Joe Scholz macht den Olaf Biden

Die SPD bereitet die Zeit nach der Bundestagswahl vor. Eine der wichtigsten Fragen dabei wird sein, wem man für das voraussichtliche Stimmendebakel die Hauptschuld geben kann. Der haushohe Favorit in diesem Rennen heißt Olaf Scholz.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Jeder kennt das von Familienfeiern: Da ist dieser eine seltsame Onkel. Erst wirkt er nur schräg. Aber je länger der Abend dauert, desto mehr fängt er an, echt eigenartiges Zeug zu erzählen. Das drückt zunehmend auf die Stimmung. Die ersten Gäste suchen das Weite. Und die Hausherren fragen sich mit wachsender Verzweiflung:

Wie werden wir den bloß wieder los?

Ganz ähnlich ist es offenbar der SPD nach dem Bruch der Ampel-Koalition gegangen. Da wären die Sozialdemokraten so gerne mit frischem Schwung und Zuversicht in die vorgezogenen Bundestagswahlen gestartet. Zum erhofften Signal des Aufbruchs zu neuen Ufern hätte freilich auch ein brandneuer Spitzenkandidat gehört.

Aber der alte wollte ums Verrecken nicht gehen.

Der Berliner „Tagesspiegel“ und T-Online berichten übereinstimmend, dass die SPD-Parteiführung viel lieber mit Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf gezogen wäre. Mindestens zweimal soll Parteichef Lars Klingbeil bei Olaf Scholz vorstellig geworden sein, um ihn darum zu bitten – nein, eigentlich um ihn auf Knien anzuflehen, nicht wieder anzutreten und Platz für Pistorius zu machen.

Letzterer ist seit langem stabil der mit Abstand beliebteste Politiker in Deutschland. Offenbar waren damals neben Klingbeil auch dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken und Generalsekretär Matthias Miersch davon überzeugt, dass die Wahlen mit Scholz als Kanzlerkandidat unmöglich zu gewinnen seien.

Nur Olaf Scholz war davon nun so gar nicht zu überzeugen.

Das Ganze erinnert verblüffend an die US-Wahlen. Da war der galoppierende körperliche und vor allem geistige Verfall von Präsident Joe Biden irgendwann beim besten Willen nicht mehr zu übertünchen. Aber der seltsame Onkel wollte einfach nicht gehen. Am Schluss haben die Dems ihn dann mehr oder weniger rüde zur Abdankung aus dem Wahlkampf gezwungen.

Seine Ersatzkandidatin Kamala Harris hat die Wahl dann bekanntlich trotzdem krachend gegen Donald Trump verloren. Die Dems haben für das Desaster auch schnell einen Schuldigen gefunden: Natürlich lag es nicht an der eigenen Politik. Es lag an Joe Biden, weil der sich nicht früh genug zurückgezogen hatte.

Das ist natürlich Quatsch, aber so funktionieren „schonungslose Analysen“ in der Politik eben: Mit Analyse hat das nichts zu tun. Es geht allein darum, bei wem am Ende der Schwarze Peter hängenbleibt.

Genauso läuft es jetzt auch bei der SPD.

Denn natürlich ist es kein Zufall, dass die oben geschilderten Informationen aus dem innersten Führungszirkel der Sozialdemokraten ausgerechnet jetzt bei „Tagesspiegel“ und T-Online gelandet sind. Was da gerade vorbereitet wird, ist die Erzählung, wer an der absehbaren Wahlkatastrophe der SPD am 23. Februar die Hauptschuld trägt.

Spoiler: Es werden nicht die politischen Inhalte der Partei sein. Die waren tadellos und über jeden Zweifel erhaben. Es wird auch nicht Boris Pistorius sein, der Kanzlerkandidat der roten Herzen, der ohne eigenes Verschulden nicht Zugpferd seiner Partei werden durfte.

Doch es sollen auch nicht Saskia Esken, Lars Klingbeil und Matthias Miersch sein. Dafür versuchen die genannten Drei jedenfalls jetzt schon zu sorgen. Ihre Geschichte geht so: Sie wollten ja mit dem aussichtsreichen Pistorius in den Wahlkampf ziehen. Aber Olaf Scholz hat das starrsinnig verhindert.

Für die SPD wird diese Bundestagswahl wohl so enden wie viele Familienfeiern: Der seltsame Onkel erzählt immer mehr eigenartiges Zeug und vertreibt immer mehr Gäste (in diesem Fall Wähler). Die Hausherren sind verzweifelt, wissen aber auch nicht, was sie machen sollen.

Am Schluss hat jeder schlechte Laune, und die Party ist vorbei.


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Kommentare ( 19 )

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Leroy
4 Tage her

Aus welchem Grund ist dieser bräsige Pistorius beliebt. Vielleicht weil man nichts von ihm hört und sieht. Am Erfolg kanns nicht liegen

Nihil Nemo
4 Tage her

Wobei die Frage bleibt, warum dieser Pistorius so beliebt sein soll. Viel geschafft hat er nun gerade nicht.

karl.biermann
4 Tage her

Pistorius der Russenbekämpfer, das gibt nur Krieg mit Rußland. Dann doch besser den Vergeßlichen als Zugpferd der SPD. So bleibt uns wenigstens von der SPD-Seite noch ein Restfrieden. Mit Merz und Pistorius würde massiv gegen Rußland gerüstet, sanktioniert und weiter provoziert werden.

Last edited 4 Tage her by karl.biermann
P.Schoeffel
4 Tage her

Ich vermute, Pistorius ist nur deshalb so relativ beliebt, weil

  • er nicht Olaf ist,
  • er es geschafft hat, bisher nicht weiter aufzufallen.

Denn irgendetwas Großartiges vorzuzeigen hat er auch nicht. Einfach nur ein weiterer blasser Bürokrat.

ratio substituo habitus
4 Tage her
Antworten an  P.Schoeffel

Ein Huhn ist sicher intelligenter als ein Regenwurm, aber deshalb nicht unbedingt zum Kanzler geeignet. So einen Vergleich nannte man früher Fabel, heute werde ich den Wecker sicherheitshalber auf 05:30 Uhr stellen, damit ich angezogen bin.

Bernd Bueter
4 Tage her

„…ist seit langem stabil der mit Abstand beliebteste Politiker in Deutschland..“
Märchen werden nicht wahr, wenn man sie dauernd nacherzählt. Es bleiben Märchen. Den Pistorius kennt kaum einer und wenn, dann als „der Opa mit Bundeswehrjacke“.
Der SPD-„Spezialist für Abgelegtes“. Ämter und Mädels. Und sonst?

Last edited 4 Tage her by Bernd Bueter
Waldschrat
4 Tage her

Ehrlich gesagt, wüsste ich nicht, was Pistorius qualifiziert, als BK-Kandidat anzutreten und den über Scholz zu stellen. Das sind doch beides … (ich schreibs jetzt mal nicht, sonst fliegt der Kommentar wieder aus).
Egal, wen man hernimmt, Scholz, Pistorius, Merz, Lindner, Habeck, der eine ist so glaubwürdig und geeignet, wie der andere, nämlich gar nicht.

Johny
4 Tage her

Die Auswahl an ungeeigneten Personen ist so groß, da kann sich selbst der gestandene SPD- Wähler nicht entscheiden, wen er wählen soll.

Wilhelm Roepke
4 Tage her

Pistorius wird Vizekanzler unter Merz, wenn er schlau ist als Finanzminister. Er ist trotzdem völlig unbrauchbar, weil er die selbe unsinnige Programmatik verfolgt wie Scholz und Esken.

imapact
4 Tage her

Pistorius wollte ja anscheinend selbst nicht. Worauf gründet sich eigentlich seine „Beliebtheit“? Besondere Leistungen kann er bislang nicht vorweisen. Bundeswehrparka, kühner Blick und „Deutschland kriegstüchtig machen“? Wahrscheinlich ist er nur der am wenigsten unbeliebte Politiker. Immerhin war er so schlau, Scholz die Wahlniederlage einfahren zu lassen. So kann er dann unbelastet seine eigene Karriere nach der Wahl verfolgen.

mapla54
4 Tage her

Wohlgemerkt : über den ersten Absatz bin ich nicht hinausgekommen , über den geistig unzurechnungsfähigen Zustand der Bürger in unserem Land hat mir mein Kopfschütteln ein veritables Schleudertrauma beigebracht !
Boris usw. von der SPD ist der beliebteste “ Politiker “ Deutschlands ? Wo präzise sind die Qualitäten dieser unscheinbaren , grauen Maus zu verorten ? Wundern wird mich zukünftig rein garnichts mehr…🤣🥱🤦🏻

Emsfranke
4 Tage her
Antworten an  mapla54

Mir hat mal ein Osnabrücker gesagt, dass man vor vielen Jahren froh gewesen sei, als man den damaligen Oberbürgermeister BP in die Landespolitik entsorgen konnte. Ob das nun wirklich so gewesen ist, ich weiß es nicht.
Aber bei genauerer Betrachtung dieser Personalia……Naja, warum nicht.

Bernd Bueter
4 Tage her
Antworten an  Emsfranke

Entsorgt als Innenminister. Hab ihn selbst mal erlebt. Da gab er „Kripo ist höherer Dienst und Schupo gehobener Dienst“ zum Besten. Da waren wir als BDK schon mal geplättet von soviel Sachverstand.