Es gibt Augenblicke in der Geschichte eines Volkes, in denen die Maske fällt. Der 29. November 2025 in Gießen ist ein solcher. Wie der Staat seine Grundrechtsverpflichtung verlagert. Von Arian Aghashahi
picture alliance/dpa | Boris Roessler
Eine politische Partei wollte einen Jugendkongress abhalten. Ein verfassungsmäßiges Recht, verankert in Artikel 8 unseres Grundgesetzes. Jene jungen Deutschen, die es versuchten, trafen auf etwas, das man nur als organisierte Blockade beschreiben kann. Fünfzigtausend Menschen. Sechzehn Blockaden. Sechstausend Polizisten. Und darunter eine Struktur, die in ihrer Logik verstanden werden muss.
Der NGO-Komplex und seine Finanzierung
Beginnen wir mit einer sachlichen Feststellung. Die Blockaden in Gießen waren nicht das Werk eines spontanen Aufbegehrens. Sie waren das Werk organisierter Strukturen mit etablierter institutioneller Anbindung.
Diese sind keine privaten Vereinigungen im klassischen Sinne. Das sind Institutionen, die teilweise öffentlich finanziert werden, die in den Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung fallen. Sie werden, in gewisser Weise, von der Allgemeinheit bezahlt.
Und dann das Bündnis „Widersetzen“. Ein Netzwerk von linksradikalen Gruppen, Aktivistenkollektiven, NGOs. Viele dieser Gruppen leben von Subventionen, von Mitteln, die von Steuerzahlern kommen, also auch von AfD-Wählern, auch von denen, deren Versammlungsfreiheit gerade blockiert wird. Die verfassungsrechtliche Qualität dieser Förderung ist zentral: Wenn der Staat durch Subventionierung private Gruppen zur Verwirklichung seiner eigenen Ziele nutzt, verlässt er den Bereich der Ermöglichung und betritt den Bereich der Steuerung.
Das Ergebnis dieser Steuerung war eine koordinierte Kampagne der Gewalt.
Die Gewalt auf den Straßen
Bereits um 5:08 Uhr morgens hatten sich Fotografen der von der US-Administration als Terrororganisation eingestuften Antifa an den Hallenzugängen positioniert. Unter den Augen der Polizei fotografierten sie Delegierte und Journalisten ab. Die Aufnahmen landen auf linksextremen Portalen, wo zu Gewalt gegen die Abgebildeten aufgerufen wird.
Die dokumentierten Vorfälle an diesem Tag lesen sich wie ein Strafregister:
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Julian Schmidt wurde von mehreren Personen körperlich angegriffen. Er trug blaue und rote Flecken auf Nase und Jochbein davon. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen.
Der Berliner AfD-Politiker Martin Kohler versuchte, einem Rettungswagen folgend eine Blockade zu durchfahren. Demonstranten schlugen auf die Motorhaube ein und zerstörten die Heckscheibe seines Fahrzeugs.
Der Journalist Vadim Derksen von der Jungen Freiheit wurde mitten auf der Straße von Unbekannten angehalten. Sie gingen zur Fahrerseite und verlangten, dass er sich ausweise. Zivilisten, die Journalisten kontrollieren. Die Parallelen zu den dreißiger Jahren sind nicht zufällig.
— Vadim Derksen (@realDerksen) November 29, 2025
Wie auf TE bereits berichtet, wurde das Kamerateam von Tichys Einblick angegriffen, nachdem von der DGB-Bühne aus dazu aufgerufen wurde, mit den TE-Journalisten nicht zu sprechen und sie zu vertreiben. Daraufhin kreisen zwei Dutzend, meist vermummte DGB-Schläger, das Team ein und schlagen mit Fäusten auf die TE-Mitarbeiter ein.
Wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, oder nicht mehr willens ist, die Straße selbst zu kontrollieren, dann kontrollieren sie andere. Dann entsteht ein Raum, in dem die Gewalt von privaten Gruppen ausgeübt wird, aber mit stillschweigender Unterstützung des Staates.
Das ist nicht Anarchie. Das ist die schlimmste Form der Ordnung: die Herrschaft privater Gewalt mit staatlicher Billigung.
Der Vergleich zur Pandemie
Hier zeigt sich die Heuchelei in ihrer vollständigen Gestalt.
Während der Coronapandemie gab es Demonstrationen. Spaziergänge. Versammlungen, die gegen die Maßnahmen der Regierung protestierten. Der Staat ging gegen diese Demonstranten vor. Mit aller Härte. Wasserwerfern. Pfefferspray. Polizisten auf Pferden. Bußgelder in Millionenhöhe. Verurteilungen. Verhaftungen.
In Hamburg fuhr ein Polizeiauto durch den Jenischpark, um einen Jugendlichen zu verfolgen, der jemanden umarmt hatte. Die Hamburger Polizei erklärte damals: „Es war keine Option für uns, ihn laufen zu lassen.“ Das war Staatsgewalt in Aktion. Das war der hart durchgreifende Rechtsstaat, der sich gegen die gefährlichste Bedrohung der öffentlichen Ordnung stellte: einen Teenager, der gegen die Abstandsregeln verstieß.
Der Staat argumentierte, dass diese Maßnahmen notwendig seien. Um die öffentliche Ordnung zu schützen. Um die Sicherheit zu bewahren. Die Polizei war überall. Unnachgiebig. Rigoros. Menschen wurden angezeigt, weil sie auf Parkbänken saßen. Menschen wurden verhaftet, weil sie spazieren gingen. Der Staat zeigte seine Zähne.
Spulen wir schnell vor zum November 2025. Jetzt gehen nicht Demonstranten auf die Straße. Jetzt geht ein bewaffneter Mob auf die Straße. Menschen in Vermummung. Menschen mit Bengalos und Fackeln. Menschen, die auf Polizisten werfen. Menschen, die Autos attackieren. Menschen, die versuchen, eine Polizeiabsperrung an einem Umspannwerk zu durchbrechen.
Und der Staat geht weniger rigoros vor. Die Polizei ist präsent, aber die Blockaden werden nicht rücksichtslos geräumt. Die Straße wird nicht vollständig befreit. Die Versammlung findet zwar statt, aber sie findet nicht statt.
Der Unterschied liegt eben darin, wer blockiert wird. Die Demonstranten gegen Corona wurden als Bedrohung der Ordnung gesehen. Die Blockierer in Gießen werden als Verteidiger der Ordnung gesehen. Eine Ordnung, die man bewahren will. Eine Ordnung, die von oben kommt.
Das ist das eigentliche Skandalon.
Der Oberflächenschein und die tiefere Logik
An der Oberfläche sieht es so aus, als hätte der Staat die AfD geschützt. Sechstausend Polizisten waren da. Die Veranstaltung fand statt, wenn auch verspätet. Der Gründungskongress der „Generation Deutschland“ wurde nicht vollständig verhindert.
Aber das ist nur die Oberflächenbetrachtung.
Die tiefere Logik ist diese: Der Staat hatte die Wahl. Er hätte die Blockaden nicht nur räumen können. Er hätte sie müssen. Mit der gleichen Rigidität, mit der er gegen Corona-Demonstranten vorgegangen war. Die Straße hätte geräumt werden müssen. Die Barrikaden hätten entfernt werden müssen. Die Menschen, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, hätten verhaftet werden müssen.
Aber das alles geschah nur halbherzig. Warum? Die Antwort liegt in der Raffinesse des Systems selbst.
Die Raffinesse des Systems
Ein Geist durchwaltet die Institutionen, der diese Blockade insgeheim nicht zu hindern wünschte. Der Staat durfte die Veranstaltung nicht verbieten, denn das hätte die Maske fallen lassen. Ein direktes Verbot hätte einer Grundrechtsbeschränkung nach Art. 19 Abs. 1 GG bedurft, also einer Beschränkung durch oder aufgrund eines Gesetzes, die verhältnismäßig sein müsste. Das wäre zu offensichtlich gewesen.
Doch derselbe Geist wollte auch nicht, dass die Versammlung ungehindert stattfinde. So wählte er einen dritten Weg: Man ließ die Blockaden zu, während man gleichzeitig so tat, als wolle man die Veranstaltung schützen.
Das ist das Symbol von Gießen: Ein Grundrecht, das ausgeübt wurde und nicht ausgeübt wurde. Eine Versammlung, die stattfand und nicht stattfand.
Was hier geschieht, ist eine Verlagerung von Grundrechtsverletzungen auf der dogmatischen Ebene. Die klassische Verfassungsdogmatik verstand Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Vertikal: Staat oben, Bürger unten, Grundrechte als Schutzschild.
Aber Gießen zeigt etwas anderes. Die Grundrechtsverletzung findet nicht vertikal statt. Sie findet horizontal statt, von Bürgern gegen Bürgern. Der Staat erließ kein Verbot. Der Staat finanziert und organisiert Gruppen, die genau diesen Effekt erzielen. Der Staat wird zum mittelbaren Akteur, ohne die Hand selbst zu regen.
In der Sprache des Strafrechts nennt man dies mittelbare Täterschaft. Der Staat nutzt andere als Werkzeuge. Der Staat beherrscht nicht die Tat, sondern den Willen desjenigen, der handelt. Die Finanzierung durch staatliche Mittel ist dabei nicht Beiwerk. Sie ist das Fundament dieser Herrschaft über den Willen.
Das ist die Raffinesse: Der Staat verletzt die Grundrechte nicht direkt, daher greift die klassische Verfassungsbeschwerde nicht. Der Staat ermöglicht die Verletzung durch andere, daher ist es schwer, dies überhaupt als Staatstätigkeit zu qualifizieren. Die Kategorien von Verbot und Erlaubnis, von Staat und Bürger, sind aufgelöst. Der Täter ist überall und nirgendwo.
Arian Aghashahi ist Jurist und Geschäftsführer des Centre for Trade & Cooperation in Berlin. Er ist Visiting Fellow des Danube Institute in Budapest und Senior Advisor der Denkfabrik TRENDS Global Advisory in Abu Dhabi.




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Deshalb werden sie alles tun, um eine Landesregierung der Afd zu verhindern.
Sehr guter Artikel. Folgerichtig erkannt: Es handelt sich um – steuergeldfinanzierten – Staatsterror. Mit Demokratie hat das „Unseredemokratie“- Einheitsparteikartell mMn. nichts mehr zu tun.
Staatliche und halbstaatliche Stellen waren und sind Komplizen dieser Terroristen. Wer aber ein Komplize eines Terroristen ist, ist selbst ein Terrorist.
„Civilizations die from suicide, not by murder“ (Arnold J. Toynbee)
Was mit Blick auf diesen vom Altparteienkartell übernommener Staat wohl geschehen würde, wenn ein Teil der Bürger…..? – – – Da dieser Staat offensichtlich nicht mehr fähig oder nicht mehr willens ist ALLE seine Bürger gleich zu behandeln und gleich zu schützen, wäre doch eine logische Reaktion und Antwort darauf, dass nun die von den grünlinken und dem schwarzvermummten Mob immer wieder und teils selbst auch mit Hämmern und Totschlägern angegriffenen und vom Staat nicht mehr geschützten Bürger damit beginnen sollten für ihre Sicherheit und ihren Schutz selber zu sorgen und dabei dann selbst -auch- grünlinke Methoden anwenden werden (müssen).… Mehr
Die Finanzierung einer Straftat ist eine Beihilfe i.S.d. Paragraph 27 StGB und somit strafbar.
Blöd nur, wenn es der Gesetzgeber ist und die Justiz weisungsgebunden.
„Die Raffinesse des Systems“
Wenn sie nichts auf die Reihe kriegen im Rahmen ihrer eigentlichen Aufgaben und Pflichten – raffiniert (und hinterhältig) sind sie.
Übrigens ein Kennzeichen von Politik in Deutschland seit es die Sozialdemokratie gibt.
Sehr guter Artikel !
“ dieHerrschaft privater Gewalt mit staatlicher Billigung“ – Dafür bezahle ich keine Steuern, da werden Steuern zum Raub. Eine solche Polizei braucht auch niemand.
Gewerkschaft kann man kündigen, tun sowieso wenig bis nix für die Mitglieder.
Bin 73 Jahre alt, war Vertrauensmann im Betrieb, Gewerkschaft und Partei-Mitgliedschaft (SPD) gekündigt, nach der niedrigsten Lohneinführung von Kanzler Schröder in EUROPA.
Der „beste Niedriglohnsektor“, der in Europa geschaffen wurde, bleibt weiterhin eine Konstante der deutschen Arbeitsmarktverhältnisse: 2018 gab es 8 Millionen Niedriglohnjobs – Aktuelle Sozialpolitik
Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir solche Bilder sehen. Das hat mit „wehrhafter Demokratie“ rein gar nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit einem brandgefährlichen, gewaltbereiten linken Mob als verlängerter Arm einer ideologisch agierenden Bundesregierung. Wahrscheinlich auch noch finanziert mit öffentlichen Geldern. All dies ist nichts anderes als ein Vorbote eines neu aufkeimenden Faschismus. Die deutsche Demokratie hat fertig, wie Trap sagen würde.
Natürlich finanziert mit Ihren und meinen abgepressten Steuergelder, womit denn sonst.