Rentenmodell der Liberalen: Die Aktienrente verpufft – wenn sie überhaupt kommt

Die kapitalgedeckte „zweite Säule“ der Alterssicherung zählt zu den zentralen Projekten der FDP. Jetzt taucht die sogenannte Aktienrente im Bundeshaushalt nicht mehr auf.

IMAGO/Blickwinkel

„Aktien-Rente vor dem Aus“ meldete die Bild am Freitag. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Florian Toncar versuchte auf Twitter umgehend zu dementieren: „Dass die Aktienrente vor dem Aus steht, ist schlicht falsch.“

Allerdings handelte es sich nur um ein halbes Dementi. Denn weiter schrieb der Politiker: „An dem Projekt wird intensiv gearbeitet, es bleibt integraler Bestandteil der Rentengesetzgebung der Koalition. Sobald es etatreif ist, kommt es auch in den Haushalt.“

— Florian Toncar (@florian_toncar) March 18, 2022

Das bedeutet: Das zentrale Vorhaben der FDP zur Rentenreform ist eben nicht „etatreif“. Der Einstieg in die sogenannte Aktienrente sollte eigentlich 2022 erfolgen, und zwar mit einem staatlichen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro. Diese 10 Milliarden Startkapital finden sich nun nicht in der Haushaltsplanung für das laufende Jahr – offenbar auch wegen der erwarteten Zusatzbelastung des Haushalts durch wirtschaftliche Folgen des Ukraine-Kriegs einschließlich der Flüchtlingsversorgung.

Zumindest kommt die Aktienrente also später – wenn überhaupt.

Das Projekt findet sich sowohl im FDP-Wahlprogramm 2021 als auch im Ampel-Koalitionsvertrag: Es sollte nach Vorstellung der Freidemokraten einen „zweiten Pfeiler“ der Altervorsorge bilden, um „endlich für Demographiefestigkeit zu sorgen und das Rentenniveau langfristig wieder zu steigern“, wie es im Wahlprogramm hieß. Konkret würden in Zukunft zwei Prozent des Bruttogehalts eines Beschäftigten in einen staatlichen Aktienfonds fließen, wobei Arbeitnehmer und -geber jeweils ein Prozentpunkt zu tragen hätten. Im Gegenzug sah der Plan vor, den gesetzlichen Rentenbeitrag um zwei Prozentpunkte zu senken. Vorbild für dieses Modell ist der staatliche Aktienfonds Schwedens, der dort die gesetzliche Rente ergänzt.

Die Erwartung, dass ein relativ schwach ausgestatteter Aktienfonds in der Lage wäre, tatsächlich den Staatszuschuss zur Rente langfristig zu senken und außerdem noch das Rentenniveau sogar wieder steigen zu lassen, sahen mehrere Ökonomen schon vor der Verschiebung des Projekts sehr kritisch. Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz vom ifo-Institut etwa hält den geplanten Kapitalstock für viel zu klein, um nennenswerte Beträge für künftige Rentner zu erwirtschaften. „Derzeit haben rund 41 Millionen Versicherte in Deutschland einen Anspruch auf spätere Rentenzahlungen. Mit einem Kapitalstock von nur 10 Milliarden Euro kann man also jedem Rentner einmalig etwa 240 Euro auszahlen“, rechnet Ragnitz vor: „Selbst wenn man unterstellt, dass die Rentenversicherung mit dem ihr anvertrauten Geld eine überdurchschnittlich hohe Rendite erwirtschaften könnte, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der keinem Rentner wirklich etwas nützt.“ Seiner Meinung nach hätte die Einführung einer kapitalgedeckten Rentenergänzung vor mehreren Jahrzehnten erfolgen müssen. Da der Wechsel der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter schon ab 2030 beginne, sei es zu spät für einen grundsätzlichen Umbau der Alterssicherung.

Ökonomen der Ruhr-Universität Bochum kamen in einer Untersuchung im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion 2021 zu dem Schluss, ein kapitalgedecktes System, das 2022 eingeführt würde, könnte seine Wirkung erst nach 2060 „voll entfalten“. Ihrer Modellrechnung liegt die Annahme einer durchschnittlichen jährlichen Rendite des Fonds von 6,5 Prozent zugrunde.

Anzeige

Unterstützung
oder