Eine Klatsche nach der anderen

Gibt es noch einen sicherheitspolitischen Konsens in dieser postheroischen, postpatriotischen, gequält und zugleich stolz pazifizierten Gesellschaft?

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Es steht nicht gut um Deutschlands sicherheitspolitische Lage – binnenpolitisch und außenpolitisch nicht. Man kann diese Lage euphemistisch mit dem Begriff „Herausforderung“ ummänteln. Tatsächlich ist es eine Klatsche nach der anderen, die Deutschland samt seiner Bundeswehr selbst innerhalb weniger Tage kassiert. Nachfolgend ein Wochen-Kaleidoskop.

1. Keiner der 53 „Tiger“-Hubschrauber“ fliegt mehr

Wegen technischer Probleme muss die Bundeswehr ab sofort alle 53 Hubschrauber vom Typ „Tiger“ „grounden“. Betroffen ist das Kampfhubschrauberregiment 36 in Fritzlar und das Deutsch-Französische Heeresfliegerausbildungszentrum in Le Luc in Frankreich. Ursache ist ein innerhalb der Rotorsteuerung defekter, durch Wasserstoff „materialversprödeter“ Titan-Verbindungsbolzen, der von einem Zulieferunternehmen stammt und nicht vom Hubschrauber-Hersteller Airbus Helicopters. Zur Klärung des weiteren Vorgehens hat der General für Flugsicherheit, Brigadegeneral Peter Klaus Klement, für den 8. August 2019 zum sogenannten Flugsicherheitsausschuss eingeladen. Unklar ist bislang, ob der Mangel an diesen Teilen nur die deutschen Tiger-Hubschrauber betrifft oder auch Maschinen anderer Nationen wie zum Beispiel Frankreich. Deutsche „Tiger“ sind derzeit immerhin nicht im Auslandseinsatz. Zuletzt waren Tiger der Bundeswehr in Mali geflogen; dabei kam es 2017 zu einem Absturz, bei dem beide Piloten ihr Leben verloren. Schuld daran sei ein Mechanikerfehler gewesen, so hieß es offiziell.

2. Über hundert russische Kriegsschiffe vor der Kieler Bucht, Rügen und Fehmarn

Vom 1. bis 9. August 2019 veranstaltet die russische Marine unter der Leitung von Admiral Nikolai Jewmenow das Manöver „Ocean Shield – 2019“ (russisch: Океанский щит) in der Ostsee. Beteiligt sind insgesamt 49 Schiffe und Kampfboote, 20 Begleitschiffe, 58 Flugzeuge der Marine und der Luft- und Raumfahrtkräfte sowie 10.634 Mann der Streitkräfte der Russischen Föderation. Unter den Schiffen sind der Lenkwaffenkreuzer „Marshall Ustinov“, der Zerstörer „Severomorsk“ und das Atom-U-Boot „Smolensk“, ferner die aus dem Schwarzen Meer herbeorderten, mit Marschflugkörpern ausgestatteten Korvetten „Vasiliy Bykov“ und „Buyan M.“ Es sind auch große Landungsschiffe dabei. Teile dieser Flotte fuhren an Rügen und Fehmarn vorbei zum Großen Belt. Auch vor der Kieler Bucht kreuzten sie auf.

So richtig wahrgenommen hat man das in Deutschland nicht. Nur die Kieler Nachrichten berichteten ausführlicher. Von der Deutschen Marine oder gar von der Bundesregierung erfährt man nichts. Von der Zentrale der Deutschen Marine war nur zu erfahren, dass man alles „im Blick“ habe. Das deutsche Flottendienstboot Oste habe im Finnischen Meerbusen auf die russischen Schiffe gewartet, als diese aus St. Petersburg ausliefen. Und auch Dänemark lässt wissen, dass man immer gewusst habe, wo sich die russischen Schiffe befanden.

Man hat dennoch ein ungutes Gefühl: Russland beginnt eben nicht erst hinter dem Ural. Und gewiss ist dieses russische Manöver eine gezielte Provokation, mit der Putin Stärke zeigen will. Polen und die baltischen Staaten, allen voran Estland mit einem Anteil von rund einem Drittel russischstämmiger Menschen, machen sich nicht umsonst Sorgen. Gegenüber Deutschland freilich braucht Putin nicht viel Stärke zeigen, denn die Deutsche Marine ist im Konfliktfall ohnehin kein ernstzunehmender Gegner: 2018 etwa war zeitweise keines der sechs U-Boote der 212A-Klasse fahrbereit, von den Fregatten waren nur fünf von 13 einsatzfähig. Die meisten der überholungsbedürftigen Schiffe harren für Instandsetzungsarbeiten in den Docks aus – soweit denn Docks etwa in Wilhelmshaven überhaupt zur Verfügung stehen und genügend Ersatzteile vorhanden sind. Die Marineführung hat bereits im Frühsommer 2019 vor der Gefahr gewarnt, internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Man spricht gar davon, dass dieser Zustand wohl noch vier Jahre andauern werde. Auszuschließen ist es zukünftig auch nicht, dass sich an solchen Provokationen auch wieder China beteiligt. 2017 war es mit drei Kriegsschiffen an einem russischen Manöver in der Ostsee beteiligt gewesen.

3. USA wollen Tausende an US-Soldaten aus Deutschland abziehen

US-Präsident Trump hat unmittelbar vor seinen Reisen nach Europa (Dänemark, Polen, Frankreich) angekündigt, besser gesagt: angedroht, US-Soldaten in großer Zahl aus Deutschland abzuziehen und einen Teil davon nach Polen zu verlagern. Kein Land in Europa beherbergt derzeit nämlich mehr amerikanische Soldaten als Deutschland. Es sind insgesamt 35.000, ferner 17.000 amerikanische Zivilisten und 12.000 in US-Diensten stehende deutsche Zivilisten.

Trump sieht diese Maßnahme als notwendige Konsequenz dafür, dass Deutschland mit aktuell 1,3 Prozent weit unter dem vereinbarten Nato-Ziel von 2 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Verteidigungsausgaben liegt. Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, sagte dazu: „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der amerikanische Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.“ Bereits zuvor hatte die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, getwittert: „Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.“ Übrigens: Eine Reaktion der Bundesregierung steht noch aus.

4. Und dann noch eine zugespitzte Berateraffäre

Drei Momentaufnahmen! Dazu kommen die Binnenprobleme der Bundeswehr und das teure Finanzgebaren eines Verteidigungsministeriums, für das bis Juli 2019 Ursula von der Leyen die politische Verantwortung trug. Soeben nämlich wurde bekannt, dass allein im ersten Halbjahr 2019 und allein das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) für externe Berater 155 Millionen Euro ausgab. In Worten: täglich eine Million! Das ist fast so viel Geld, wie die 13 anderen Ministerien mit 178 Millionen zusammen ausgaben.

Die Zahlen entstammen einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Matthias Höhn vom Juli 2019, die vom BMVg zunächst nicht beantwortet worden war. Die Spitze des BMVg begründet die hohen Ausgaben mit der notwendigen Digitalisierung der Bundeswehr. Das BMVg toppt damit die bereits zuvor für externe Beratung ausgegebenen 200 Millionen noch einmal gewaltig. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages, der in diesem Fall seit Anfang 2019 zugleich Untersuchungsausschuss ist, hat damit neues Futter bei der Untersuchung einer skandalösen Praxis, bei der es offenbar nicht immer transparent zuging. Man darf gespannt sein, was da noch alles zu Tage gefördert wird – und ob der Ausschuss den Mumm hat, die neue EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vorzuladen. Alles andere wäre eine Farce.

Über allem aber steht die Frage: Soll Deutschland sicherheitspolitisch und außenpolitisch so weiterwursteln wie bislang? Gibt es noch einen sicherheitspolitischen Konsens in dieser postheroischen, postpatriotischen, gequält und zugleich stolz pazifizierten Gesellschaft? Wo ist der Konsens in der GroKo? Was hört man dazu von einer Kanzlerin, die die Richtlinienkompetenz hat?


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Kommentare ( 82 )

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Wolf Larsen
4 Jahre her

Dass in Deutschlands Streitmacht nichts mehr fliegt, fährt oder schwimmt ist der Politik Merkels geschuldet, die auch hier ihre Antideutsche Weiber Politik auslebt, das wissen wir. Doch die anderen Argumente lasse ich nicht gelten. Ich fürchte mich vor Russischem Kriegsschiffen in der Ostsee weniger als vor dem grünen Baerbeck. Und dass die amerikanischen Besatzungstruppen noch immer in Deutschland sind, wo wir doch sooo gute Freunde geworden sind, ist für einen richtigen Deutschen sowieso seit Jahrzehnten eine Zumutung. Warum ergreift man nicht wenigstens jetzt die Chance und wirft sie vor die Tür? Ami Go Home – Heute aktueller denn je! Und… Mehr

manfred_h
4 Jahre her

Zitat(e) 1: „Man spricht gar davon, dass dieser Zustand wohl noch vier Jahre andauern werde.“ > Och, nur 4 Jahre? Na, DANN ist ja alles im Lot und es muß sich niemand Sorgen machen (Ironie off) Die Verteidigungsbereitschaft unserer BW ist schon bemerkenswert: 1970; u.a. über 3000 Panzer! 2019; nicht mal mehr fähig um die dänische o. schweizer Grenze verteidigen zu können! – – – – – – – Zitat(e) 2: „Das BMVg toppt damit die bereits zuvor für externe Beratung ausgegebenen 200 Millionen noch einmal gewaltig. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages, der in diesem Fall seit Anfang 2019 zugleich Untersuchungsausschuss… Mehr

Will Anders
4 Jahre her

Ist ihnen allen hier bewusst, was die einseitige Kündigung des INF-Abkommens durch Trump für die Welt, auch für uns bedeutet? Das wäre ein Thema! Es bedeutet neues Wettrüsten, einen neuen – hoffentlich nur – Kalten Krieg, einen Rückfall in die 50er, 60er Jahre, und natürlich neue Aufträge für die Rüstungsindustrie in den USA. Sehr hörenswert die Interviews zum Thema, die Putin dazu gab. Wie überhaupt: Will jemand einen vernünftigen, mental gesunden Staatsmann erleben, der solle sich Putin Interviews ansehen und seine Reden anhören. Es tut wirklich gut, eine Stimme der Vernunft in unseren verrückten Zeiten zu vernehmen, und zu wissen,… Mehr

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Will Anders

….einen kalten krieg haben wir doch schon lange! doch wie will europa kriege führen bei einer fertilitätsrate von 1,x pro europäischer frau? damit ist das argument erledigt, die nato diene dem frieden und der sicherheit europas. deutschland sollte ruhig aus nato, eu und uno aussteigen!

Will Anders
4 Jahre her

Mir machen die US-Atomwaffen in Deutschland mehr Angst, als alle russischen und chinesischen Schiffe zusammengeführt vor Kieler Förde.

usalloch
4 Jahre her

Sollten die Russen eines Tages gen Westen spazieren , was unwahrscheinlich ist, würde sie bestimmt nicht ihre Armee aktivieren. Die Smolensker Feuerwehr reichte schon. Die üblichen Verdächtigen wären dann die ersten „Blumenkinder“ die in Gedenken an den Deutschen Einmarsch anno dazumal, Spalier stehen würden.

grauer wolf
4 Jahre her

Einen Vorteil hat eine nicht einsetzbare Armee, bei einer feindlichen Übernshme bleibt alles heil und keiner kommt zu schaden.
Umgekehrt wäre schlecht, es fehlen ja die Fachkräfte zum Wiederaufbau.

Riffelblech
4 Jahre her

So geht das eben ,wenn die Grünen und Roten und die eingefärbten „Schwarzen —CDU/CSU — unter merkelscher Führung ein Land aufbereiten . Zur Übernahme ,zum Aufgehen in einen europäischen Zentralstaat. Merkel ist die Totengräberin deutschen staatlichen Selbstverständnises.
Alle diese und viele weitere „Errungenschaften „ wie Energiewende,Griechenlandrettung ,Migrationen ,sind Fehlentscheidungen ,entweder Merkel allein ,oder Parlament unter merkelschem Druck

Bummi
4 Jahre her

Wozu noch mehr Geld für die Bundeswehr. Ca. 1 Billion Dollar geben die Nato Staaten aus. Noch mehr Geld gegen wen denn bitte? Der größte Gegner lieg bei 230 Mrd. Euro und heisst China. Russland gibt ca. 70 Mrd. Dollar aus. Wenn die Amis rüsten wollen dann sollen die das auch selbst bezahlen. Wichtiger wäre Geld für Patente und die Zukunfssicherung. 75 Prozent der Patente entfallen auf die USA, China und Japan. Wir liegen bei 3 Prozent. Völlig angehängt. Außerdem bezahlen wir doch Unsummen für die Folgen der amerikanischen Kriege im Irak, Afghanistan, Syrien oder Lybien.

Will Anders
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

„Noch mehr Geld gegen wen denn bitte?“ Falsche Frage, werter Bummi. Es soll heißen: Für wen oder was? Und die Antwort lautet: Für amerikanische Waffen natürlich. Trump will die Vasallen zwingen, weitere Unsummen für US-Waffen auszugeben. That’s it. Er steht beim dortigen militärisch-industriellen Komplex in Schuld, und jetzt muss er ranschaffen. Es gibt nicht ein Problem auf der Welt, das die Amis nicht im Alleingang lösen könnten – mit ihrem galaktisch-gigantischen Militärbudget. Sie brauchen die NATO überhaupt nicht – halt! doch: Sie brauchen die moralische Kumpanei der anderen bei ihren globalen Raubzügen, um zeigen zu können: Sieht, wir machen das… Mehr

Helmut in Aporie
4 Jahre her

Etwas, was man nicht braucht, kann ruhig ineffektiv sein.
Merkt ja keiner.
Die Amis machen das anders. Die testen Ihre Streitkräfte hin und wieder im Ernstfall. Manchmal sogar mit Erfolg, siehe den Einmarsch auf Grenada, einer Insel mit immerhin 107.850 Einwohnern!
Deutschland sollte sich auch solche Übungsfelder suchen.
Von Polen rate ich diesmal ab, aber Liechtenstein, das wär‘ doch was? Ein Kriegsgrund ließe sich doch leicht finden.
Wie wär’s mit unterlassenem Klimaschutz??

jopa
4 Jahre her
Antworten an  Helmut in Aporie

liechtenstein? Wirklich? Wenn das mal nicht ins Auge geht, bei unserer Operettenarmee! Aber wie lange noch Operettenarmee? Wenn AKK die Musikbücher aufräumt, ist die BW mangels spielbarer Musik auch dazu nicht mehr zu gebrauchen.

Eggbert
4 Jahre her

Zu der Zeit als ich noch in der Bundeswehr gedient habe (Frühe 80er-Jahre) kannten wir noch Bedeutung und Inhalt der Begriffe SABOTAGE und ZERSETZUNG.

M.E. treffen diese Begriffe zu 100% auf die Bundeswehr zu, diese wurde sabotiert und die Wehrfähigkeit zersetzt. Resultat ist eine Streitkraft, die bestenfalls noch gegen den Dorschützenverein von Hasewinkel eingesetzt werden kann.

Das Schlimmste daran, es wird niemand zur Verantwortung gezogen. Weder die Generalität, die der Zersetzung widerspruchslos und tatenlos zugesehen haben, noch den Ministerialbeamten, die die Sabotage angeordnet haben. Die Verteidigungsministerin schon gar nicht, die hat ja nur Ratschläge teuer bezahlter Unternehmensberater befolgt.