Bei Lanz: Bundestagspräsidentin versus Bundestagsabgeordnete

Julia Klöckner muss sich allerhand Kritik von Markus Lanz anhören. Vom Verbreiten von „Merz macht Dunja Hayali fertig“ über ihren taz-Nius-Vergleich bis hin zum fehlenden Bundestagsvizepräsidenten der AfD. Da kann man schon mal aus der Rolle fallen.

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Am Mittwochabend sitzt die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner Markus Lanz gegenüber – wohlgemerkt: die Bundestagspräsidentin. Am Anfang scheint noch alles harmonisch abzulaufen. Es geht um die Ausübung ihres Amts, den Wandel der Debattenkultur und ihr strenges – aber nicht sonderlich geschätztes – Durchgreifen. Als zweithöchstes Amt, betont Lanz, da kommt schon einiges auf einen zu.

Viel reisen würde Klöckner auch, so zum Beispiel nach Kanada zum G7-Treffen. Dort wurde über Polarisierung und Desinformierung, aber auch die Bedrohung gesprochen, welche immer weiter für Politiker ansteigt. „Haben Sie auch?“, fragt Lanz mitfühlend. „Ja, das gehört sicherlich zur Jobbeschreibung mittlerweile dazu.“ Und sie erzählt noch weiter: „Ich rufe Leute an, wenn ich richtig gut drauf bin und ein bisschen Zeit habe.“ Lanz ist begeistert. Ob sie sich wohl dadurch die Erhöhung der Geldleistungen an die Fraktionen ab nächstem Jahr um 3,21 Prozent verdient haben?

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Immer noch harmonisch, interessiert sich Lanz weiter für Klöckners Job als Bundestagspräsidentin. Im Bundestag wird immer mehr „geschrieen, verkürzt oder provoziert“ um so später Kurzvideos für die sozialen Medien zu erstellen, so ihre These. Klöckner versucht, diesem Trend Einhalt zu gebieten. Woher die „Krise der Demokratie“ kommt, will Lanz wissen. Na, von den „Politikern, die selber zuspitzen“ – Sie wissen schon welche – und den „Journalisten, die zuspitzen“ – Sie wissen schon welche –, aber noch einen Punkt nennt Julia Klöckner: Es sind natürlich auch die Leute, welche „den Wunsch nach autoritären Ansagen, nach einem starken Mann oder einer starken Frau“ haben. Also keine guten Karten für die Union – auch wenn Klöckner in ihrem neuen Amt genau das versucht.

Richtig gelingen will ihr das anscheinend nicht. Denn dann schießt Lanz schon mit der ersten Ladung Kritik los. „Die AfD hat keinen Bundestagsvizepräsidenten. Finden Sie das gut?“ Natürlich ist darauf keine ehrliche Antwort zu erwarten, wenn vorher die Krise der Demokratie verkündet wurde. Klöckner wiederholt also das bekannte Geplapper: „Die AfD hat wie jede andere Fraktion das Recht […] und dann findet eine freie, geheime Wahl der Abgeordneten statt. Und eine Wahl ist es dann, wenn nicht vorher festgelegt wird, was dabei herauskommt.“ Eine Wahl, die so deutlich sabotiert wurde, ist für Klöckner keine „Krise der Demokratie“. Für Lanz dagegen könnte das eine Krise für die CDU werden: „Haben Sie keine Angst, dass das Ihre Partei, die CDU, zerreißt? Dass man irgendwann sagt, bevor wir gar nicht mehr dabei sind und bevor wir den Wählerwillen einfach ignorieren, lass uns doch lieber Schwarz-Blau machen, bevor wir Blau-Schwarz machen müssen.“ Nein, also „spekulieren“ wolle sie nun nicht – sie sei doch als Bundestagspräsidentin eingeladen, und nicht als Bundestagsabgeordnete.

Als das Gespräch aber dann die Seiten wechselt – genauer gesagt zur Linksfraktion –, wird Lanz’ Unmut spürbar. Neben „persönlichen Herabwürdigungen“ gibt es eben auch „aktivistische Aktionen“, die Klöckner nicht gestattet. Explizit das Tragen von Symbolen wie ein „Palestine“-Hoodie der Linken-Politikerin Cansin Köktürk. Lanz ist empört über den Rauswurf und betont mehrmals, ob Klöckner sich das auch getraut hätte, wenn der Schriftzug Israel gelautet hätte. Klöckner klärt Lanz über die Regeln des Bundestages auf und rechtfertigt sich, dass bereits im Vorfeld Verwarnungen geäußert wurden. Der Rauswurf wurde also provoziert – Lanz hat trotzdem kein Verständnis. Auch im Namen des Bundestages am CSD teilzunehmen und dafür auch noch einen freien Tag zu erhalten, verbietet Klöckner – Lanz ist auf Hochtouren.

Etat des Bundestags
Julia Klöckner stattet Abgeordnete großzügig mit mehr Geld aus
Die harmonische Sendung kippt und Lanz holt die nächste Ladung Kritik heraus. Er wiederholt Klöckners Formulierungen: „Maßstäbe müssen für alle gelten“ und „Beamte bleiben Beamte“. Dann die Erinnerung, dass Klöckner an dem CDU-Sommerfest teilnahm – neben Frank Gotthardt. Dass wäre ja, als würde er in seiner Freizeit Putin grandios finden, vergleicht Lanz grotesk.

Klöckner wehrt sich zu recht vehement gegen die „Kontaktschuld“ und kritisiert die „Blockbildung in den Medien und der Politik“. Aber der Ball ist nun mal schon im Rollen. Die taz cancelt doch niemand, versucht keine Stimmung zu machen und hat auch keine Feinde, wettert Lanz. Klöckner bleibt bei ihrem Standpunkt: „Dass sie auch mal über das Ziel hinausschießen […] sieht man, dass man auch mal im Prozess zum Beispiel verliert.“

Lanz ist aber immer noch nicht fertig: „Das hier, kennen Sie das?“ Lanz zeigt Klöckner einen Retweet, auf welchem eine Auseinandersetzung von Friedrich Merz und Dunja Hayali zu sehen ist. Die Überschrift, an welcher Lanz sich stört: „Merz macht Dunja Hayali fertig“. In diesem Kurzvideo sagt Merz zu Hayali, dass der Familiennachzug eben nur für aufgenommene Menschen gelte. Eine waghalsige Aussage in der ÖRR-Welt. Lanz verteidigt sich trotz seiner sichtlich aufgewühlten Verfassung: „Dunja Hayali, auch die muss ich hier nicht verteidigen.“

Es geht Lanz um die Formulierung. Nach der ganzen Diskussion über Debattenkultur wagte es Klöckner, diese Polemik zu retweeten. Doch Klöckner schlägt Lanz geschickt mit seinen eigenen Waffen: „Ich habe es nicht als Bundestagspräsidentin retweetet.“ Lanz ist nicht zufrieden: „Aber wir machen keinen fertig! Wir machen in der Schule keinen fertig. Wir machen in der Talkshow keinen fertig.“

Ob bestimmte Gäste von Markus Lanz dem zustimmten – würden sie denn überhaupt erst eingeladen?

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Kommentare ( 49 )

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49 Comments
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November Man
18 Tage her

Ich weiß nicht was die Klöckner als einfache Bundestagsabgeordnete oder als Bundestagspräsidenten bei einem G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Kanada zu suchen hat. Sicher ist aber, dass Jörg Pilawa eine Insel in Kanada namens Hunt Island in Nova Scotia besitzt.

Dr. Rehmstack
18 Tage her

Meines Wissens haben wir eine parlamentarische Demokratie und nicht eine präsidiale. Daher hat das höchste Amt im Staate der inne, der der höchste Repräsentant des Souveräns ist und das ist logischerweise der Parlamentspräsident. Der Grüßaugust ist in diesem System das fünfte Rad am Wagen, seine Amtsführung lässt glücklicherweise daran auch keinen Zweifel.

yeager
18 Tage her

Demnach zu urteilen ist Klöckner dem Lanz wohl noch nicht woke genug. Naja, ich schau mir den ÖR-Käse eh nicht an. Schlimm genug, dass man für solche Propaganda Geld abgepresst bekommt.

Deutscher
18 Tage her

Ich nehme Klöckner ihren guten Willen sogar ab, halte sie aber für überfordert.

joly
18 Tage her
Antworten an  Deutscher

Wenn man mal Wikki anschaut, dann ist Klöckner eine extrem vernetzte Frau, die eigentlich ihr ganzes Leben immer von Schranzen und Netzwerklern umgeben war. In wie weit sie eigentlich nach der Schule/Studium noch zu normalen Menschen Kontakt hatte wäre interessant zu wissen. Sie scheint immer weiterempfohlen und protegiert worden zu sein. Eine Apparatschika wie kaum eine andere.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
18 Tage her

„Die AfD hat wie jede andere Fraktion das Recht […] und dann findet eine freie, geheime Wahl der Abgeordneten statt. Und eine Wahl ist es dann, wenn nicht vorher festgelegt wird, was dabei herauskommt.“

Zynischer geht es nicht mehr. Einfach nur noch ekelerregend.

Riffelblech
18 Tage her

Es stimmt einfach nicht was Glöckner da ausspricht mit diesem
„ nicht festlegen „ .
Es ist eindeutig festzustellen das sich die Kartellparteien entschlossen und abgesprochen haben niemals einen AfD Bundestagsfize zuzulassen .
Was soll es denn Anderes sein als Absprache wenn ein Kandidat nach dem anderen bei der so genannten freien und geheimen Wahl durchfällt .
Mit dieser Äußerung zeigt Klöckner die ganze verlogene Verkommenheit dieses Parlamentes auf Seiten der „ Etablierten „.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
17 Tage her
Antworten an  Riffelblech

Die müssen sich gar nicht absprechen. Die Kartellparteien haben sich längst in eine Einheits-Blockpartei gewandelt, die lediglich noch zwecks Wählertäuschung unter verschiedenen Markennamen auftritt, um dem strunzdummen Stimmvieh angebliche Unterschiede vorzugaukeln.

Marcus Iunius Brutus
17 Tage her

Wenn alle sich abgesprochen haben und partout keinen Blauen zum Vize wählen wollen, kann die Bundestagspräsidentin das auch nicht ändern.

Lesterkwelle
18 Tage her

Schaut man sich die Riege der Bundestagspräsidenten und deren Vize der letzten Jahre an, so sehnt man sich zu recht nach Persönlichkeiten wie Norbert Lammers zürück, die mit Geschick und auch mit Humor die Sitzungen geleitet haben. Aber diese Zeiten sind vorbei.Leider. Über den ÖRR ist bereits alles gesagt.

alter weisser Mann
18 Tage her

Klöckner „Maßstäbe müssen für alle gelten“
Nach welchem Maßstab erfolgt dann die Ablehnung aller bisherigen AfD-Bundestagsvizepräsidentenkandidaten? Doch nicht etwa wegen Parteizugehörigkeit zu einer im BT vertretenen Partei?

Brauer
18 Tage her

Sie enttäuscht mich von A bis Z. Ihr Verhalten ist diesem Amt unwürdig.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
18 Tage her
Antworten an  Brauer

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.

Ben Clirsek
18 Tage her

Hab‘ ich das jetzt richtig verstanden, dass Lanz die Teilnahme an der Fetischveranstaltung CSD durch Bundestagsabgeordnete während der Arbeitszeit gut findet? Und ja Herr Lanz, Nius mit dem Finanzier Frank Gotthardt macht in 5 Minuten Sendezeit mehr kritischen und faktenbasierten Journalismus, als Sie in 1000 Sendungen jemals zustande bringen. Diese Arroganz sollten Sie unbedingt ablegen, Sie sind nur halb so schlau wie Sie glauben.

Rosa Zimmer
18 Tage her

Dieser lackierte Schampus-Sozialist Lanz ist mir zutiefst zuwider.

Deutscher
18 Tage her
Antworten an  Rosa Zimmer

Naja, er hat in letzter Zeit immerhin auch einige Linksgrüne ordentlich durchgebrutzelt. So ehrlich sollte man schon sein.

Last edited 18 Tage her by Deutscher