China – Der Drache im Teufelskreis

Zur Lage in China erklärt unser Autor, warum ein Aufstieg Chinas zur Weltmacht nicht bevorsteht, warum aber auch ein Zusammenbruch des KPCh-Staates in absehbarer Zukunft mit höchster Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

In den deutschen Medien dominieren bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Volksrepublik China vor allem zwei Meinungen.

  1. Der baldige Zusammenbruch des KPCh-Staates wird vorausgesagt.
  2. Der unaufhaltsame Aufstieg Chinas zur Weltmacht wird prophezeit, die die westliche Dominanz der letzten dreihunderte Jahre ablösen soll.

In Folgenden werde ich jedoch erklären, warum keine dieser Thesen für das absehbare zukünftige China zutrifft.

I. Totalitäre Durchdringung der Gesellschaft durch den Parteiapparat zum Machterhalt

Um das Herrschaftsdogma der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas zu verstehen, braucht man lediglich ein paar Blicke in die Geschichte zu werfen:

Jede Herrscherdynastie in der Geschichte Chinas hat nach den Gründen gesucht, die zum Zusammenbruch ihrer Vorgängerdynatie geführt haben.  Jede Dynastie versuchte daraufhin, aus den Fehlern ihrer Vorgängerdynastie zu lernen und dafür zu sorgen, dass dieselben Fehler nicht wiederholt werden.

1. 1. Lehren der altchinesischen Dynastien aus ihren Vorgängern

So haben die äußerst brutalen Gesetzgebungen und die drakonische legalistische Herrschaftspraxis der ersten chinesischen Kaiserdynastie der aus dem „wilden Westen“ stammenden Qin entscheidend dazu beigetragen, dass das Reich schon wenige Jahrzehnte nach der Ausrufung des Kaisertums von Aufständischen in den Untergang gerissen wurde. Daraufhin ergänzte das Kaiserhaus der aus den Trümmerfeldern der ersten Kaiserdynastie emporgekommenen Han das strafende legalistische Staatssystem durch ein belehrendes konfuzianisches Moralsystem, welches zu einer langen Stabilität des Reiches führte.

So haben das militärische Talent und die Schlagkraft der Militärgouverneure der chinesischen Kaiser der Tang-Dynastie zum Aufstieg Chinas zum mächtigsten Reich der damaligen Welt beigetragen, dessen Einflusssphäre sich von der Grenze Persiens bis nach Korea, und von Sibirien bis nach Vietnam erstreckte.  Gleichzeitig wurde der rasante Niedergang des Tang-Imperiums durch die Macht der Militärgouverneure besiegelt. Die Rebellion des sogdisch-chinesischen Kriegsherrn An Lushan fügte dem Reich einen solchen vernichtenden materiellen wie menschlichen Verlust zu, dass sich das Reich nie mehr davon erholt hat. Millionen Menschen wurden durch die Raubzüge der Kriegsparteien getötet und das Reich geriet in immer größere Abhängigkeit von den Militärgouverneuren, die zwar den Aufstand von Anlushan niederschlagen konnten, aber gleichzeitig die Autorität des Kaiserhauses untergraben haben. Der Untergang der Tang war zementiert.

Das darauffolgende chinesische Song-Reich zog seine Lehre aus dem Niedergang des einst mächtigen Tang-Imperiums und schaffte einen Großteil der Machtbefugnisse der Generäle ab. Fortan wurden die kaiserlichen Armeen von den konfuzianischen Gelehrten-Beamten strengst kontrolliert und geführt. Gleichzeitig fiel die gesellschaftliche Stellung von Soldaten ins Bodenlose. Ein goldenes Zeitalter des konfuzianischen Gelehrtentums begann. Das Militär freilich verlor wegen der militärisch unerfahrenen Gelehrten als Heeresführer und dem Verlust der Zuchtgebiete für Pferde im Norden und Nordwesten an Schlagkraft.

Von Anfang an war das militärisch schwache Reich der Song jedoch einer ständigen Bedrohung durch Außen ausgesetzt – zunächst durch die Kitan (Reich Groß-Liao), dann durch die Jurchen (Reich Groß-Jin) und schließlich durch die Mongolen (Reich Groß-Yuan). Statt sich mit den Reichen der Steppenvölker militärisch auseinanderzusetzen, praktizierten die Herrscher der Song lieber eine Politik der Kompromisse und Entspannung gegenüber den Nordvölkern, um sie zu besänftigen.

Die Chinesen zahlten den Nordreichen eine enorme Summe an Tributen, in der Hoffnung, ihnen die Aggression nehmen zu können. Obwohl diese Taktik zum Teil recht erfolgreich war (etwa gegenüber den Kitan und Jurchen), endete das Reich letztendlich in einer totalen Niederlage und totalen Unterwerfung durch die Mongolen. Es war das erste Mal, dass das gesamte Chinesische Reich von einem fremden Volk unterworfen wurde. Die Unterwerfung Chinas brachte gleichzeitig die Politik der Tributzahlungen gegenüber den Steppenvölkern bei den chinesischen Intellektuellen in Verruf.

Nach der Vertreibung der Mongolen aus China durch den legendären Gründerkaiser der Ming-Dynastie Zhu Yuanzhang verfolgten die Chinesen daraufhin eine Politik der Abgrenzung zu den Steppenvölkern. Keine Kompromisse! Keine Kapitulation! Keine Tribut-Zahlungen! Keine Vermählungen der chinesischen Prinzessinen mit den Prinzen von Steppenfürsten! Diese Politik durchlief die gesamte Ming-Dynastie, selbst als Anno 1449 die Heere des Mongolenfürsten Esen Tayishi mit dem zuvor in der Schlacht gefangen genommenen Zhu-Kaiser vor den Toren Pekings standen, und blieb bis zum bitteren Ende die Staatsräson der Ming schlechthin. Als der Mongolenfürst Altan Khan den chinesischen Kaiser um eine gegenseitige Handelsbeziehung bat, ließ Kaiser Zhu Houcong die gesamte mongolische Gesandtschaft hinrichten. Es war den Ming selbstverständlich klar, dass die Mongolen dies mit Vergeltung und vor allem mit Raubzügen rächen würden, um das zu nehmen, wo ihnen der Handel verwehrt wurde. Aber dies nahmen die Ming in Kauf.

Als der Krieg gegen die aufstrebenden Mandschu im frühen 17. Jahrhundert den Chinesen eine Niederlage nach der anderen einbrachte, kam eine Friedensverhandlung trotzdem für die Entscheidungsträger der Ming niemals in Frage, auch wenn innerhalb des Reiches bereits chinesische Aufständische eine Stadt nach der anderen einnahmen und dem durch Krieg und Hungersnot (ausgelöst durch die sogenannte Kleine Eiszeit in Ostasien) ausgezehrten und finanziell klammen Reich ein Zweifrontenkrieg gegen den Feind im Innern und Außen offenbar nicht gewachsen war. Selbst wenn der Kaiser einen Frieden mit den Mandschu gewollt hätte, wäre er kläglich an dem massiven Wiederstand der gesamten Konfuzianischen Beamtenschaft gescheitert, die als Meinungsführer der Gesellschaft fungierten.

Ich kann noch viele weitere Beispiele nennen, die allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.

1.2. Lehren aus der Beiyang-Regierung und KMT-Regierung für die KPCh

Jetzt kommen wir zu der Kommunistischen Partei Chinas. Betrachtet man den Aufstieg der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), so kann man nur feststellen, dass der Aufstieg der KPCh ohne die eklatante Schwäche der chinesischen Beiyang-Regierung (Beiyang-Warlords) und der darauf folgenden Nationalregierung (Kuomintang) gegenüber den Oppositionellen und den Systemkritikern nicht möglich gewesen wäre.

Wir können uns ein einfaches Beispiel in Erinnerung rufen:

Im Jahre 1920 verfasste der damals 27-järhige Mao Zedong mehrere Zeitungsartikel, die jeweils in einer Zeitung in Hunan und in Schanghai veröffentlicht wurden. Darin propagierte er offen die Errichtung einer unabhängigen Republik Hunan (die Provinz, in der er geboren wurde) und gegen die Einheit der chinesischen Nation. Er sprach sich für die Auflösung des chinesischen Staates in verschiedene unabhängige Provinzen aus.

Zitat 1, Mao:

„Ich will ein neues zukünftiges echtes China errichten, indem das heutige falsche China zerschlagen wird. Zumindest dürfen Nord- und Südchina keine Einheit bleiben. Dann sollen einzelne Provinzen selbst bestimmen und selbst regieren können. Die Selbstbestimmung und die Selbstverwaltung bilden die einzige Möglichkeit zur Errichtung des echten Chinas.“

(10. Oktober 1920, „Gegen die Einheit“, Mao)

Zitat 2, Mao:

„Es muss den Menschen klar sein, dass der Aufbau der gesamten Nation in der derzeitigen Phase hoffnungslos ist. Die beste Möglichkeit besteht folglich darin, dass wir gar nicht erst das Land aufbauen, sondern es einfach abspalten und einen separaten Aufbau der einzelnen Provinzen anstreben und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen der einzelnen Provinzen realisieren. Die 22 Provinzen, drei Sonderbezirke, zwei Autonomie-Gebiete, insgesamt 27 Regionen, sollen am besten in 27 Staaten abgespalten werden.“

(3. September 1920, „das Grundlegende Problem des Aufbaus Hunans- Republik Hunan“, Mao)

Würde jemand solche Artikel in der heutigen Volksrepublik China veröffentlichen, dann sei ihm gewiss, dass ihn als einen geouteten Separatisten eine harte Strafe erwartet. Unter der Herrschaft von Mao hätte so jemand für jeden einzelnen solchen Artikel wegen Konterevolution einen Genickschuß erhalten. Heute, im Jahre 2016, würde so jemand wegen „Intrige/ oder Anstiftung zur Subversion gegen die Regierung“, „Gefährung der Staatssicherheit“ oder „Abspaltung der Nation“ zu langer Haft verurteilt werden. Obendrein würde keine chinesische Zeitung, ob regional oder national, es wagen, solche dreiste „Blasphemie“ zu veröffentlichen. Würde eine Zeitung trotzdem dieses Wagnis eingehen, dann sei auch dieser Zeitung gewiss, dass die gesamte Redaktion ausgetauscht, die alte ihre Jobs verlieren und ebenfalls  harte Strafen verbüßen würde.

Stattdessen kam der junge Mao unter der „finsteren und reaktionären Beiyang-Regierung“ unbehelligt davon.

Wer die chinesische Geschichte kennt, weiss, dass gerade in der Phase der relativ lockeren staatlichen Kontrolle über die Gesellschaft eine Blüte der verschiedenen Gedankenströme stattfand. Zum Beispiel in der „Zeit des Frühlings und des Herbstes“, während der „Streitenden Reiche“, in der späteren Ming-Dynastie und eben auch in der Republikära 1911-1949.

Vor allem unter der Beiyang-Herrschaft nach dem Zusammenbruch des letzten Kaiserreiches (der mandschurischen Qing) konnten verschiedene Ideologien und Gedankenströme in China emporströmen und staatsfeindliche Organisationen wie die Kommunisten gedeihen und wachsen. Zumindest konnten die verschiedenen „jungen Maos“ unter dieser relativen Freiheit unbehelligt ihren subversiven Tätigkeiten nachgehen. Gleichzeitig erhielt die KPCh massive Unterstützungen von der Sowjetunion, ohne welche die Partei auch niemals groß geworden wäre (Waffenunterstützung von Russland an die Kuomintang war zum Beispiel an die Aufnahme der KPCh-Mitglieder in die KMT geknüpft, sodass die KPCh auf die gesellschaftlichen Kräfte der KMT zurückgreifen und rasch gedeihen konnte).

Die nachfolgende Nationalregierung der Kuomintang ging unter der Führung von Chiang Kai-Shek zwar brutal gegen die Kommunisten vor, duldete jedoch weitgehend die Meinungen der damals vorherrschenden linken und pro-kommunistischen Intelligenz. So konnte zum Beispiel das KPCh-Mitglied Yuan Shuipai, der langjährig bei den Medien „Xinmingbao“ und „Dagongbao“ angestellt war, trotz der Medienzensur mehr als 300 regierungskritische Balladen veröffentlichen, die unverhohlen die Korruption und das Chaos in den Gebieten unter der Kontrolle der Nationalregierung verhöhnten.

Welche chinesische Hochschule und welches chinesisches Medium würde heute zutage einen solchen Regimekritiker in den eigenen Reihen dulden?

Diese relative Toleranz der nationalchinesischen Regierung gegenüber ihren politischen Gegnern wurde von der KPCh als Schwäche ausgenutzt, um die Meinungen in der Bevölkerung zugunsten der KPCh und zulasten der Regierung zu beeinflussen (zumal die KPCh damals keine Regierungsverantwortung hatte, die Regierung dagegen aber nur alles falsch machen konnte), Studenten und Gewerkschaftler auf die Straßen zu schicken, die Wirtschaft durch Arbeiterbewegungen und Streiks zu zersetzen und letztendlich den chinesischen Bürgerkrieg zu ihrem Vorteil zu wenden.

Fakt bleibt, dass die KMT vor ihrem Rückzug nach Taiwan keine alle gesellschaftlichen Schichten durchdringende totalitäre Einheitspartei war, die ihre Herrschaft autoritär, aber nicht totalitär ausübte. Genau dies war in einer Zeit der fremden Invasion (Japan), der bewaffneten Rebellion im Inland (KPCh und zahlreiche Warlords) und der wirtschaftlichen Krise aufgrund all dieser Konflikte eine fatale Schwäche, die letztendlich der KMT ihre Herrschaft auf dem chinesischen Festland gekostet hat.

Nach der bitteren Niederlage, bei der Millionen KMT-Anhänger ihrer Heimat beraubt wurden, studierte die KMT-Führung ihre eigenen Fehler und baute danach den gesamten Partei- und Staatsapparat um. Nach ihrem Rückzug nach Taiwan wurde die KMT eine totalitäre, straffe, alle gesellschaftlichen Schichten durchdringende Einheitspartei, die brutal, aber effektiv die Subversion- und Infiltrierungsversuche der KPCh auf Taiwan abgewehrt hat. Aus der KMT wurde eine andere Partei auf Taiwan. Es war ein radikaler Kurswechsel, der jedoch möglicherweise die Republik China in den Wirren nach dem Verlust des Festlandes zumindest in Taiwan vor dem Untergang bewahrt hat.

Die KPCh-Strategen haben ebenfalls die Fehler ihrer „Vorgängerdynastie“ studiert, um deren Fehler während ihrer eigenen Herrschaft zu vermeiden. Beispiel Mediengesetz. Chen Yun, der zu der alten Eminenz der KPCh gehörte, hat aus der Medienpolitik der KMT den Schluss gezogen, dass die blosse Existenz eines Mediengesetzes der KMT-Nationalregierung der KPCh die Gelegenheiten verschafft hätte, die Gesetzeslücken zu studieren und auszunutzen. Darum sollte die KPCh nach seiner Meinung kein entsprechendes Mediengesetz verabschieden, um die Ausnutzung von Gesetzeslücken durch Regimegegner zu vermeiden. Ohne ein Mediengesetz kann die Regierung nämlich die Medien nach Belieben kontrollieren.

Betrachtet man weitere äußeren Faktoren, die die Machtergreifung der KPCh wesentlich begünstigt haben, so stellt man weitere Aspekte fest:

  • Unterstützung der politischen Opposition durch eine fremde Macht. Ohne eine massive Unterstützung durch eine fremde Macht (Sowjetrussland) wäre der Aufstieg der KPCh von vornherein ausgeschlossen gewesen.
  • Äußerst unvorteilhafte außenpolitische Umgebung. Mit der Sowjetunion (etwa der Einmarsch der Sowjets in die Mandschurei 1929, um deren Privilegien dort zu sichern) und dem Kaiserreich Großjapan hat die Nationalchinesische Regierung gleich zwei Aggressoren an der Grenze. Insbesondere der achtjährige Krieg Japans mit China hat fast sämtliche wirtschaftspolitische Errungenschaften der KMT in den Jahren 1928-36 ausgezehrt. Obendrein hat der Krieg ein enormes Machtvakuum im besetzten Nordchina geschaffen, wodurch die Privatarmee der politische Gegner, also der KPCh, enorm an Mannstärke dazu gewinnen konnte.
  • Große soziale Spannungen, die infolge des Kriegs gegen Japan und des daraus resultierenden Wirtschaftskollapses äußerst verschärft wurden.
  • Verheerende Korruption innerhalb der KMT-Regierung, die sich vor allem nach dem Sieg im entbehrungsreichen Krieg gegen Japan ab 1945 besonders verschlimmerte. Wobei gesagt werden muss, dass die Korruption allein noch nie eine Herrschaftsdynastie zu Fall gebracht hat, wenn nicht noch weitere entscheidende Faktoren wie die Existenz einer starken militärischen Rebellion dazu gekommen wären.
1.3. Fazit

Die relative Toleranz insbesondere der Beiyang-Regierung, aber auch der Nationalregierung gegenüber den Kommunisten, und ihr politischer Pluralismus gehören zu den wichtigsten Gründen für deren Scheitern in China und den Aufstieg der KPCh zur Herrschaftsmacht über China. Das ist den heutigen Machthabern der KPCh bestens vertraut. Darum gehört es seit jeher zur Staatsräson des KPCh-Staates, dass diese Fehler der KMT von der KPCh nicht wiederholt werden dürfen.

Damit kann man sich in Europa von der Vorstellung getrost verabschieden, dass von der KPCh ausgehend eine politische Reform im Sinne von mehr Pressefreiheit oder generell Machtübertragung auf Dritte zu rechnen wäre. Denn jede politische Reform in Richtung eines Rechtstaates und eines politisch pluralistischen Staates (sodass die KPCh auch durch Dritte effektiv kontrolliert werden könnte) würde zwangsläufig auf Kosten des Machtmonopols der KPCh gehen. Aus diesem Grunde ist die KPCh bis heute eine totalitäre, alle gesellschaftlichen Schichten durchdringende Einheitspartei geblieben, die seit jeher hartnäckig an ihrem Machtmonopol in sämtlichen staatlichen, halbstaatlichen, aber auch privatrechtlichen Ressourcen Chinas festhält. Zusammen gefasst kann man behaupten, dass für die KPCh der Machterhalt ihr einziges Universum darstellt.

Die totalitäre Durchdringung der Gesellschaft und die chinesische Version der Gleichschaltung durch die KPCh bedeutet in China in der Realität, dass fast sämtliche Führungskräfte der Behörden, der staatlichen Unternehmen, der staatlichen Institutionen wie Universitäten, Gymnasien und Forschungsakademien, Kader der KPCh sein müssen. Ich rede von fast, weil die wenigen Nicht-KPChler aus den wenigen Blockparteien stammen, die sich unter der vollständigen Kontrolle der KPCh befinden. Die totalitäre Durchdringung bedeutet aber auch, dass etwa das Parteikomitee für Politik und Justiz der KPCh die Kontrolle über die Rechtsprechung (Volksgerichte) und Sicherheitsbehörden (Polizei, Staatssicherheit) behält. Totale Durchdringung bedeutet, dass alle chinesischen Medien in Festlandchina der Zensur der Propagandaabteilung der KPCh unterliegen. Zugleich muss der „First-Hand“ einer Regierungsbehörde stets der Parteichef in der jeweiligen Behörde sein.

Totale Durchdringung bedeutet auch, dass selbst in ausländischen Unternehmen, die in China investieren und sich in China niederlassen, Parteizellen der KPCh installiert werden müssen.

Dadurch, dass sämtliche Organisationen in China der Partei unterzuordnen haben, sind auch die chinesischen Gewerkschaften fest in die Parteistruktur der KPCh eingebunden. Dies hat zur Folge, dass die chinesischen Gewerkschaften im Grunde genommen nicht das Interesse der Arbeiter vertreten, sondern lediglich dazu da sind, um die Arbeiter zu kontrollieren und klein zu halten.

Darüber hinaus müssen alle Soldaten des chinesischen Staates der Partei Treue schwören. Die VR China verfügt aber nicht nur über 2,2 Millionen reguläre Soldaten mit modernsten Kriegsgeräten, sondern auch über 1,1 Millionen sogenannte „Bewaffnete Polizisten“, die übrigens im Unterschied zur „Volkspolizei“ Soldatenstatus haben und entsprechend militärisch organisiert und bewaffnet sind.

Daneben hat es die KPCh seit dem ehemaligen Parteichef Jiang Zemin geschafft, die Elite der Privatunternehmen durch die Partei zu absorbieren. Eine Parteimitgliedschaft für Privatunternehmer und Großindustrielle, eigentlich unvereinbar mit den Grundsätzen einer Kommunistischen Partei, wurde unter Jiang Zemin durchgesetzt. Es geht der KPCh nun nicht mehr um das Ausleben der kommunistischen Ideologie, sondern einzig um den Erhalt der Macht. Und die akademische Elite? Wie erwähnt gehören Hochschulen und Forschungsakademien in China zu staatlichen Einrichtungen. Die höchste Forschungseinrichtung in China, die Chinesische Akademie der Wissenschaften, wird einem nationalen Ministerium gleichgestellt. Die akademische Elite Chinas steht daher nicht nur zumeist auf der Seite der KPCh, sie gehört zum Staats- und Parteiapparat, inklusive all den damit verbundenen Vorteilen und Privilegien (wie bessere Gesundheitsversorgung, üppige Rente, vergünstige Eigentumswohnungen).

Darüber hinaus machen die ethnischen Chinesen, d.h. die Han-Chinesen, die größte Mehrheit in den allermeisten Provinzen Chinas aus. Nur in Xinjiang und Tibet stellen sie keine Mehrheit der Zivilbevölkerung dar. Jedoch stehen diese Grenzprovinzen unter der Kontrolle von vielen chinesischen Armee- und Garnisonsverbänden. Die ethnische Zusammensetzung ist daher nicht mit der ehemaligen UdSSR vergleichbar. Ein Aufkommen von umwälzenden Unabhängigkeitsbewegungen wie in Sowjetrussland ist in China weder abzusehen noch gegen die Übermacht der Han-Chinesen durchführbar.

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