Baerbock tut, als regierte sie schon, Scholz, als hätte die SPD nie mitregiert

Baerbock wünscht die Umbenennung in „Kanzler*innen-Amt“ und jedenfalls die absolute Macht mit einem Klimaministerium für die Grünen. Der SPD Kernpunkt der nächsten Regierung: für den Umbau der Industrie notwendige Strom-Menge; gibt's da Probleme, ist die CDU schuld.

Screenprint: ARD/ZDF Sommerinterview

Im dunklen Wald erkennt man diejenigen, die die größte Angst haben, daran, daß sie am lautesten pfeifen. Dies scheint auch bei der Grünen-Spitzenkandidatin, Annalena Baerbock, der Fall zu sein. Je enger die Lage für die Grünen wird, umso reizvoller und spannender würden die Herausforderungen, die der ökologische Umbau unserer Industriegesellschaft mit sich brächten. Das gebe neue Energie und sporne an.

Klimakatastrophe, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit – was sind dagegen schon die Mühen der Ebene, das Lösen der kleinen Probleme im Detail? Baerbock ist durch und durch Generalistin. Da mag die Moderatorin der ARD, Tina Hassel, auch noch so hartnäckig nachhaken, die Star-Grüne von gestern wird einfach nicht konkret.

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Ob sie für die Lage der Grünen auch Schuld bei sich selbst sähe – Plagiatsvorwürfe, Mauscheleien bei Vergütungen, Phantasie-Lebensläufe, erschütternde Unkenntnis selbst banalster Zusammenhänge? Baerbock reagiert fast beleidigt. Natürlich habe auch sie Fehler gemacht, daraus gelte es zu lernen. Aber jetzt sei eben jetzt und bis zur Wahl nur noch fünf volle Wochen Zeit. Und so, wie die Lage nun mal ist, müssten die Dinge ganz grundsätzlich angegangen werden. Die kleinen Leute sollten eben schnell auf E-Autos umsteigen, dann träfe sie nicht mehr die Erhöhung des CO2-Preises. Die Schuldenbremse müsse weg, vor allem müssen die Reichen mit Vermögen über zwei Millionen Euro zur Kasse gebeten werden. 75 Euro jährlich würden Geringverdiener als Ausgleich für steigende Energiekosten bekommen. Die Moderatorin wandte ein, dass dies wohl zum Ausgleich nicht reiche. Baerbock: „Da muss eben woanders umgeschichtet werden.“

Nur einmal wurde Baerbock konkret. Die in der Verfassung festgelegte Eigenständigkeit der Bundesministerien müsse aufgegeben werden. Alles müsse im Sinne einer gemeinsamen Agenda zum Wohle des „Klimaschutzes” verzahnt werden. Da ist er wieder, der arrogante Machtanspruch. Natürlich will jeder Koalitionspartner mit seinen Ressorts die Duftmarken seiner Partei setzen – dafür ist er ja gewählt worden. Es ist der zweite entsprechende Vorstoß dieser Partei der Lehrer und sonstigen Volksbeglücker. Erst kürzlich war da die Forderung nach einem Klimaministerium, welches ein Veto-Recht gegenüber allen anderen haben solle. Im Klartext leiten die Grünen im Bewusstsein ihrer höheren Moral, unabhängig vom Wahlergebnis, letztlich den Anspruch auf die absolute Macht ab. Ein Traum der Baerbocks, den selbst ein kollektiver Aufstand aller Radfahrer und Veganer nicht in Erfüllung gehen lassen würde.

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Natürlich sollte sie sich auch zur aktuellen Lage in Afghanistan äußern. Auf jeden Fall, und dem ist zuzustimmen, müsse ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, der die Versäumnisse der Bundesregierung bei der Bewältigung der Krise aufdeckt. Jetzt komme es darauf an, das Chaos vor Ort in den Griff zu bekommen und möglichst viele Menschen herauszuholen. Das Wichtigste aber erfuhren die Zuschauer zum Schluss. Man hätte es sich denken können, selbst in persönlichen Gesprächen achte sie sehr auf die Einhaltung der Gender-Regeln. Bei einem Einzug ins Kanzleramt werde sie als erstes das Gebäude in „Kanzler*innen-Amt“ umbenennen.

Eine Stunde nach Baerbock steigt dann der neue „Phoenix“ der SPD beim ZDF in den Ring – ruhig, betont selbstsicher und im Auftreten betont bescheiden. Dabei hätte doch jeder Verständnis, wenn der noch vor kurzem mitleidig belächelte SPD-Spitzenkandidat angesichts der guten Zahlen für seine Partei, und noch besseren für ihn, Triumphgefühle an den Tag legen würde. Olaf Scholz aber erinnert an einen erfahrenen Geschäftsmann, der nach einem erfolgreichen Deal mit Übergabe eines dicken Schecks einem Gratulanten sagt: „Gemach, gemach – erst mal abwarten, ob der Scheck auch gedeckt ist.“

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Wie beim Gang über ein Nadelbett tastet sich Scholz an jeder ihm gestellten Frage geschickt vorbei. Jetzt bloß keinen Fehler mehr machen, ist die Devise. Dazu gehört, niemals klar zu antworten. Fragt die Moderatorin Shakuntala Banerjee nach offenkundigen Fehlern der zu Ende gehenden Regierungsperiode, zählt Scholz in stoischer Gelassenheit einfach die Erfolge auf, geht es um die miese Vorstellung der Bundesregierung beim Desaster in Kabul, entgegnet Scholz: „Wir müssen analysieren, Schlussfolgerungen ziehen und dann wird man sehen.“ Abschieben von Straftätern nach Afghanistan – „In der aktuellen Lage nicht, aber grundsätzlich ja“.

Und so geht es weiter und weiter. Es ist leichter, einen Vanillepudding an die Wand zu nageln, als von dem gewieften Wahl-Hamburger auch nur den Hauch einer verbindlichen Aussage zu bekommen. Solle Deutschland jetzt „Flüchtlinge” aus Afghanistan aufnehmen – „Jetzt im Moment ja, aber vor allen Dingen kommt es darauf an, in den Nachbarländern Voraussetzungen für die Aufnahme zu schaffen. Dabei werden wir auch helfen.“ Man könnte auch sagen, Nichts genaues weiß man nicht.

Doch Scholz wäre nicht Scholz, hätte er nicht, wie schon bei der ARD vor einer Woche, gegen Ende der Sendung noch einen heimtückischen Joker gezogen. Nur wenn es gelänge, die für den Umbau der Industrie notwendige Strom-Menge zu erzeugen, könne die Energiewende, und damit der Kernpunkt der nächsten Regierung bewältigt werden. Scholz kennt die Fakten und weiß genau, dass schon jetzt die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, und benennt auch schon mal den Schuldigen: seinen Noch-Koalitionspartner CDU – als ob seine Partei nie in der Regierung gewesen wäre.

Diese Art von Verlogenheit hält man heutzutage in der Politik für professionell.


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Kommentare ( 79 )

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Mocha
2 Jahre her

Das Problem vom Sozialismus ist, dass Dir irgendwann das Geld anderer Menschen ausgeht” Margaret Thatcher. Das vermerkelte Land ist kurz vorm Bankrott, die linksgrünen Phantasten besorgen den Rest.

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

„Diese Art von Verlogenheit hält man heutzutage in der Politik für professionell.“ Verlogenheit gehörte schon immer zur politischen Professionalität. Das Problem, das wir heute haben ist die Tatsache, dass der Mainstreamjournalismus nicht mehr gewillt oder nicht mehr fähig ist, diese Verlogenheit gnadenlos offenzulegen. Wenn Journalisten wie im ÖRR sich nur noch als Stichwortgeber für die Monologe unserer politischen Pseudoelite verstehen, dann bleibt ein wesentliches Korrektiv einer Demokratie auf der Strecke. ine Figur wie Baerbock wäre vor 40 Jahren einfach undenkbar gewesen. Ein solche Ansammlung von Bildungsferne, Naivität, Geistlosigkeit, Borniertheit, Angeberei und sprachlicher Inkompetenz hätte nie eine Chance gehabt, auch nur… Mehr

schwarzseher
2 Jahre her

Es bewerben sich um das Kanzleramt:
ein Trottel
eine Schlafmütze
eine Dummin
Ich beneide die Hütchenspieler, die können immer alle drei verschwinden lassen.

U.S.
2 Jahre her

Was soll man wählen?

Parteien, die fördern

a) Auflösung der (Gross-) Unternehmen (Daimler Benz, Opel, Ford, BMW, VW/ Audi/ Porsche,…), kein Siemens/ AEG,

b). Massen Einfügungen aus Afrika, Asien, islamisch arabischen Ländern und aus allen Armuts und Elends Regionen des gesamten Planeten

c). Enteignung aller Deutschen mit EK und Vermögen größer als z.B. 100.000 Euro

d noch mehr OK, organisierte Kriminalität, wie Drogen, Waffen, Menschen Handel und Schutzgelder Erpressung durch die führenden arabisch muslimischen Gross Familien Clans

e. Polizei und Justiz zur wehrlosen Lachnummer im Kampf gegen Kriminalität

f. Oder …

RobertF
2 Jahre her

Man merkt wenigstens, dass Scholz mehr auf dem Kasten hat, als die selbstverliebte, moraltriefende Annalena – you go girl! – Baerbock.
Ein Adenauer, Schmidt, Kohl oder wenigstens Schröder oder Brandt sind sie beide nicht…

Korner
2 Jahre her
Antworten an  RobertF

Scholz ist ja auch nur bedingt das Problem. Das Hauptproblem ist doch, sein linksextremer Anhang, den man mitwählen würde.

Arminius
2 Jahre her

Dem Scholz muss man nachsehen, das er mindestens so vergesslich ist, wie seine Wähler.
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Immer weg mit der Kohle

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Arminius

Ex-OB Scholz ist immerhin anzurechnen, daß seine Deeskalationsstrategie beim G20 unnützes Blutvergießen vermeiden half. Sicher, Hamburg glich streckenweise einem Schlachtfeld, aber hätte er sich aus bequemen Konzertsessel auf unbequemen Feldherrenhügel bequemt und der Polizei unbequeme Vorschläge unterbreitet, wären die Truppen der Antifa womöglich noch unbequemer geworden und hätten gar mit dem Fuße aufgestampft. Scholz agierte aber mit hanseatischer Gelassenheit, er gab sich souverän dem Kulturgenuss hin, wohlwissend, daß die Chaoten auch irgendwann mal müde werden und Feuer auch von selbst ausgehen. Solche Coolness hätte seinerzeit auch einem Helmut Schmidt gut zu Gesicht gestanden. aber nein, der wollte unbedingt den Macker… Mehr

Tizian
2 Jahre her

Luschet, Bbock und der unfähige Ex-HH-Bürgermeister?! Wenn das DIE einzige Auswahl der politischen Führung Deutschlands für die nächsten Jahre sein soll, dann Gnade uns Gott! Dagegen ist ein Biden ja noch in Höchstform und geistig vital!

Auswanderer
2 Jahre her

Wer mit Merkel unzufrieden ist kann doch beim besten Willen nicht RRG wählen. Merkel macht doch deren Politik! Alles was die in den letzten Jahren gemacht hat ist rotgrüne Politik und alles kostete dem Steuerzahler sein Geld, wobei man ja immer phantasievoller wird von wegen Steuern. Die CO2-Steuer wird lediglich den arbeitenden Menschen belasten, aber kaum CO2 einsparen! Wer die AfD nicht wählen möchte, der soll sich halt bei der FDP oder den Freien Wählern umschauen. Nur muss man auch sagen, dass die stark linksgrün unterwanderten Medien Dinge bei der AfD aufgreifen, die in anderen Parteien zum Teil regelrecht totgeschwiegen… Mehr

Freiherr
2 Jahre her

Jeder der sich nur halbwegs interessiert für Politik und die Zukunft unseres Landes, und nicht in der ideologischen Blase von rot/grün festsitzt und versucht sich nur ein wenig über diesen Tellerrand hinaus eine Meinung zu bilden muss unweigerlich erkennen wohin die Reise geht. Wir fahren für meine Begriffe unweigerlich in Richtung Ökosozialsmus oder sind schon an ihrem Anfang. Für mich als Liberalem der offen mit seinem Freund leben möchte, kommt nur noch die AFD als mögliche zu wählende Partei infrage und das trotz einiger für mich nicht zu übersehender Aussagen in meine Richtung welche ich nicht wegleugnen kann. Aber ich… Mehr

H. Hoffmeister
2 Jahre her
Antworten an  Freiherr

Es ist die Abwahl des Altparteienkartells, um die es geht. Und da gibt es nur eine sinnvolle Alternative.

Korner
2 Jahre her
Antworten an  H. Hoffmeister

Hoffentlich haben das die Bürger langsam erkannt. Das Täuschungsmanöver der Kanzlerin von 2017, lässt sich nicht so leicht widerholen. Allerdings kann ja immer noch ein „Celler Loch“ gegen die Alternative konstruiert werden. Dafür ist man sich sicherlich nicht zu fein.

Johann P.
2 Jahre her

Diese schamlose, offen zelebrierte Verlogenheit ist heutzutage ein Grundübel! Sie ist quasi zum Markenzeichen geworden, nicht nur in der Politik, sondern genauso in der überwiegenden Mehrzahl der Medien, NGOs und vor allem auch der Kirchen. Die Lüge wird höchstens noch als Kavaliersdelikt angesehen, wenn überhaupt. Wer kennt denn noch die von Moses in Stein gemeißelten Zehn Gebote oder hält sich gar daran? Dabei gilt doch immer noch das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht“. Aber selbst davon will keiner mehr etwas wissen, bestes Beispiel dafür ist doch die von Anfang an… Mehr