Die Taschenspielertricks des Theodor W. Adorno

Adorno sagt nicht direkt, dass die »Alternative« zum kapitalistischen System und der Warenkultur Utopia sei. Doch das ist es, was er meint. Utopia jedoch ist keine echte Alternative. Und deshalb ist seine Alternative zur scheinbaren Freiheit der Konsumgesellschaft selbst eine Scheinalternative

Adorno nahm eine Idee von Lukács auf, als er das Konzept des »Warenfetischismus« zu einem Teil seiner umfassenden Kulturkritik machte. In einer kapitalistischen Ökonomie, meinte er, würden die Menschen nicht durch andere, sondern durch sich selbst versklavt, indem sie der Anziehungskraft der glitzernden Warenwelt um sich herum erliegen. Ihr »falsches Bewusstsein« verleite sie dazu, der immer gleichen Anziehungskraft nachzugeben, und so werde ihre wahre Freiheit durch die illusorischen Freiheiten der Konsumkultur verdrängt. Adorno hat das Ergebnis der Konsumkultur in Hollywood erlebt und war von ihr angewidert, nicht nur wegen ihrer Vulgarität, sondern auch wegen der entspannten Art, wie die Amerikaner den sie versklavenden Müll zu genießen schienen.

Die Massenkultur ist eine Ware, dessen Aufgabe es ist, den kritischen Geist zu neutralisieren und eine illusorische Akzeptanz einer illusorischen Welt zu erzeugen. Sie ist ein »ideologisches« Produkt im Marx’schen Sinne, ein Schleier, der über die gesellschaftliche Realität gelegt wurde, um an ihrer Stelle eine tröstliche Illusion zu erzeugen. Mit anderen Worten: Die Massenkultur ist ein Teil des falschen Bewusstseins von der kapitalistischen Gesellschaft, und Adorno wollte zeigen, wie sie den Weg zu den wahren Gefühlen umgeht und immer zu Klischees und einer routinierten Sentimentalität führt.

Adornos Hoffnung als Komponist und Musikwissenschaftler war, die kreative Logik der großen Meister, die mit der Realität gekämpft und den ihren Ideen entsprechenden Stil gefunden hatten und niemals vor der Qual des wahren musikalischen Arguments zurückgeschreckt waren, jenem Kitsch gegenüberzustellen, der den kürzesten Weg zum Trost sucht wie die populären Schlager, die sich am Ende zum Tonikaakkord heimschleppen. Der Kulturfetisch ist durch seine »standardisierte« Natur gekennzeichnet, durch die routinierte Präsentation vorverdauten Materials und die Ablehnung, seinen eigenen Status als Ware anzuerkennen.

Aus dem Maschinenraum des Nonsens
Konservativer Philosoph dekonstruiert die Lieblingstheorien der Linken
Adorno folgte dem Weg von Lukács, indem er die Theorie des Warenfetischismus mit der Theorie der Verdinglichung verband. Gemeint war die Art, wie Menschen ihre subjektive Freiheit verlieren, wenn sie sie für Objekte außerhalb ihres Selbst einsetzen. Lukács behauptete, dass Menschen verdinglicht würden, indem ihre Freiheit hinausströmt und zu Objekten gerinnt: Ihre Freiheit werde auf Objekte, die sie repräsentieren, transferiert und durch diese gefangengenommen. Institutionen, Gesetze, Beziehungen – sie alle sind der Verdinglichung ausgesetzt, die die Welt ihrer menschlichen Bedeutung beraubt, indem sie die freien zwischenmenschlichen Beziehungen durch mechanische Beziehungen zwischen Dingen ersetzt. Auch die Kunst ist verdinglicht, sie verkommt zu einer schmückenden Zugabe zur bourgeoisen Einrichtung, und so verliert sie ihre authentische Natur als Instrument der Kritik.

Aus der Zusammenführung der beiden Ideen des Warenfetischismus und der Verdinglichung folgt, dass in der kapitalistischen Kultur die freien Beziehungen zwischen Subjekten, auf denen unsere menschliche Erfüllung beruht, durch die alltägliche Beziehung zwischen Objekten überlagert und durch sie ersetzt werden. Das war der großartige Weg – der Weg der klassischen deutschen Philosophie –, um endlich zum Punkt zu kommen: In der kapitalistischen Massenkultur werden Subjekte zu Objekten und Objekte zu Subjekten! Kein Wunder, wenn Adorno glaubte, durch den Schleier der Massenkultur die darunterliegende Realität erblickt zu haben. Er übertrug den Jargon von Subjekt und Objekt auch auf den Bereich der klassischen Musik. Hier ein Beispiel, wie er ihn auf Bach anwendet:

»Bach, als der fortgeschrittenste Generalbassmeister, sagte zugleich, als altertümlicher Polyphoniker, der Tendenz der Zeit, die er selber ausprägte, den Gehorsam auf, um jener Tendenz zu ihrer eigenen Wahrheit zu verhelfen, der Emanzipation des Subjekts zur Objektivität in einem bruchlosen Ganzen, das in Subjektivität selber entspringt.
Es geht um die ungeschmälerte Koinzidenz der harmonisch-funktionellen und der kontrapunktischen Dimension bis in die subtilsten Bestimmungen der Struktur. Das längst Vergangene wird zum Träger der Utopie des musikalischen Subjekt-Objekts, der Anachronismus zum Boten der Zukunft.«

In dem Abschnitt macht Adorno eine alltägliche Feststellung – dass nämlich bei Bach die Logik des Kontrapunkts und der funktionalen Harmonie übereinstimmen, sodass keiner der beiden den anderen dominiert. Aber diese Beobachtung wird umgearbeitet, und nun beinhaltet sie, dass Bach irgendwie die »Utopie des musikalischen Subjekt-Objekts« verkündet. Diese Art Umarbeitung ist typisch für Adornos Taschenspielertricks. Der verwendete Jargon beschwört eine Schlussfolgerung, die Adorno nicht beweisen kann, nämlich dass Bach seine Bedeutung der Tatsache verdanke, dass seine Musik, trotz des antiquierten Stils auf der richtigen Seite der Geschichte stehe, nämlich auf der Seite, wo nach Utopia gesucht und wo – in objektiver Form – die echte Freiheit des Subjekts bewahrt werde.

Klassiker neu gelesen
Ohne Massenbewegung ist totale Herrschaft nicht möglich
Wieso waren Schriften der Art, wie ich sie zitiert habe, so einflussreich? Diese Frage bringt uns wieder zurück zum revolutionären Geist der 1960er und 1970er Jahre. Die Befürworter der »Befreiung« waren sich in den Tiefen ihrer Herzen durchaus der Wohltaten bewusst, die sie der Marktwirtschaft zu verdanken hatten. Sie gehörten einer Generation an, die Freiheit und Wohlstand in einem Maße genießen konnte, wie es jungen Menschen niemals vorher gegeben war. Die Ablehnung der kapitalistischen Ordnung im Namen der Freiheit schien ein wenig lächerlich, wo doch der Kontrast zur sowjetischen Alternative so offensichtlich war.

Um den neuen revolutionären Geist zu erwecken, brauchte man eine Theorie, die nachwies, dass die kapitalistische Freiheit eine Illusion war, eine Theorie, die die wahre, von der Konsumgesellschaft negierte Freiheit aufzeigte. Das war es, was Adorno, Horkheimer und Marcuse geliefert haben. Adornos Angriff auf die Massenkultur gehörte zur gleichen Bewegung wie Marcuses Anklage der »repressiven Toleranz«. Es war ein Versuch, die Lügen zu durchschauen. Die Theorien des Fetischismus, der Verdinglichung, der Entfremdung und der Unterdrückung, die um 1968 herum zirkulierten, hatten ein überragendes Ziel: die illusorische Natur der kapitalistischen Freiheit aufzuzeigen und die kritische Alternative hochzuhalten, eine Befreiung, die nicht zu einer anderen, finstereren Form des Staatskapitalismus führen würde, die, wie behauptet wurde, über Ost und West herrschte.

Indem sie die Kritik am amerikanischen Kapitalismus und dessen Kultur ständig verschärften, sich jedoch nur zurückhaltende und herablassende Hinweise auf den echten Albtraum der kommunistischen Herrschaft erlaubten, zeigten diese Denker ihre bodenlose Indifferenz dem menschlichen Leid gegenüber und ebenso die unseriöse Natur ihrer Empfehlungen. Adorno sagt nicht direkt, dass die »Alternative« zum kapitalistischen System und der Warenkultur Utopia sei. Doch das ist es, was er meint. Utopia jedoch ist keine echte Alternative. Und deshalb ist seine Alternative zur scheinbaren Freiheit der Konsumgesellschaft selbst eine Scheinalternative – eine bloße Idee, deren einzige Funktion ist, das Ausmaß unserer Probleme zu beleuchten. Doch Adorno war sich durchaus bewusst, dass es sehr wohl eine aktuelle Alternative zum Kapitalismus gab, eine, die Massenmord und kulturelle Auslöschung bedeutete. Denn Adornos Ablehnung dieser Alternative als eine nur »totalitäre« Version des gleichen Staatskapitalismus, den er in Amerika erfahren hatte, war von Grund auf unehrlich.

Was Europa einmal zusammenhielt
Ein ebenso zeitgemäßes wie unzeitiges Buch: »Abendland«
Nach alledem muss der Gerechtigkeit halber gesagt werden, dass die Frankfurter Kritik der Konsumgesellschaft auch ein Element der Wahrheit enthält. Es ist eine Wahrheit, die viel älter ist als die marxistischen Theorien, mit denen sie Horkheimer und Adorno ausgeschmückt haben. Tatsächlich ist es eine Wahrheit, die im Alten Testament enthalten ist und die über die Jahrhunderte immer wieder formuliert wurde: die Wahrheit, dass wir unsere bessere Natur betrügen, wenn wir uns vor Götzen verbeugen. Die Thora breitet vor uns eine Vision der menschlichen Erfüllung aus. Sie erklärt, dass wir dem Gesetz Gottes verpflichtet sind, das keinen Götzendienst duldet und unsere absolute Hingabe verlangt. Doch indem wir uns Gott zuwenden, werden wir zu dem, was wir wirklich sind, Geschöpfe einer höheren Welt, wo unsere Erfüllung mehr bedeutet als die Erfüllung unserer Wünsche. Durch den Götzendienst fallen wir ab in eine niedere Existenz – in den Zustand der Selbstversklavung, in dem unsere Begierden als Götter erscheinen und die Herrschaft über uns ergreifen.

Adorno glaubte freilich nicht an Gott und hatte auch wenig für die Lehren der Thora übrig – viel weniger als sein Held Arnold Schönberg, der in seinem unvollendeten und nicht vollendbaren Meisterwerk Moses und Aron versucht hatte, die eben dargelegten Ideen als Drama darzustellen. Doch Adornos Angriff auf die Massenkultur sollte in diesem alttestamentarischen Geist gesehen werden, als die Zurückweisung des Götzendienstes und als die Bestätigung der jahrhundertealten Unterscheidung zwischen wahren und falschen Göttern – zwischen der Anbetung, die uns veredelt und erlöst, und dem Aberglauben, der uns in den Abgrund führt. Adornos wahrer Gott ist Utopia: die Vision von freien Subjekten, die sich der Welt in ihrer Realität bewusst sind und sie für sich behaupten. Der falsche Gott ist der Fetisch des Konsumismus, der Gott der Begierden, der unsere Sicht vernebelt und unsere Wahlmöglichkeiten vernichtet.

In dieser Hinsicht unterschied sich Adorno grundsätzlich von den 68er Revolutionären, obwohl er eine Sprache benutzte, die diese glaubten, ebenfalls nutzen zu können. Die Befürworter der »Befreiung« suchten nach einer anderen Gesellschaftsordnung, in der Menschen wahrhaft frei sein würden, frei, weil sie den Schleier der Illusionen zerrissen und begonnen haben, eine weniger repressive Welt zu errichten. Aber die Erlösung, die Adorno versprach, konnte nicht durch Gesellschaftsreformen erreicht werden: Ihm schwebte eine persönliche Erlösung vor, das Zurücklassen der Fantasien auf dem Weg zur Selbstentdeckung.

Wer seinen Geist an eine Utopie heftet, tritt in Verbindung mit seiner Subjektivität und braucht eine wahre geistige Disziplin. Dieser Mensch ist nicht dadurch motiviert, Elend und Leid zu vermeiden, denn er weiß, dass diese die Prüfungen der menschlichen Freiheit sind. Nichts stößt ihn mehr ab als der Fetisch, der aus dem Land der Illusionen stammt und der das höhere Leben verneint und zerstört, weil er Tragödie und Leid verneint. Doch den Trost, den Kythera (die Insel Kythera gilt in der Mythologie als Reich der Liebe, fern aller Konflikte – Anm. d. Red.) spenden kann, verbietet das gleiche moralische Urteil, und eine »Befreiung«, die Sex, Sünde und Müßiggang der Liste der Konsumgüter hinzufügt, ist nur ein neuer Name für die altbekannte Versklavung.

»Bekenntnisse eines Häretikers«
Roger Scrutons konservative Streifzüge
Um es genauer zu sagen: Adornos Perspektive ist nicht die des Revolutionärs, der den Kapitalismus stürzen will, sondern die von Hegels »schöner Seele«, die dazu verdammt ist, in einer götzendienerischen Welt zu leben und ständig daran zu arbeiten, die geistige Disziplin, die ihre moralische Abgeschiedenheit bestimmt, zu bewahren. Der Hegel’sche Jargon von Subjekt und Objekt verweist auf die wirkliche Botschaft Adornos, die nichts mit dem Konflikt zwischen den kapitalistischen »Produktionsverhältnissen« und irgendeiner emanzipierten Alternative zu tun hat. Ihr Gegenstand ist die Kunst und der Unterschied zwischen der wahren Kunst und ihrem götzendienerischen Ersatz. Wahre Kunst ist wichtig, weil sie uns mit unserem wahren Wesen verbindet und ermöglicht, dass wir auf jener höheren Ebene existieren, auf der Freiheit, Liebe und Erfüllung möglich sind. Doch wir sind von Scheinkunst umzingelt, von Sentimentalität, Klischees und Kitsch. Diese Scheinkunst kettet uns an die Welt der »Verdinglichung«, weil sie Dinge mit einem Wert durch Dinge, die einen Preis haben, ersetzt, und durch sie verliert das menschliche Leben seinen Wert, weil es von monotonen Begierden regiert wird.

So verstehe ich die Last, die Adornos Kritik der Massenkultur zum Ausdruck bringt. Wie die anderen Kritiken ähnlichen Inhalts von Ruskin, Arnold, Eliot und Leavis entspringt sie der Verdammung des alttestamentarischen Götzendienstes und enthält als solche einen wahren Kern. Die Probleme entstehen dadurch, dass Adorno die Sprache des Marxismus benutzt und der daraus entstehenden Implikation, dass er eine politische Alternative zur »bourgeoisen« Gesellschaft umreißt und auf Mängel hinweist, die durch eine marxistische Revolution überwunden werden könnten. Die einzige Revolution, die sich Adorno vorstellen kann, findet in der Welt der Kultur statt. Sie ist keine politische, sondern eine ästhetische Revolution, der Versuch, Utopia durch die Kunst zu verstehen. Kunst – stellt Adorno fest –, die sich wie die Propagandakunst von Brecht und Eisler direkt in den Dienst der Revolution stellt, verrate die einzige Art von Wahrhaftigkeit, der die Kunst fähig ist. Der Drang zur Utopie müsse innerhalb der Kunst verteidigt werden, durch die innere Revolution der Kreativitätsformen. »Denn der unmittelbare Einspruch (…) wäre in Kunst reaktionär.« Genau auf diese Art konnte Adorno zur 68er Revolution gehören und zugleich ihres Zugriffs entweichen und zum Nachdenken über Dinge zurückkehren, die ihm wirklich wichtig waren, wie die Zukunft der Tonalität, die Natur der Massenkultur und die Herrschaft des Kitsches.

Um die Fußnoten bereinigter Auszug aus:
Roger Scruton, Narren, Schwindler, Unruhestifter. Linke Denker des 20. Jahrhunderts. Edition Tichys Einblick im FBV, Hardcover, 368 Seiten, 25,00 €


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 17 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

17 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
spindoctor
2 Jahre her

Passt wunderbar auf den herrschenden e-Bike-Wahn.

Odysseus JMB
2 Jahre her

Die Krisen des Konsums sind Krisen der Vorstellung „vom guten Leben“, die letztlich von Aristoteles sehr unbekümmert in seiner Politika ins Werk gesetzt wurde. Ständig über die Jahrhunderte erfurchtsvoll wiederholt und unkritisch ins Wort gesetzt bis heute, besonders auch im Morgenland. Aber auch Grundlage eines jeden Sozialismus und Materialismus. Die Flachheit des Slogans vom guten Leben schreit natürlich nach Metaphysik um sinnstiftend ergänzt werden zu können, natürlich durch einem „Gott“. Zum Glück gibt und gab es Sonne, Mond und Sterne und irgendwie konnte das Problem „überzeugend“ im Monotheismus und seinen vielfältigen Spielarten „gelöst“ werden. Wie einem Erdenbürger von klein an… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Odysseus JMB
Mozartin
2 Jahre her

Es ist schon sehr lange her, dass ich mich mit Adorno befasste. Diese Interpretation des Ansatzes von Adorno trifft es bisher am besten, wenngleich m.E. „zu positiv“. Ich habe nunmal Adorno als „Angriff“ auf eine Verstrickung von Mythos und Aufklärung gelesen. Die Verstrickung schien mir weder aufzulösen sein durch den Mythos, noch durch Aufklärung. Damit bewegte sich Adorno nicht innerhalb meines Verständnisses von vor allem Aufklärung, aber auch nicht von Göttlichkeit. Ich denke auch, dass Adorno grob „alttestamentarisch“ argumentiert. Nur argumentiert das Alte Testament auch so oder ist es überhaupt erst der Schritt hin zu einem LEBENDIGEN GOTT, positiv also,… Mehr

R.J.
2 Jahre her

Danke für die Mitteilung dieser klugen Anmerkungen. Erlauben Sie mir einige ungeordnete Gedanken dazu. (A) Die „Kritische Theorie“ hat sich m.E. als philosophisch unfruchtbar erwiesen, anders als ihre Kontrahenten, etwa der Logische Positivismus. Es war zu viel bloßes Gefuchtel, Empörung, auch Demagogie dabei. Heute wird A. nach meiner Wahrnehmung vorzugsweise von Vertretern der sog. Intelligenz zitiert, gerne aus den „Minima Moralia“, weil die so schneidende und entschiedene Sätze enthalten und man derart die Pose der Überlegenheit einnehmen kann. (B) Das Problem besteht aber darin, dass die meisten Sätze bei näherer Prüfung zerbröseln, dann nämlich, wenn man fragt: „Was ist damit… Mehr

Christa Born
2 Jahre her
Antworten an  R.J.

Danke für diese Ergänzungen. Hinzufügen muss man noch, dass A dann ja selbst zu einem der ersten Opfer der totaltären „Studentenbewegung“ wurde. Bis zu den Böhmermännern im ÖRR und den MSM hat es einige Jahrzehnte gebraucht, heute sind sie fast allgegenwärtig. Die Geister die er rief…

R.J.
2 Jahre her
Antworten an  Christa Born

Danke. Er war halt, wie Horkheimer, ein Großbürger aus dem 19. Jh., der vergeblich versuchte, mittels Marx und Zwölftonmusik mit der Entwicklung des 20. Jh. Schritt zu halten. Vor allem scheint er ein schönes Beispiel für die Dominanz des Persönlichkeitstypus in der Philosophie. Hochgebildet und hochintelligent waren auch Ernst Cassirer oder Karl Raimund Popper, aber philosophisch ganz anders. Vergleichen Sie den Entlarvungs-Feldzug in der „Dialektik der Aufklärung“ mit der sorgfältigen, überall durch Quellen belegten Analyse Poppers in „The Open Society and its Enemies“. Bei aller Deutlichkeit der Aussage bemüht sich Popper immer, den Autoren, gleich ob Platon, Hegel oder Marx,… Mehr

a.bayer
2 Jahre her
Antworten an  R.J.

Ein wichtiger Punkt, auch im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Charaktere, ist die Tatsache, dass Popper etwas unternimmt, was Adorno und die meisten seiner Epigonen auf gar keinen Fall möchten: Popper will nicht nur reden, er will auch verstanden werden!

Harry Charles
2 Jahre her

MAN KRIEGT KOPFWEH, wenn man den Versuch macht, Adornos verquastes Geschwafel zu lesen. Spätestens nach dem ersten Satz drängt sich einem das Gefühl auf: „Weiterlesen ist vergeudete Lebenszeit.“ „Much ado about nothing“ – um es mit Shakespeare zu sagen. Die Lektüre seiner Dramen ist ein Hochgenuss verglichen mit diesem linken Apparatschikgewäsch, das eine Vergewaltigung des Papiers (zu Adornos Zeiten druckte man noch). Es gibt wohl kaum einen intelligenten, denkenden Menschen, der einen Großteil unserer Konsumgesellschaft nicht auch kritisch sieht. Da könnte man auf Vieles verzichten, das genau so ein billiger, ressourcenvergeudender Ramsch ist wie Adornos pseudointellektuelle, linke Schwadronade. Die DDR-Mangelgesellschaft… Mehr

K.O.Estler
2 Jahre her
Antworten an  Harry Charles

So ist es! Schon Adornos Idol, György Lukács, war der Migränegenerator schlechthin und ein Paradebeispiel, wie man in möglichst vielen Wörtern möglichst wenig sagen kann. Der Kommunist Lukács musste 1956 aus seiner ungarischen Heimat Hals über Kopf flüchten, ansonsten hätte man ihn, wie so viele seiner Genossen, auf einer Straßenlaterne aufgeknöpft. Mein Prof an der Uni war ein Lukács-Fan, das habe ich leider zu spät gemerkt, doch irgendwann ist es mir gelungen, mich im Studium neu zu orientieren. Adorno fällt unter den Satz von André Breton: „Ein Philosoph, den ich nicht verstehen kann, ist ein gemeiner Halunke!“.

Jean B.
2 Jahre her

Eine gute Analyse, welche die Notwendigkeit einer grundlegenden Auseinandersetzung mit den Strömungen der 50er, 60er und beginnenden 70er Jahre nahelegt. Frankfurter Schule, 68er – Bewegung, sog. Popkultur, so unterschiedlich sich diese auch darstellen, bilden letztendlich ein Konglomerat, das einer intensiven Aufarbeitung bedarf, um die Verwerfungen der Gegenwart verstehen zu können.
Die Aushebelung demokratischer Grundfeste und ein fataler Hang zu autokratischen Denkweisen vor allem in den westlichen Staaten, die sich zur Zeit vollziehen, haben ja darin ihre Wurzeln.

Medienfluechtling
2 Jahre her
Antworten an  Jean B.

Richtig. Man sollte sich m.E. viel mehr mit dem Poststrukturalismus befassen um seiner zersetzenden Wirkung etwas entgegensetzen zu können.

Dieter Kief
2 Jahre her

Roger Scruton wird in den Programmen der Opernbühnen und der Festspiele nicht zitiert, soviel ich bisher sah. Wenn er sich nun beklagt, Adorno könne die Wirksamkeit seiner ästhetischen Theorie nicht erklären, so schließt er vielleicht von seiner eigenen Resonanzlosigkeit auf die Adornos. Das ist aber nicht zutreffend, denn Adorno ist – ein halbes Jahrhundet nach seinem Tod, – noch immer springlebendig als erstklassige Referenz der Fachleute. Meine Vermutung ist, das werde noch lange so weitergehen. – Bach lag ihm offenbar nicht so richtig, aber dennoch hat er sich da ganz gekonnt aus der Affäre gezogen mit einem ein wenig windschiefen… Mehr

Jean B.
2 Jahre her
Antworten an  Dieter Kief

Das mit der Resonanzlosigkeit ist immer so eine Sache. Resonanzlosigkeit bei wem und in welchen Kreisen? Adornos Nachleben hatte in den 80er Jahren einen Höhenflug und da auch nur in universitär beeinflußten Zirkeln. Ich erinnere mich an ein Konzert mit damals zeitgenössischer Musik in Nürnberg. Ein Stück hieß „Adorno hat gesagt …“ und es thematisierte Adorno als Referenzgröße in nahezu jeder Diskussion auf etwas ironische Art und Weise. Undenkbar jetzt einem Musikstück einen ähnlichen Titel zu geben. Scrutons Werk sehe ich in keinster Weise als resonanzlos. Seine Leserschaft setzt sich aber wahrscheinlich gänzlich anders zusammen, als die Adornos. Beide werden… Mehr

FKR
2 Jahre her

Utopien sind Wunschkonzerte wie Sozialismus oder Kommunismus, vereint unter denm Begriff Faschismus. Weltrevolution und Komintern war damals,heute sind es Transformation und Weltklimarat, letztendlich eine Soße. Die Erkenntnis setzt Lebensjahre voraus, die die neue Elite aus der universitären Inzucht nicht hat. Intellekt sieht heute anders aus, genannt „Praktische Intelligenz“. Die Verwissenschaftlichung des Banalen treibt ihr Blüten . Die Herde eilt im Vollsprint und wartet sehnsüchtig auf den Einschlag.Aber nichts wird kommen . Irgendwie wünschen sich die Katastrophalen dieselbe,nur damit ihre Wahrsager zu Göttern werden.

H.Arno
2 Jahre her
Antworten an  FKR

„Transformation“ ist das Linke“Tarn“Wort für Links-tyrannische Machtrergreifung!
Die Wähler-Schafe sollen nicht erkennen, wie sie diktatorisch entrechtet werden,
sobald die die Links-Grünen über alle Schalthebel der Macht verfügen.
Der Trick mit ihrer „Weltrettung“ dient nur zur moralischen Erpressung durch Schuld-Zuschreibung für das gesamte Volk. Das eingeimpfte Schuldgefühl soll die Massen vom Aufstand gegen die Unterdrückung durch Links-Grüne Tyrannen
moralisch abhalten.

K.O.Estler
2 Jahre her
Antworten an  H.Arno

„Transformation“ war, ähnlich wie „Wende“, bis vor 20 Jahren noch überaus positiv besetzt. Was In Ostdeutschland „Wende“ hieß, bezeichnete man in anderen Ex-Osteuropa-Ländern als „Transformacja“. Die gute Bezeichnung für die damalige erfreuliche Entwicklung wurde in D nach und nach umgedeutet und bezeichnet jetzt, genauso wie „Wende“, oktroyierte Verschlechterungen.

Eloman
2 Jahre her

Ich bin in der Schule mit Adorno und Marcuse genervt worden. Für mich waren das immer grauenhafte Schwurbler, die unfähig waren, sich halbwegs verständlich auszudrücken. Ne Art von elitärer Arroganz halt. Ähnlich schlimm wie Judith Butler.