Bei Hart aber Fair ging's um die anhaltende Krise der deutschen Wirtschaft – völlig zurecht. Noch immer ist das Ausmaß der Probleme und ihre Dringlichkeit nicht bei allen angekommen. Denn bequeme Versprechen sind im Wahlkampf eben populärer als unbequeme Wahrheiten.

Die Mängelliste der gestrigen Sendung von Hart aber Fair beginnt schon bei den eingeladenen Gästen: Mit von der Partie waren die Bundesvorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), die Unternehmerin Mareike Boccola, die ARD-Finanzredakteurin Anne-Catherine Beck und der Ökonom und DIW-Präsident Marcel Fratzscher.
Letzterer scheint bei den öffentlich-rechtlichen Medien in Wirtschaftsfragen etwa denselben Status zu haben wie Christian Drosten ihn einst während der Corona-Pandemie hatte. Kein anderer Ökonom ist so oft in Talkshows zu Gast wie er. Seine Ansichten erscheinen dabei allzu häufig als objektive Tatsachen, obwohl sie nicht selten den Bereich wissenschaftlicher Aussagen verlassen und in jüngerer Vergangenheit eher als Kontraindikator, denn als Prädiktor wirtschaftlicher Entwicklungen und Trends gedient haben.
Aber frischer Wind scheint nicht gewünscht zu sein. Stattdessen will man im ÖRR-Universum allem Anschein nach immer wieder dieselben ökonomischen Ansichten aus demselben Munde hören. Schade eigentlich. Denn über Wirtschaft gäbe es in diesem Wahlkampf in der Tat eine Menge zu sagen. Dass das Thema trotz der chronischen Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft dennoch so wenig Beachtung findet, darf allerdings nicht überraschen. Denn neues und nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Ganz im Gegenteil: Ein Wiederaufleben wirtschaftlicher Dynamik in Deutschland würde eine grundlegende Abkehr von den Lebenslügen deutscher Politik und insbesondere eine drastische Umkehr in den Bereichen Wirtschafts-, Industrie-, Klima- und Arbeitsmarktpolitik erfordern, die in ihrer Dimension noch weit über die Schröderschen Reformen der Agenda 2010 hinausgeht. Doch die dafür nötigen strukturellen Reformen setzten voraus, dass politisch Verantwortliche nicht länger davor zurückschrecken, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen und aus der wohligen Komfortzone der Status-Quo-Fortschreibung auszubrechen.
In Deutschland sind wir ganz offensichtlich leider noch nicht dazu bereit, den Finger in die selbst aufgerissene Wunden zu legen. Hierzulande redet man über Wohlstand mit Vorliebe nur dann, wenn es um dessen möglichst breitflächige Verteilung geht. Auch bei Hart aber Fair duellierten sich gestern die Vertreter von CDU und Grünen in einem doch eher infantilen und unwürdigen Überbietungswettbewerb mit Blick auf die Frage, wer den Wählern das größte Stück vom Umverteilungskuchen verspricht.
Doch wie so häufig war auch am gestrigen Abend der Verweis auf den deutschen Investitionsstau lediglich das Vorspiel für die Forderung, die Schuldenbremse zu reformieren, um dem Staat größeren Spielraum bei der Kreditaufnahme und Neuverschuldung zu verschaffen.
Brantner und die Grünen schlagen hierbei vor, Investitionen in eine klimaneutrale Modernisierung der deutschen Wirtschaft mit dem schuldenbasierten Deutschlandfonds zu finanzieren. Falls es jemals dazu kommen sollte, bleibt nur zu hoffen, dass dieser dirigistische Ansatz dann bessere Ergebnisse als bei Intel und Northvolt zeitigt. Auch Marcel Fratzscher trat für eine Modifikation der Schuldenbremse ein und betonte dabei die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Schulden zu Konsum- und solchen für Investitionszwecken
Aus seiner Sicht brauche es neue Schulden, um neues Wachstum zu ermöglichen. Ganz ähnlich argumentierte die Journalistin Anne-Catherine Beck, die sich grundsätzlich zwar zur Schuldenbremse bekannte, in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise aber Ausnahmen für nötig erachtet, um Wohlstand und Wettbewerb aufrechtzuerhalten. Nun ja, um mit Javier Milei zu sprechen, kann man da nur sagen: Wenn Geld drucken reich machen würde, dann würde Diplome drucken auch intelligent machen (wobei in Deutschland zunehmend beides in Mode zu kommen scheint).
Wenn selbst Louis Klamroth die Grünen nicht mehr versteht
Franziska Brantner, die unter Habeck Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium war, nahm das als Anlass für die Aussage, dass ihre Partei den „Weg für sie [die mittelständischen Unternehmen] freimachen“ wolle. Louis Klamroth fragte daraufhin völlig zurecht, warum das mit dem Weg freimachen nicht schon in den letzten drei Jahren geklappt habe? Auf diese mehr als berechtigte Frage wusste Brantner, einmal abgesehen von ihrem „kuhäugigen Lächeln“ (Jan Schnellenbach), mit dem sie ihre merkliche Verlegenheit zu kompensieren suchte, nichts zu entgegnen. Doch wer nun dachte, damit sei der negative Höhepunkt der Sendung bereits erreicht, sah sich kurze Zeit später eines Besseren belehrt.
Denn wie schon Markus Lanz fragte auch Louis Klamroth Brantner nach dem Habeck-Vorschlag, wonach zukünftig neben Einkommen auch Kapitalerträge sozialversicherungspflichtig werden sollen. Und obwohl diese „Habeck-Steuer“ für die Grünen bislang ein veritables kommunikatives Debakel war und Brantner hätte klar sein müssen, dass sie auch bei Hart aber fair darauf angesprochen werden würde, blieb sie erneut jede ernsthafte Antwort schuldig.
Gekrönt wurde dieses Herumeiern schließlich damit, dass Brantner plötzlich anfing, aus dem Wahlprogramm der CDU zu zitieren, um im bester Whataboutism-Manier damit von sich selber abzulenken, dass ja auch die Vorschläge der CDU unausgegoren seien. Selbst ein bekanntermaßen alles andere als grünenfeindlicher Moderator wie Louis Klamroth hatte für diese unwürdige Art politischer Rhetorik und Einfallslosigkeit keinerlei Verständnis mehr.
Bei einem für die eigene Partei so zentralen Wahlkampfthema der letzten zwei Wochen so dermaßen unvorbereitet ins offene Messer zu laufen, nachdem man Zeit genug hatte, sich parteiintern einen einigermaßen satisfaktionsfähigen Umgang auszudenken, schien erkennbar auch seine Vorstellungskraft zu sprengen. Um mit Ulf Poschardt zu sprechen, legen aktuelle Wahlkampfdebatten wie diese beredtes Zeugnis davon ab, „dass die Grünen ein medialer Hoax waren, eine bourgeoise Besserverdienertruppe, die lediglich in ökonomisch stabilsten Zeiten dem Land irgendetwas bieten konnte. Sie sind programmatisch, kulturell und intellektuell am Ende.“
Zwischen Abstiegsangst und Abstiegsrealität
Gesprochen wurde dann aber auch noch über einige durchaus wichtige Themen. Anne-Catherine Beck etwa wies darauf hin, dass besonders unter jungen Menschen das vorherrschende Denken in Legislaturperioden die Politikverdrossenheit befördere, weil es letztlich dafür sorgt, dass Themen mit einem eher langfristigen Zeithorizont wie eine unumgängliche Reform des Rentensystems immer weiter auf die lange Bank geschoben werden, weil sie kurzfristig unbequem und politisch daher wenig opportun sind. Denn dann müsste man sich eingestehen, dass das Gerede von einer auf Dauer sicheren Rente nichts anderes als ein leeres Versprechen ist und man die Wähler eigentlich mit der unangenehmen Wahrheit konfrontieren müsste, dass weniger Wochenarbeitszeit und eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung mit stabilen Renten für eine wachsende Gruppe von Rentnern leider weniger gut zu vereinbaren ist.
Ebenso übrigens wie die Tatsache, dass wir es in Deutschland bereits seit 2018 angesichts einer sinkenden Industrieproduktion nicht mit einer diffusen Abstiegsangst, sondern längst mit einer konkreten Abstiegsrealität und handfesten Deindustrialisierung zu tun haben. Anne-Catherine Beck wagte zwar einen Vorstoß in diese Richtung als sie berichtete, dass angesichts einer stetig wachsenden Bürokratie, hohen Steuern, Sozialabgaben und Energiepreise ein wachsender Anteil deutscher Unternehmen darüber nachdenke, das Land zu verlassen. Mangels Interesse, sich diesen eher unerfreulichen Realitäten zu stellen, verhallte aber auch ihre Forderung nach radikalen Reformen in den endlosen Weiten des ÖRR-Universums.
Hickhack bei Steuerentlastungen
Einen neuen Impuls setzte in der gestrigen Sendung dann das traditionelle Gespräch mit einer Studiozuschauerin. In diesem Fall handelte es sich um eine selbständige Reiseberaterin, die von alltäglichen finanziellen Sorgen und Nöten in Zeiten der Inflation erzählte. Anschaulich schilderte sie dabei wie Gasabschlag, steigende Lebensmittel- und Spritkosten und andere Ausgaben für den täglichen Bedarf einen immer größeren Teil des Gehalts auffressen. Aus ihrer Sicht müsse die Politik zuallererst wieder Vertrauen zurückgewinnen, weil viele Bürger nicht mehr das Gefühl hätten, dass für sie Politik gemacht werde.
Anstatt das Problem strukturell zu beheben, etwa durch eine Ausweitung des Energie- oder Wohnungsangebots, läuft diese Politik darauf hinaus, die Probleme mit fremdem oder gedrucktem Geld zuzuschütten und durch die Verzerrung der Knappheits- und Preissignale zu perpetuieren. Das alles kann man gerne wollen, auch damit um Wählerstimmen zu werben, ist nicht verwerflich, aber dann möge man sich doch bitte nicht beschweren, wenn sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass diese Programmatik weder nachhaltig und sozial-gerecht noch ökologisch ist.
Zuletzt entbrannte dann zwischen Connemann und Brantner ein unansehnlicher Überbietungswettbewerb hinsichtlich der im Wahlprogramm vorgesehenen Steuerentlastungen. Grundlage für die Debatte bildeten dabei die in Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung entstandenen Berechnungen des Mannheimer-Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, die die Auswirkungen der Vorschläge der Parteien auf die steuerliche Be- oder Entlastung zeigen sollen. Fälschlicherweise wurde dabei der Eindruck erweckt, dass es sich dabei um eine unvoreingenommene und objektive Analyse auf Grundlage der Wahlprogramme der Parteien handele.
Dass sich Franziska Brantner und die Grünen mit Blick auf Steuerentlastungen demgegenüber durchweg als positiver Gegenpart inszenieren konnten, verdeutlicht, dass in Deutschland noch immer vor falsche Prioritäten gesetzt werden. Nach wie vor gilt die Verkennung ökonomischer Zusammenhänge in Kombination mit durch sozialpopulistische Narrative begleiteten Umverteilungsprogrammen und Steuerentlastungen als Ausweis vorbildlicher politischer Gesinnung und besonderer moralischer Qualität. Solange nicht auch hier ein fundamentaler Wertewandel die geistige Grundlage für Wirtschaftswachstum und Wohlstand schafft, wird es in Deutschland auch zukünftig schwierig bleiben, beides in die Praxis umzusetzen.
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Alles nur beliebiges Gesabbel. Jeder, der ein Haus gebaut hat weiss wie sinnlos viele der Bürokratien sind die einem da übergestülpt werden. Am besten wäre dass Deutschland seine Bürger alle verbeamtet. Dann sind doch alle Probleme gelöst. Arbeitsplatzsicherheit aller Orten, Gute Pensionen für alle, jede Menge sinnlose Verwaltung und das Geld kommt aus der Druckerpresse. Nicht zu vergessen die verbeamteten Ökonomieprofessoren die mit schöner Regelmäßigkeit feststellen wie marode der ganze Apparat ist. Mutig wie unsere Politiker einmal sind haben sie die Verursacherin dieser ganzen Katastrophe mit dem höchsten Orden umkränzt. Besser kann man von der Katastrophenverursacherin nicht mehr ablenken. Die… Mehr
Der Witz des Abends: „Wir haben dafür gesorgt, dass Energie wieder billiger geworden ist“ F. Brantner
Deutsche sind derart doof – sagt man es ihnen noch ein paar Mal, werden sie es glauben – wiewohl auf der Abrechnung ganz anderes fixiert ist.
„Die Partei lehrte einen, der Erkenntnis seiner Augen und Ohren nicht zu trauen. Das war ihr entscheidendes, wichtigstes Gebot.“ Orwell in 1984
Bohley hat es gewusst:
Dieser Karren Dummland wird voll an die Wand gefahren und wird es auch. Da habe ich überhaupt nicht den mindesten Zweifel. Weil in Dummland zu viele Dummbürger leben, die es so wollen. Es geht hier nur noch darum, die Schäfchen, falls man welche hat, ins trockene zu verbringen. Also Geld ins Ausland, Immobilien so stricken, dass der Staat nicht herankommt und noch besser, so bald wie möglich versilbern. Ich weiß von einer Bank im „sicheren Ausland“ (nix EU) und das ist nur eine von vielen, die schon vor zwei Jahren ihr Personal exorbitant aufstocken mußte, um der Kapitalflucht aus Deutschland… Mehr
Kapitalflucht ist leider nicht sicher. Wer weiß, was noch kommt. Kapitalerträge werden irgendwann weltweit abgreifbar sein. Deutschland nach Beendigung der Schule zu verlassen, ist womöglich eine kluge Entscheidung, dann aber richtig, also vor(!) dem Studium.
Fratzscher ist reiner SPD-Partei-Ökonom, der seine Aussagen so wählt, dass die SPD gut dasteht.
Nach meiner Erfahrung trifft in der Realität immer eher das genaue Gegenteil zu (bin selbst BWLer/VWLer).
Wenn Sie jetzt noch das Wort: „Ökonom“ streichen, dann stimme ich Ihnen zu 100 % zu.
https://www.youtube.com/watch?v=2cc_pE5Puj4&t=3
Ach, wenn ich schon lese „Habeck-Steuer“! Dafür müssten diese ungebildeten Nebochanten erst einmal den Unterschied zwischen einer Steuer und einer Abgabe verstehen. Wenn ich mir vorstelle, wie Habeck oder andere Grün*Innen versuchen mir das zu erklären, kommt mir unverweigerlich Habecks Versuch inden Sinn, die Pendlerpauschale zu erklären:
https://www.youtube.com/shorts/mowCr2d7D-4
Ein Land, das mindestens ein Viertel seiner Steuereinnahmen für Migration ausgibt, zudem noch viiele Milliarden für einen sinnlosen und wirkungslosen Schutz des Klimas, das niemand schützen kann, verschwendet, einen großen Teil seines Geldes uns Ausland verschenkt und wegen Target II eine Billion Euro uneinbringbare Außenstände hat, kann kein Geld mehr haben um in Wirtschaft und Infrastruktur zu investieren. So viele Steuern können die deutschen Steuerzahler gar nicht zahlen, dass das Kartell es nicht schaffen würde unser Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Das sind die Leistungen des schwarzrotgrünen Kartells, denen haben wir den Verlust unseres Wohlstandes und den Niedergang zu verdanken. Wer… Mehr
Wetten daß wir bald nackt und bloß dastehen werden und das fängt mit den Großen an die schon dabei sind sich im Inland auf ein Mindestmaß zu reduzieren und bereits Milliarden dort investieren wo die Voraussetzungen weit günstige sind und das vernichtet bei uns Arbeitsplätze und zieht sich dann hinunter bis in den Mittelstand, denn weniger Einkommen von gut bezahlten Arbeitsplätzen hat Folgen für Handwerk und das andere produzierende Gewerbe und so werden wir Stück für Stück vernichtet werden, bis wir zum Niemandsland geworden sind und dann selbst die Zugereisten wegbleiben, wenn hier nichts mehr zu holen ist oder den… Mehr
Herr Fratzscher ist ein staatlich lohnabhängiger Arbeitnehmer, der das erzählen muss, was ihm sein linksextremer Arbeitgeber vorgibt. Sonst ist er ganz schnell seinen Job los und seine Existenz wird vernichtet. Also, eine absolut unglaubwürdige Person.
Ich fürchte, der wirtschaftliche Abstieg muß sich potenzieren, um eine Umkehr auszulösen. 1648, 1809, 1948 und 1990 waren solche Wendepunkte. Nur einmal – 1869 – erfolgten Wirtschaftsreformen ohne vorhergegangene Katastrophe.
1990 holten sie sich neue „Konsumenten“ im Osten an Bord – die vom Westen aus finanziert die Wirtschaft am Laufen hielten. 2015 dito. Seit Jahren bedienen sie neue Käuferschichten, denen unser angespartes Geld als Alimentation in die Hände gedrückt wird, um den Sinkflug der westlichen Wirtschaft abzuschwächen. Kollateralschäden egal. Mehr dann hier: https://swprs.org/migration-und-medien/ Wobei die Analyse aus 2018, aktualisiert 2019, ist und man nicht sagen kann, wie Corona bzw. die Injektionen zu dieser Sicht passen. Allerdings hat mit dieser Covid-Sause ja letztendlich auch nur ein anderer Wirtschaftszweig hohe Umsätze auf unsere Kosten generiert. Auch da, ohne Rücksicht auf Verluste. Wahrscheinlich… Mehr
Man nehme die Empfehlungen von Prof Fratzscher, investiere sein Geld ins Gegenteil und erfreue sich an den erzielten Gewinnen.