Home-office im Knast: In Berlin Tablets für Gefängnisse, nicht für Mitarbeiter

Heimarbeit für öffentliche Bedienstete scheiterte an der schlechten technischen Ausstattung der Ämter. Das könnte die Hauptstadt mit einem kreativen Ansatz ändern.

© Getty Images

Vor allem SPD-und Grünen-Politiker fordern wegen Corona Heimarbeitsplätze für alle, bei denen eine Arbeit von Zuhause möglich ist. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil brachte sogar ein Recht auf Home Office ins Spiel. Für Kraftfahrer und Krankenschwestern würde das nicht funktionieren. Für viele Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung theoretisch schon. Dort geht es zumindest im SPD-geführten Berlin für die meisten allerdings nicht. Das Bezirksamt im grün regierten Berlin Mitte rief seine Mitarbeiter nach den Weihnachtsferien wieder zurück ins Büro. Denn Dienst-Laptops für die Arbeit vom heimischen Tisch aus fehlen. Auch zehn Monate nach dem Ausbruch von Corona in Deutschland. Von den 2.550 Beschäftigten des Bezirksamts Mitte mit festem Büroarbeitsplatz verfügen nur 285 über ein Telearbeits-Gerät beziehungsweise einen Laptop. „Grundsätzlich kommen alle Beschäftigten zur Arbeit“, heißt es deshalb in einer Dienstanweisung des Stadtbezirks.

Kürzlich sinnierte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, diejenigen, die unbedingt vor Weihnachten noch einen Pullover kaufen wollten, sollten ihm einmal sagen, wie viel Tote sie dafür in Kauf nehmen würden. Für die Mitarbeiter der eigenen Verwaltung stellt sich die Frage nach dem Ansteckungsrisiko offenbar nicht.

— Jochen Berlin (@jochen_berlin) January 9, 2021

Ein Bereich in öffentlicher Zuständigkeit soll allerdings bis September 2021 vollständig mit Laptops versorgt sein. Leider einer, in dem keine wirkliche Wahl zwischen Homeoffice und Präsenzpflicht besteht – nämlich die Haftanstalten. Nach dem Willen von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erhalten alle Strafgefangenen bis dahin Tablets auf Kosten der Steuerzahler. Mit der Ausstattung begann Behrendt schon 2018. Sie diene dazu, „die Lebensverhältnisse im Gefängnis denen außerhalb des Gefängnisses so weit es geht anzugleichen“, so der Senator. Was jetzt, in Corona-Zeiten, nicht ganz stimmt, zumindest für Berliner Verwaltungsangestellte nicht. Allein von 2016 bis 2019 wurden für das Projekt 1,3 Millionen Euro in den Berliner Haushalt eingestellt. Das Land finanzierte nicht nur die Gratisgeräte, sondern auch ein speziell gesichertes W-Lan mit eingeschränktem Internetzugang. Netz und Geräte genügen höchsten technischen Ansprüchen.

Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten, sagte Michael Müller, stehe für ihn über allem. Die günstigste und auch berlintypische Lösung bestünde jetzt darin, allen Gefangenen eine Amnestie zu gewähren – unter der Voraussetzung, dass sie sich an den 15-Kilometer-Radius halten – und dafür die öffentlichen Bediensteten an die Tablets zu lassen. Wären alle, die sitzen, wieder draußen, würde das auch die Bereitschaft von Normalbürgern fördern, zuhause zu bleiben.

Beschweren könnten sich nur eine Menge Ex-Häftlinge: Ausgangssperre – aber kein staatliches Tablet mehr.

Anzeige

Unterstützung
oder