Anne Will: Wer, wenn nicht wir…? Die Demontage des Frank-Walter Steinmeier

Nach Anne Will ist klar: Steinmeier wird in Zukunft tolle Reden halten, die Poschardt dann positiv rezensiert. So schwer kann der Job gar nicht sein, das weiß Hannelore vom Rhein: „Hat doch bisher jeder geschafft!“

Screenshot: ARD/Anne Will

Uns hat natürlich niemand gefragt, deshalb waren wir auch bei der Party nicht eingeladen – und wir haben anscheinend echt was verpasst. Fotos von der Fete zeigten hauptsächlich die um zehn Zentimeter alle überragende Olivia Jones von der Reeperbahn, mit der im Vergleich trotzdem immer kleiner werdenden Angela Merkel. Sowie die schwangere Frauke Petry und den singenden Sozialdemokraten Peter Maffay.

War Til Schweiger da? Und wenn, warum haben wir ihn nicht bemerkt? Vronie haben wir gesehen mit Ursula von der Leyen. Stimmt es, dass La Ferres Merkel und Uschi spielen sollen im deutschen „House of Cards“-Spin-off „Mau Mau“?

Da saßen, wenn wir es richtig verstanden haben, alles Leute in der Anne-Will-Runde, die Frank-Walter Steinmeier in der Bundesversammlung mitgewählt haben, aber glauben Sie, einer hätte irgendetwas Interessantes zu berichten gehabt? Nicht-ein-Wort!

Eine „Werbestunde für Demokratie“ hätten sie miterlebt, ja, „Leidenschaft für Demokratie“ spüren dürfen. Die Fakten für die, die noch nicht so lange hier lesen: „In diesen schwierigen Zeiten“ wurde der wahnsinnig beliebte Wanderprediger Gauck gegen den wahnsinnig beliebten Bürovorsteher Steinmeier ausgetauscht (als das ausgekungelt wurde, war der noch wahnsinniger beliebte Schulz noch bei der Spesenabrechnung in Brüssel). Und der Steinmeier hat aus diesem Anlass eine Rede gehalten, die Gregor Gysi mit den Worten „gut, dass er eine kurze Rede gehalten hat“ kommentierte. Denn der Walter „tut sich schwer“ mit dem Reden, oder, wie es der Mann von der Welt („Wir sind ein bürgerliches Blatt, liberal konservativ“), der promovierte DJ-Forscher Ulf Poschardt, formulierte: „Ich habe ein Problem mit ihm, was die Rhetorik betrifft.“

Andererseits habe ihn der Satz „wenn anderswo die Welt aus den Fugen gerät“ positiv überrascht. Klar, kam ja auch die Welt drin vor. Alle in der Runde waren sich einig über Steinmeier: Nun ist es nun mal so. Jetzt ist er nun mal da. Mit 931 Stimmen im Rücken zieht der Mann, von dem Gabriel sinngemäß sagte, er bringe kein Leben, dafür aber ein Amt mit, am 18. März ins zugige Schloss.

„Wer, wenn nicht wir, kann da guten Mutes sein?“ soll FWS auf der Antrittsrede gesagt haben, und ja, der Jägermeister-Slogan von 2012 („Wer, wenn nicht wir“) passt doch auch ganz gut – hier. Wer denn sonst? Merkel hat ja niemanden gefunden, und Gysis Partei zählt zum Rand der Gesellschaft, wenn er und die Seinen auch immer wieder eingeladen werden. Aber sein Herr Butterwege hätte diese Gesellschaft wohl mehr auf Abwege geführt. Später wird er dann kurz von CSU-Scheuer die Demokratiefeindlichkeit der Linken vorgehalten bekommen aber da schauen alle schnell weg.

Dann wurde noch darüber geplaudert, ob das Hinterzimmer-Gemauschel schädlich für die Demokratie in „schwierigen Zeiten“ sein könne, aber gemeinschaftlich verneint. Hannelore Kraft, die nicht versteckt, sondern ganz offen die Demontage des größten Bundeslandes NRW betreibt, sieht die „große Veränderung der Gesellschaft“, die sie selber herbeigeführt hat, und wünscht sich nun „einen Brückenbauer“. Warum fallen mir da zwei willkürliche Zeitungsmeldungen vom Tage ein: „Drei ‚Männer’ verprügeln Polizisten in Dortmund mit Baseballschläger“? Oder „17-jähriger brutal in Berliner U-Bahnhof zusammengeschlagen.“? Ach so, wegen der „Veränderung der Gesellschaft“. Aber darauf hat Gysi nur komplizierte Sätze, und keine einfachen, was ihn vom Populisten zum Staatsmann macht. Die Komplexheit. Die sonst immer so simplen Antworten seiner Partei sind natürlich weder unterkomplex noch populistisch, denn das sind immer nur die Anderen.

Hannelore selber kann jedenfalls die Brückenbauerin nicht sein, denn „wir leben in einer komplizierten Welt, und eine einfache Antwort wissen wir nicht“. Deshalb sagt sie auch lieber immer und überall das gleiche und bringt zu Interviews ihre Referenten mit, denn in „aufgeregten Zeiten“ müsse man „aufpassen, welchen Satz man sagt.“ Ja, Hannelore, Maasi hört mit!

Nachdem fast eine geschlagene Stunde darum herumgeredet wurde, dass wir nun einen mediokren Bundespräsidenten haben, der nicht reden kann, dafür aber ein Netzwerk besitzt, und deshalb, wie CSU-Scheuer bemerkte, „sofort anfangen kann“, schwätzte man noch ein wenig über die „Nazis“ der Welt.

„Wir sind ja nicht die USA“, freute sich Hannelore. Oder „Frankreich, wo nur Absolventen von Elite-Universitäten in solche Positionen kommen.“ Wohl wahr, in Frankreich säße sie eher auf dem Arbeitsamt oder im Gewerkschaftssekretariat als in einer Staatskarosse.

Wobei Gysi wieder Wein ins Kraft-Wasser goss mit der Bemerkung, alles aus den USA komme zwei Jahre später auch zu uns. Es geht doch schon los! Alle sind aufgestanden, nach der Steinmeier-Rede, nur die AfD nicht! (Und die Linke auch nicht, aber die dachten vielleicht, da kommt noch was.) Und wer nicht klatscht ist neuerdings wieder ein Feind der Demokratie, so schnell geht das.

Also ein paar Jahre bleiben Hanni noch, mit den „Menschen auf der Straße“ zu reden, den „Bürgerinnen und Bürgern“ die komplizierte Welt zu erklären, die sie selber nicht verstanden hat. Steinmeier wird inzwischen tolle Reden halten, die Poschardt dann positiv rezensiert. So schwer kann der Job gar nicht sein, das weiß Hannelore vom Rhein: „Hat doch bisher jeder geschafft!“

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