Eine App will bestimmen, wann Jugendliche im Netz aktiv sind

Der Countdown läuft: zwei Minuten ab jetzt, mehr nicht, um ein Foto zu posten. So funktioniert die App „BeReal“. Die trainiert Jugendlichen ab, selbst zu entscheiden, wann sie etwas von sich preisgeben wollen. Von Charlotte Kirchhof

IMAGO / Rüdiger Wölk
BeReal im Appstore von Apple

Jetzt aber schnell: „Du hast zwei Minuten Zeit, um dein BeReal zu posten und zu sehen, was deine Freunde machen“. Solch eine Nachricht bekommen Nutzer einer gerade boomenden App einmal täglich zu variierenden Uhrzeiten. Diese App heißt „BeReal“. Die Nutzer entscheiden nunmehr nicht selbst, wann sie ihren Freunden etwas mitteilen möchten, sondern die App fordert sie dazu auf, indem sie sie unter Druck setzt. Der drohende Ton der Nachricht wird durch gelbe, bedrohliche Warnsymbole zusätzlich verstärkt. Die Nachricht vermittelt: Die Welt hängt davon ab, dieses Bild zu posten. Genau jetzt. Jetzt oder nie. Denn wird das Foto nicht in dem vorgegebenen Zwei-Minuten-Fenster geschossen, dann wird das BeReal entsprechend markiert.

So ein verspätetes BeReal heißt „BeLate“. Freunde bekommen dann eine Nachricht, wie viel zu spät das BeReal gepostet wurde. Außerdem: Jeder Nutzer kann erst dann die geposteten Bilder anderer sehen, wenn er selbst sein BeReal gepostet hat. „Fair ist fair“, argumentieren die Betreiber der App auf ihrer Internetseite. Sie wollen das passive Verhalten vieler, wenn nicht der meisten Nutzer in den sozialen Netzwerken verhindern: Viele sehen sich bei Apps wie Instagram oder TikTok nur die Beiträge anderer an, möchten selbst aber nichts posten. Bei BeReal hingegen sind alle Nutzer nahezu gezwungen, selbst etwas zu veröffentlichen.

Der Geist ist aus der Flasche
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Alle Nutzer: Das sind rund drei Millionen Menschen täglich. Nachdem die französische App 2020 auf den Markt kam, gehört sie seit dem vergangenen Jahr weltweit zu den am häufigsten heruntergeladenen. Eigenen Umsatz mache die App bis dato noch nicht, denn die Nutzer müssen weder ein Abonnement abschließen, noch schaltet die App Werbung, sagen die beiden Gründer Alexis Barreyat und Kevin Perreau. Bisher finanzierten sie sich durch Investitionen von Unternehmen wie dem Wagniskapitalgeber „Andreessen Horowitz“, der vorher bereits in Instagram und Twitter investiert hatte.

Mit der neuen App BeReal verfolgen die beiden Gründer Barreyat und Perreau genaue Ziele: Das Hauptziel hinter BeReal sei, die sozialen Medien realer zu gestalten. Auf Instagram und TikTok würden nur bearbeitete, perfekte Fotos gepostet, die mit der Realität aber wenig zu tun haben. Stattdessen wolle BeReal den Nutzern ermöglichen, authentisch zu posten, wo sie sind und was sie tun. Darum könne der Nutzer seine Fotos nicht bearbeiten und müsse gleichzeitig ein Foto mit der Haupt- und eines mit der Frontkamera schießen, die in der Regel für Selfies eingesetzt wird. Dadurch würde auch die „Umgebung erfasst“. Neben dem Foto der Umgebung, soll der Nutzer auch seinen exakten Standort in dem Moment der Aufnahme angeben. Auf einer Karte kann er sich dann die Standorte seiner Freunde ansehen. Das wirkt schon überwachend.

Eine weitere Idee der App sei, so die Betreiber, die Abhängigkeit und übermäßige Nutzung der sozialen Medien zu reduzieren, weil jeder nur einmal am Tag etwas postet. Allerdings geht ihr Plan nicht so ganz auf: Immerhin muss der Nutzer sein Handy immer parat haben, um die Nachricht nicht zu verpassen, mit welcher der Countdown startet. Keiner weiß, wann die Nachricht kommen wird, nicht einmal die Gründer – das schreiben sie jedenfalls auf ihrer Internetseite. Dass die App mit dieser Nachricht einen gewissen Stress beim Nutzer auslöst, liegt auf der Hand: Der Countdown läuft – ticktack…

Fraglich erscheint, ob es wirklich nötig ist, auf diese Weise „real“ in den sozialen Medien aufzutreten: Manche Situationen müssen vielleicht nicht mit der gesamten Freundesgruppe geteilt werden – ein Klobesuch zum Beispiel. Aber auch traurige oder wütende Situationen möchte nicht jeder an sämtliche Bekannte preisgeben. Zur Beruhigung: Der Nutzer hat nichts zu befürchten, wenn er mal einen Tag kein BeReal postet. Außer den Druck seines sozialen Umfelds. Zumal: Der Nutzer lässt sich fortan sagen, wann er seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen hat. Von einem Algorithmus.


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Kommentare ( 5 )

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Herr Schmidt
1 Jahr her

Wo ist das Problem? Diese App kann man istallieren oder auch nicht. Es ist jedem selbst überlassen ob man das nutzt. Und wenn man sich umschaut wieviel Leute vom Handy abhängig sind, ist das doch eine gute App. Besser als die GEZ-Zwangsgebühr ist es allemale.

fatherted
1 Jahr her

naja….wenn ich mir Jugendliche und junge Leute so anschaue….wäre eine freiwillige Beschränkgung der Handy Nutzung durchaus sinnvoll. Und…keine Angst…der Staat wird die Nutzung sicherlich nicht beschränken….je mehr und je öfter sich die Leute in den sozialen Netzwerken aufhalten und sich gegenseitig Blödsinn schicken….desto besser für die HäuptlingInnen in Berlin….dann merkt ja keiner was für einen Mist die bauen.

Michael M.
1 Jahr her

Dinge die die Welt nicht braucht, genauso übrigens wie die besch…. Corona-Warn-App.

Thomas Holzer
1 Jahr her

Mit Verlaub, wo ist das Problem?! Wird irgendjemand gezwungen, diese app zu installieren? Da finde ich die Pläne der Regierung viel gefährlicher, weil deren Gesetzen kann niemand ohne Strafe entgehen ??? Zumindest 80% der Gesetze sind meiner bescheidenen Meinung nach einer halbwegs „liberalen“ Republik unwürdig und nicht notwendig ???☹️?????

Everhard Pupdecker
1 Jahr her

Was für eine Gegrützte Hirndhiaroe,um es mal gelinde auszudrücken,noch so etwas was die Welt nicht braucht,das meine ich zu allen solchen Apps!!!