmen würden. Vorausgesetzt, seine Schweizer Konten wären nicht gesperrt. Das aber ist für Putin alles andere als eine Alternative. So ist er auf Gedeih und Verderb auf den Verbleib in Russland angewiesen.

Kein Rückzug in Ehren

In einer zivilisierten Gesellschaft könnte man darüber nachdenken, dem gescheiterten Putin einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen, ihn intern abzulösen durch jemanden, der den inneren und äußeren Frieden wiederherstellt , und ihn – vergleichbar Gorbatschow – in Ruhe seinem Tod entgegen gehen zu lassen. Putins Problem: Er hat zu viel Blut an den Händen. Er hat sich bis in die höchsten Kreise zu viele Feinde gemacht, die nur darauf warten, sich zu rächen. Ein Putin, der nicht länger Rudelführer ist, wäre wie ein verletzter Wolf. Und Putin weiß, dass verletzte Leitwölfe im Zweifel die ersten sind, die vom eigenen Rudel zerfetzt werden. Einen Rückzug in Ehren wird es für Putin nicht geben. Die Zahl der Feinde ist zu groß.

Sehenden Auges in den Tod

Was aber bleibt dem Rudelführer, wenn kein Gebiet zum Ausweichen zu finden und kein Rückzug in Ehren möglich ist? Er kann nur bis zum Ende kämpfen – bis er zwangsläufig irgendwann dem Rudel doch zum Opfer fallen wird. Vielleicht kann er noch darauf hoffen, dass ihn vor diesem Zeitpunkt ein gnädiger Tod vor dem Zerfleischt-werden rettet.
So oder so muss er sein Rudel ständig disziplinieren. Das ist der eigentlich Grund, warum Putin einen Konflikt nach dem anderen vom Zaum bricht. Es geht dabei nicht um Mütterchen Russland, es geht auch nicht mehr um das private Vermögen – es geht nur noch um das persönliche Überleben und den dafür unverzichtbaren Machterhalt.

Das ist es, was den sonst rational denkenden Putin so gefährlich macht. Was, wenn das Syrien-Scharmützel nicht ausreicht, um die Meute im Zaum zu halten? Putins reale Ultima ratio ist jene, die schon Hitler beschrieb, als er feststellte: „Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein!“ Der klassische Nero-Befehl ist am Ende das, was den Diktator vor der Vernichtung durch seine Lakaien bewahren kann. Der eigene, heldenhafte Untergang ist dabei Teil der Inszenierung.

Putin hat die Möglichkeit zum Nero-Befehl. Er könnte jederzeit den finalen Atomkrieg vom Zaum brechen. Gedroht damit hat er schon mehr als einmal. Vermutlich sogar würde er es tun, wenn er sich damit den Platz eines Helden in den Geschichtsbüchern sichern könnte. Sein Problem: Nach dem Druck auf den roten Knopf würde niemand mehr da sein, der ihn als Helden verehren könnte.  Die ersehnte Unsterblichkeit fiele ins Nichts – und deshalb macht sie aus rationalen Erwägungen für Putin keinen Sinn.

Das Unbehagen des Militärs

Was also bleibt? Bei nüchterner Betrachtung nur die Feststellung, dass Putin eigentlich schon tot ist. Er ist es deshalb, weil ihm jeder denkbare Weg versperrt ist. Das könnte ihn zum Angstbeißer machen. Zu jemandem, der sein Versagen an der Menschheit mit deren Vernichtung bestrafen will.

Damit sind wir wieder bei Schoigu, der Putin bislang treu gedient hat. Der skrupellose Militär Schoigu hat – wie alle Militärs – Spaß an kleinen, überschaubaren Kriegen, die wegen der eigenen Überlegenheit nicht verloren werden können. Deshalb war Georgien möglich. Deshalb war Ukraine möglich. Und deshalb ist auch noch Syrien möglich. Aber nur, wenn für Schoigu und seine Generäle ein strategisches Ziel erkennbar und das Risiko überschaubar bleibt. Letzteres schien angesichts der „lame duck“ Obama gewährleistet. Erdogan allerdings hat es in Frage gestellt. Das Risiko ist nicht mehr überschaubar. Und das strategische Ziel?

Die Vernichtung des Islamischen Staates ist es nicht, denn der quält den Westen mehr als Russland. Die Stärkung des schiitischen Mullah-Regimes im Iran kann es auch nicht sein. Bleibt nur die Möglichkeit, sich als Unruhestifter in der Region dauerhaft zu etablieren. Aber – lohnt dieses Ziel, wenn darüber Russland wirtschaftlich zusammenbricht? Wenn der Generäle liebstes Spielzeug, jene Putinschen Waffen, auf ewig auf den Reißtischen der Ingenieure verharren? Wenn das eigene Land, nachdem es nun schon auf den Status eines Schwellenlandes zurückgefallen ist, in absehbarer Zeit in der Liga der Entwicklungsländer mitspielt?

Nicht wirklich. Und weil das so ist, wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich Militär und Oligarchen zusammenfinden und die jeden Einzelnen lähmende Furcht vor dem KGB als Chefetage der herrschenden Mafia überwinden. Spätestens dann, wenn es Putin tatsächlich wagen sollen wollte, einen Atomkrieg anzuzetteln, wird ihn sein eigenes Militär wegputschen. Auch ein ernsthafter Konflikt mit der NATO auf konventioneller Ebene würde das Fass zum Überlaufen bringen – weil das einsame und marode Russland diesen nicht gewinnen kann. Letztlich aber reicht schon die von Putins Unvermögen zu verantwortende,  gegenwärtige wirtschaftliche Situation, die Putins Hals in die Schlinge gelegt hat.

Der Westen wäre daher gut beraten, auf vorsätzliche Provokationen Russlands zu verzichten – und gleichzeitig von seiner aktuellen Linie nicht um einen Jota zurück zu weichen. So würde jedes Aufheben der Sanktionen, jedes Zurückweichen in der Ukraine und anderswo  Putins Agonie nur verlängern – und dennoch keinen Frieden organisieren können sondern vielmehr die Kriegsgefahr manifestieren.

Der Westen kann darauf vertrauen, dass Russland sein Problem Putin in absehbarer Zeit selbst regeln wird. In der Folge wird sich voraussichtlich eine Militärdiktatur etablieren. Denn eine Spaltung in pro-demokratische und pro-diktatorische Militärs wie seinerzeit 1991 wird es mangels demokratischer Führer bei dieser Machtübernahme nicht geben.
Das ist zwar aus westlicher Sicht keine Traumvorstellung – doch anders als subversive Geheimdienstler sind strategisch denkende Militärs am Ende berechenbar. Vor allem wollen sie keinen großen Krieg, weil sie dessen Ergebnis kennen.

Sollte Schoigu das marode Russland übernehmen, würde er behutsam den Konflikt mit dem Westen zurückfahren. Und der Westen wäre bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Vielleicht sogar bis hin zu einem zurückhaltenden Verrat an der Ukraine, der möglicherweise durch die EU- und NATO-Aufnahme wettgemacht werden würde.  Vor allem aber durch eine Reaktivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die Russland vor dem finalen Zusammenbruch bewahren und damit Schoigus Rolle als Retter Russlands manifestieren könnte.

Da Schoigu auch das weiß, hat er schon heute die besseren Karten in der Hand. Er muss nur noch auf den Moment warten, zu dem der Leitwolf derart geschwächt und dessen künstlich geschaffener öffentlicher Glorienschein am Erlöschen  ist, damit sein Rudel gemeinsam über ihn herfallen kann. Angesichts der desaströsen Situation Russlands wird dieser Zeitpunkt nicht mehr in allzu großer Ferne liegen.

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