Eine staatliche Organisation, die alles menschliches Leben unter bürokratische Kontrolle bringt, produziert unausweichlich eine kleine Gruppe von Bürokraten. Diese werden Macht ausüben und anschließend an ihren jeweiligen Machtpositionen rigoros festhalten wollen. Von Carlos A. Gebauer
In diesem Jahr war es 80 Jahre her, dass die Streitkräfte der freien Welt sich abschließend auf ihre geschichtsträchtige Invasion in der Normandie vorbereiteten. Mit dem legendären „D-Day“ am 6. Juni 1944 trat die nationalsozialistische Gewaltherrschaft über Deutschland und Europa in ihre Endphase.
Praktisch zeitgleich publizierte Friedrich August von Hayek sein wohl bekanntestes Werk: „The Road to Serfdom“. Obgleich sich dieses – an die „Sozialisten in allen Parteien“ gerichtete – Werk seiner Ursprungsannahme nach nur in wenigen Ausgaben verkaufen werde, entwickelte es sich zügig zu einem Weltbestseller.
Schon am 9. April 1944 veröffentlichte George Orwell eine Rezension des Buches, in der er die wesentlichen Kernthesen Hayeks vorstellte: Sozialismus führt unvermeidlich zu Despotismus. Eine staatliche Organisation, die – wie typisch für eine sozialistische – alles menschliches Leben unter bürokratische Kontrolle bringt, produziert unausweichlich eine kleine Gruppe von Bürokraten. Diese werden Macht ausüben und dann auch an ihren jeweiligen Machtpositionen anschließend rigoros festhalten wollen.
Auch wenn es lange vor dem Erscheinen des „Weges zur Knechtschaft“ vielfältige Warnungen vor menschenverachtenden Systemen wie dem des Faschismus und des Kommunismus wie auch eines nationalen Sozialismus gegeben hatte, so erscheint nicht fernliegend, Hayek als den Urvater des Antifaschismus zu charakterisieren. Denn gerade er – als studierter Jurist und Wirtschaftswissenschaftler – war knapp 30 Jahre nach der Russischen Revolution und rund 10 Jahre nach Hitlers Machtergreifung prädestiniert für die nun empirisch gesicherte Erkenntnis, dass ein mittels staatlicher Bürokratie durchorganisierter volkswirtschaftlicher Gesamtapparat die Freiheiten des Individuums zwangsläufig eliminieren musste.
Doch nicht nur der menschenrechtliche Aspekt einer Übergehung individueller Freiheiten sprach schon aus dem Erkenntnishorizont Hayeks gegen die Idee einer staatlichen Zentralverwaltungswirtschaft. Indem sich die kleine Gruppe staatlicher Bürokraten bei ihrer Wirtschaftssteuerung nur auf die eigenen kognitiven Fähigkeiten verlassen müssen, war für Hayek absehbar, warum das wirtschaftliche Wohlergehen in einer Planwirtschaft mit dem einer freien Wirtschaft niemals würde standhalten können: Staatlich ferngesteuerte und fremdbestimmte Wirtschaftssubjekte ohne substantielle eigene Entscheidungsbefugnisse können bei weitem nie so divers und kreativ und produktiv sein wie unzählige frei gebildete Produktionseinheiten von selbstverantwortlichen Menschen.
Aus heutiger Sicht – 80 Jahre nach dem ersten Erscheinen des „Weges zur Knechtschaft“ – präsentiert sich dem aufmerksamen Publikum an vielen Stellen eine neue Anmaßung des Wissens: Das Informationsproblem der frühen Zentralverwalter zwischen Entscheidungsebene und operierenden Peripherien scheint durch moderne Informationstechnik digital gelöst zu sein.
Doch abseits aller diesbezüglichen Schwierigkeiten mit Medienbrüchen und den Herausforderungen der Tatsachenerfassung, Tatsachenbeschreibung, Tatsachenwertung, Tatsachenwürdigung und zielgerichteter Reaktion auf Informationsaufnahmen bleibt hier wiederum die rechtliche Dimension ungeklärt: Hat ein digitalisiertes Individuum inmitten mannigfaltiger Algorithmen überhaupt noch die ethisch gebotene Menschenwürde, um ein eigenes Leben zu führen?
Der intellektuelle Streit für die Rechte des Individuums, der publizistische Einsatz für die Menschenwürde und die akademische Arbeit zu Gunsten einer freien Gesellschaft sind bis heute nicht ansatzweise abgeschlossen. Die Rezeption des Werkes von Hayek bedarf kontinuierlicher Fortschreibung. Er erkannte in rechtlicher und ökonomischer Hinsicht die fatalen Parallelen zwischen Faschismus, Kommunismus und zentraler Verwaltungswirtschaft.
Auch wenn es seiner Generation nach dem D-Day des Jahres 1944 im Westen noch gelang, totale Übergriffigkeiten anmaßender Eliten zu Gunsten individueller Freiheit zurückzudrängen, so ist diese Debatte bis heute nicht beendet. „The Road to Serfdom“ gehört in den Pflichtlektürekanon jedes Gymnasiasten. Besser lässt sich eine Demokratie nicht fördern und besser lässt sie sich nicht verteidigen. Besser lässt sie sich wohl auch nicht schützen.
Carlos A. Gebauer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und freier Publizist.
Friedrich A. Hayek, Der Weg zur Knechtschaft. Edition Olzog im Lau-Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 336 Seiten, 39,90 €
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Das Buch von Friedrich Hayek, das übrigens von der Ehefrau von Wilhelm Röpke ins Deutsche übersetzt wurde, war kein Gegenpol zur sozialen Marktwirtschaft, wie sie dann unter Erhard teilweise umgesetzt wurde. “ Teilweise“ deshalb, weil sehr viel aus der Gedankenwelt von Hayek, und den Freiburgern, durch die Plutokrateninteressen der ersten zwanzig Jahre nach 1949 unterminiert und zum Entgleisen gebracht wurde. Hayek war der Gegenpol zur sozialistischen Staatswirtschaft, und damit auch zur Staatswirtschaft der Nationalsozialisten. Er hat, wie viele andere seiner Zeit auch, die Gemeinsamkeiten von Faschismus und Kommunismus gesehen. Hayek hat sich aber ausdrücklich gegen jedes Laizzez-faire, jeden Anarcho-Kapitalismus, und… Mehr
Mit Hayeks Werk mit dem Titel der Weg zur Knechtschaft kam ich schon in meinem konservativen Elternhaus im jugendlichen Alter in Berührung, was mich bis heute so beeinflußt hat, daß ich seine Gedanken nur teilen kann und gerade wird uns ja mal wieder vorgeführt, was der Sozialismus alles anstellt, wenn man ihm Gelegenheit gibt, fröhliche Urstand zu feiern. Das kam daher, daß mein alter Herr Verlagsleiter war und wir zuhause ein Herrenzimmer mit angrenzender Bibliothek von ungefähr 3000 Büchern unser eigen nennen konnten und das war ein bunter Gemischtwarenladen zu nahezu allen Themen, der Menschheit die ein Individuum von Natur… Mehr
Herr Gebauer, wenn Sie Sich einem Geschichtsnarrativ für Blöde hingeben, diskreditieren Sie den weiteren Inhalt Ihres Artikels. Warum gehen Sie mit Kritik an den Nationalsozialisten, die man durchaus berechtigt bemerken kann, nicht im Detail um? Deutsche Soldaten in der Normandie waren das Resultat der II. Kriegserklärung von Briten & Franzosen im XX. Jahrhundert. Was ist an der Niederwerfung einer üblen Kolonialmacht & Kriegstreiber-Nation verwerflich? Mit Verlaub, nichts. Deutschland befand Sich mit Polen & der Tschechei, wie heute die Ukraine, in einem lokalen Konflikt mit Nachbarn um illegal okkupierte Deutsche Territorien. Prag war immerhin 300 Jahre Deutsche Hauptstadt. Hitler war nicht… Mehr
Tja, bei Putins Massnahmen gegen die EU und Marinefragen sind wir fraglos uneins. Aber hier, bei diesem Thema kann ich Sie zu Ihrem Durchblick nur beglueckwuenschen. Uneingeschraenktes Chapeau!
Wenn Sie Zeit aufbringen können, gehen Sie auf die Suchmaschine & schauen Sich einen der beiden neuesten Vorträge von Herrn Oberst Dr. Reisner bei den Resten unserer Bundeswehr an. Bei Reisner muß man immer bedenken, daß Er noch relativ jung, Deutscher in der Ethnie & Österreichischer Staatsbürger, mit westlicher Prägung, also Sozialisierung ist. Insofern sind Reisners Vorträge politisch tendenziös, genau, wie die Zahlen, die Er nennt. Dasselbe, nur umgekehrt, finden wir mit rußlandfreundlichen Mitbewerbern, wie Vad, vor. Wenn man dann zu den Fragerunden nach dem Vortrag kommt, erlangt man ziemlich genaue Eindrücke über das Abschreckungspotenzial Europäischer Streitkräfte, wie auch den… Mehr
Habe ich mittlerweile gemacht, Laurenz, und stimme erneut zu. Allerdings war ich mir auch vorher schon ueber den Kampfwert heutiger europaeischer Streitkraefte im Klaren. In dem Teil, der sich Bundeswehr nennt, tendiert er inzwischen gegen einen Wert, der von Verbaenden der Freiwilligen Feuerwehr ueberschritten werden duerfte.
„In diesem Jahr war es 80 Jahre her, dass die Streitkräfte der freien Welt…“ Dass ich nicht lache…!
Herr Gebauer hätte uns dann auch gleich erklären sollen, warum die Kolonien den Weltkrieg nutzten, um sich von unseren tollen Befreiern aus der Freien Welt zu befreien. Die Vietnamesen, die armen Schweine, mußten noch 30 Jahre Befreiungskrieg von der Befreiung Ostasiens führen. Mittlerweile ist die Freie Welt unfreiwillig ganz schön geschrumpft….
So ist es!
Dionysos wirds richten. Hat eh alles keinen Zweck mehr.
Ma gucken. Vielleicht wurde in weiser Voraussicht deswegen Canabis legalisiert. 🤔
Ich werd schon was finden womit ich mich betäuben kann. 😁👍
Macht ihr mal. Hauptsache Altparteienwähler beschweren sich nicht. Das macht wirklich betroffen.
Orwell wusste schon 1944: „Sozialismus führt unvermeidlich zu Despotismus.“
Und da war nicht klar, wie sich China entwickeln würde, die Staaten des Warschauer Paktes, Nordkorea oder Kuba, welches damals noch ein Urlaubsparadies war. Es gab eigentlich nur die Sowjetunion unter Stalin und den Nationalsozialismus, aus denen Orwell seine These abgeleitet hat.
Jeder sozialistische Staat ist danach tatsächlich zur Diktatur geworden und hat Orwell damit bestätigt.