Thüringen: Unregierbares Land

Wieder schrumpfen die sogenannten Volksparteien in der Provinz. Sieger sind am linken und am rechten Rand Die Linke und die AfD. Sechs Parteien haben die Bürger in ihr Erfurter Landesparlament gewählt, doch sie sind allesamt nicht willens oder in der Lage, eine vernünftige Regierung zu bilden.

Carsten Koall/Getty Images

Rot-Rot-Grün unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat seine hauchdünne Mehrheit klar verloren. CDU und AfD hätten zusammen rund 45 Prozent, doch die Union mag nicht mit dem alternativen Rechtsaußen Björn Höcke regieren. Linke und CDU brächten mehr als 50 Prozent auf die Waage, aber auch hier will die CDU nicht mit den knallroten Genossen zusammen gehen. Eine Regierung unter Führung der SED-Erben käme für Helmut Kohls Union im 30. Jahr des Mauerfalls einem Kniefall gleich. So tief hat die Verantwortliche für den desolaten Zustand der CDU, Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit ihrer Politik ihre Partei in den Abgrund gerissen.

Dagegen hat die AfD sogar mit einem umstrittenen Spitzenkandidaten und trotz zunehmender Ausgrenzung ihre Stimmen (23,4 %) mehr als verdoppelt. Bei der Wählerwanderung profitierte die AfD von 77.000 zusätzlichen Nichtwählern, 36.000 ehemaligen Wählern von der CDU, 17.000 von der Linken, 7.000 von der SPD und 1.000 von den Grünen. Die Alternative für Deutschland hat also „den Zenit ihres Wirkens“, wie CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier entgegen aller Fakten glaubt, längst nicht überschritten.

Nichtwähler bleiben mit 35 Prozent stärkste Gruppe

Die Linkspartei alias PDS alias SED erreicht in Thüringen ihr bestes Ergebnis mit 31 Prozent. Ramelows Truppe mobilisierte 47.000 Nichtwähler, holte 20.000 von der CDU, 17.000 von der SPD und 8.000 von den Grünen zu sich herüber. In den Medien firmieren die knallroten Genossen jetzt unter der Rubrik „alle demokratischen Parteien“. Trotzdem hat der linke Regierungschef seine rot-rot-grüne Mehrheit verloren. Selbst ein Vierer-Bündnis von CDU, SPD, Grünen und FDP könnte keine Regierungen bilden. Rein theoretisch hätten Linke, Grüne, SPD und FDP eine Stimme Mehrheit, doch so eine Volksfront lehnt die FDP ab.

Landtagswahlen in Thüringen

Stand Landeswahlleiter Thüringen vorläufiges amtliches Endergebnis mit 3017 von 3017 Wahlkreisen.

Der Wähler straft die Berliner Groko-Parteien auch in der Provinz weiterhin ab. CDU und SPD verlieren zusammen rund minus 16 Prozentpunkte im Vergleich zur Landtagswahl 2014. Auf diese Weise kassieren beide Parteien in Thüringen ihr jeweils historisch schlechtestes Wahlergebnis seit 1990. Heftige Einbußen müssen erneut die Sozialdemokraten mit über vier Prozent hinnehmen. Die SPD ist mit 8,2 Prozent jetzt auch in Thüringen wie schon in Sachsen, Bayern oder Baden-Württemberg keine Volkspartei mehr. Vor allem aber die CDU – ohne reale Machtoption – verzeichnet mit rund 12 Prozent die größten Verluste. Selbst ein konservativer Spitzenkandidat wie Mike Mohring konnte den Erdrutsch auf 21,8 Prozent nicht verhindern. Ein einwanderungsfreudiger Merkel-Mann hätte in Erfurt wohl noch höhere Verluste eingefahren.

Die Wähler straften SPD und CDU auch für ihre Kungelei im Bund ab. Laut Infas gaben 80 Prozent der SPD-Wähler und 76 Prozent der CDU-Wähler an, beide Parteien kümmerten sich im Bund mehr um Personen und Ämter als um die Bürger.

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Bei Anne Will: Wie ein Wahlergebnis die Spaltung der Gesellschaft abbildet
Einen kleinen FDP-Erfolg erzielte hingegen ein liberal-konservativer Spitzenkandidat wie Thomas Kemmerich mit gut fünf Prozent und der Rückkehr nach zehn Jahren in den Thüringer Landtag. Der wacklige Einzug ist mit nur fünf Stimmen mehr als erforderlich denkbar knapp. Selbst die Grünen verzeichneten ausgerechnet im Heimatland der Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, ein Minus trotz bundesweiten Höhenflugs. In Thüringen kommen die Ökos nur noch auf 5,2 Prozent. Allerdings stellen die Nichtwähler in Thüringen mit gut 35 Prozent außerhalb des Parlaments immer noch die größte Gruppe.

Zu guter Letzt aber kommt es auf den Wählerwillen in Thüringen ohnehin nicht so recht an. Rot-Rot-Grün unter dem linken Regierungschef Ramelow ist zwar abgewählt worden, aber die Minister von Grünen, Sozis und SED-Erben können geschäftsführend munter weiter regieren. Auch für diesen Fall hat Ramelows Regierung schon vorgesorgt und bereits im Juni einen Doppelhaushalt für die Jahre 2019/20 verabschiedet. Denn die Thüringer Landesverfassung sieht vor, dass ein Ministerpräsident erst dann abgesetzt werden kann, wenn ein neuer Regierungschef gewählt wird. Eine parlamentarische Mehrheit gegen Ramelow könnte CDU-Herausforderer Mohring jedoch nur mit Unterstützung der AfD erzielen. Genau diese hat der Thüringer CDU-Chef bislang immer abgelehnt und jetzt auch noch ein schwaches Ergebnis abgeliefert.

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Kommentare ( 72 )

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Milliarden von Galaxien
4 Jahre her

Ich habe nur zwei Fragen: „Ihre Partei hat fast 12 Prozent verloren. Was sagen Sie dazu, Frau Kramp-Karrenbauer, Frau Merkel? Wie erklären Sie sich das?“
Man hört natürlich nichts.

Eloman
4 Jahre her

Ehe die Hexe in Berlin nicht weg ist wird sich nix ändern. Amen.

Gruenauerin
4 Jahre her

Wen interessiert es, wenn der CDU ein paar Stimmen abhanden gekommen sind. Linksgrüne Parteien interessieren mich persé nicht. Die CDU ist zu einer sogenannten Auffangstation von Bürgerlichkeit der linksgrünen Blockparteien verkommen. Mehr ist da nicht.

Gruenauerin
4 Jahre her

Pah, da wird sich doch eine Koalition aus CDU, SPD, Grün und FDP finden. Wenn es hart auf hart kommt, bilden die eine linksgrüne Einheitsfront. Ich begreife nur nicht, warum man hier die CDU nicht als jetzt auch linke Partei begreift. Sie vertritt doch vehement linksgrüne Positionen, ergo ist sie keine bürgerliche Partei mehr. Diese kleinen Rebellen in der CDU sind doch irrelevant – die nützlichen Idioten für den Stimmenfang. Und die FDP hat überhaupt keine Meinung mehr. Sie macht, was sie schon immer gemacht hat: Das Fähnchen nach den Wind hängen. Wenn sie noch eine FDP wäre, dann könnte… Mehr

Gruenauerin
4 Jahre her
Antworten an  Gruenauerin

Es ist ja nicht nur das Klima. Weitere linke Themen sind doch No Borders, Forschungsfeindlichkeit, Technologiefeindlichkeit, Genderquatsch, Feminismus, sicherlich noch einiges mehr, was mir jetzt nicht einfällt. Ich glaube nicht, dass die JU es drehen kann. Man wird den einen oder anderen ein Pöstchen anbieten und Schluss. Übrigens stand heute früh bei uns im Teletext, dass Mohring sehr wohl mit der Linken gehen würde.

von Kullmann
4 Jahre her

Ex FDJ Kader Merkel wird ihren Abhängigen, den Mitte-Mohr ing, in die miefig linke Bürgerlichkeit der Honeckers einreihen. Da kommt sie her, aus dieser Mitte wird alles rotbunt bürgerlich gleich gemacht. Der Typ Honecker wird mit dem Typen Ramelow rehabilitiert, alles bürgerlich. Der Einheits Bürger aus der Communistischen Demokratischen Union wird gepresst. Bei so viel Bürgerlichkeit darf keine AfD vorbringen, bürgerlich leben zu wollen oder überhaupt zu sein. DDR 2.0!

Bummi
4 Jahre her

Linke und CDU, da wächst zusammen was längst zusammen gehört. Das ist wieder die DDR Volksmammer mit den Blockflöten von der CDU. Die durften ja auch in der CDU nach 1989 weitermachen. Jetzt müssen die in Thüringen nur noch Honecker aus der Gruft holen.

Karl Napf
4 Jahre her

Die Gruenen mit 5%!?
Da sag‘ ich mal Respekt und Dank an die Thueringer Waehler.

Gruenauerin
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napf

Ist auch irrelevant. Die Thüringer haben nur das linksgrüne Original gewählt, die PdL. Grün hatte es in den Ostländern immer etwas schwerer.

schukow
4 Jahre her

-2 ist jetzt nicht der große Hagel und persönlich schätze ich die Kontroverse mehr als den Konsens. Die Zeit für Kompromisse wird auch für die AfD einmal kommen, frühestens jedoch, wenn sie einen Juniorpartner zur Regierungsbildung benötigt. Wer mit dem Kompromiß in die Schlacht zieht, kann gleich im Bett bleiben.

Klaus Weber
4 Jahre her

Ganz wichtig war, daß die Grünen mal einen auf den Hut bekommen haben und vielleicht für sich feststellen werden, daß die Klimahysterie nicht für ewiges Wachstum sorgt, sondern den Menschen inzwischen auf den Wecker geht. Gut so…………..

Jan
4 Jahre her

Unter bürgerlich versteht man, glaube ich, sowas wie moderate oder abwägende Politik. Wie soll man mit so einer Politik noch das Migrationsproblem lösen, welches ja im Prinzip durch nicht-bürgerliche, ja geradezu extreme und radikal verantwortungslose Politik entstanden ist? In diesem Bereich helfen nur noch harte Einschnitte, vor denen die CDU aus verschiedenen Gründen jedoch zurückschreckt. Das ist ja die Teufelsspirale, in der wir stecken: je größer das Migrationsproblem, desto härtere Maßnahmen müssten wir ergreifen. Je härter aber die Maßnahmen sind, desto mehr schrecken wir davor zurück. Je mehr wir aber davor zurückschrecken, desto größer wird das Migrationsproblem in all seinen… Mehr