Der europäische Grenzschutz erhält möglicherweise mehr Kompetenzen

Frontex-Chef Fabrice Leggeri wurde im Innenausschuss des Bundestags über die angeblichen Pushbacks in der Ägäis befragt. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner gab sich enttäuscht: Statt eines Rücktritts könnte es nun noch mehr Zuständigkeiten für den EU-Grenzschutz geben.

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Fabrice Leggeri, Generaldirektor von Frontex

Olaf ermittelt gegen Fabrice Leggeri. Nein, es geht nicht um den deutschen Finanzminister, sondern um die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung, die »Office Européen de Lutte Anti-Fraude«, kurz OLAF. Und es ist auch nicht Fabrice Leggeri allein, der Gegenstand einer Untersuchung ist, sondern die von ihm geleitete EU-Agentur Frontex, die gerade – auch nicht ganz unkontrovers – ihre neuen, einheitlichen Uniformen vorgestellt hat.

Kurz zuvor war aus anonymer Quelle die Nachricht gesickert, dass Leggeris Büro schon Anfang Dezember vom EU-Anti-Betrugsamt durchsucht worden sei. Laut Politico wurde daneben auch das Büro von Leggeris Kabinettschef Thibauld de La Haye durchsucht. Von der Anti-Betrugsbehörde der EU wurden diese Einzelheiten nicht bestätigt. Auch die EU-Grenzschützer gaben sich entspannt.

Vor allem de La Haye wird »Belästigung und Fehlverhalten« vorgeworfen. In den vergangenen Monaten soll er führende Beamte aus der Agentur gedrängt haben. Aber irgendwie scheinen sich die Vorwürfe auch mit den angeblichen Pushbacks in der Ägäis zu verbinden, an denen Frontex beteiligt sein soll. Ein Frontex-Sprecher dementierte die Berichte nicht und sagte, dass man im Sinne der Transparenz mit OLAF zusammenarbeite. Das sei Teil »guten Regierens« und impliziere noch kein Fehlverhalten. Ebendas hob auch ein OLAF-Sprecher hervor. Diese Äußerungen bestätigen das Bild aus dem letzten Jahr, dass die Frontex-Direktion durch die Untersuchung vielleicht weniger zu befürchten hat, als es von außen den Anschein hat.

Das ganz große Theater wird in der Tat vor allem in den Parlamenten, vorzugsweise von linken Abgeordneten inszeniert. Es begann im vergangenen Dezember im EU-Parlament, als Medienberichte zu einer erhitzten Debatte zwischen Leggeri und einigen Parlamentariern führten. Leggeri bestritt, dass seine Agentur in Pushbacks verwickelt sei, dafür habe man keine Beweise gefunden. Sozialisten und Grüne im EU-Parlament forderten daraufhin seinen Rücktritt. Der Spiegel zieh den Frontex-Chef der Lüge.

War die »Uckermarck« in einen Pushback verwickelt?

Seit dem vergangenen Oktober präsentierte der Spiegel zusammen mit einem illustren Recherchenetzwerk (das reicht vom ARD-»Report aus Mainz« bis zu einem japanischen Fernsehsender) mehrere Fälle angeblicher Pushbacks an der griechisch-türkischen Grenze. Mitgewirkt haben auch durchaus involvierte Beobachter wie die niederländischen Lighthouse Reports mit ihrem »Borders newsroom«, mit dem sie ausdrücklich die »Verletzungen der Rechte von Flüchtlingen und Migranten« aufdecken wollen. Die stehen womöglich schon recht nah an den vor Ort tätigen NGOs – zumindest dürften die Sympathien klar verteilt sein.

Am heutigen Mittwoch wurde Fabrice Leggeri nun im Innenausschuss des Bundestags befragt. Neben Leggeri sollte ein Vertreter des Innenministeriums undwenn es nach den Grünen geht – der Präsident der Bundespolizei Dieter Romann befragt werden. Die grünen Ausschussmitglieder haben laut Luise Amtsberg, der flüchtlingspolitischen Sprecherin ihrer Fraktion, lange für diese Befragung gekämpft. Das berichtet der Evangelische Pressedienst. Dabei ging es vor allem um einen Vorfall aus dem August 2020, bei dem die Bundespolizei ein Schlauchboot in der Ägäis sichtete. Das deutsche Schiff mit dem passenden Namen »Uckermarck« meldete das Migrantenboot der griechischen Küstenwache, die die Insassen an Bord nahm. Später haben die Bundespolizisten angeblich die Einfahrt des griechischen Schiffs in den Hafen beobachtet, nun aber ohne Migranten. Später wurden sie angeblich in türkischen Gewässern wieder ausgesetzt und letzten Endes wieder in der Türkei in Empfang genommen.

Im Originalton des Spiegel liest sich das so: »Die Bundespolizisten fanden ein überfülltes Schlauchboot mit 40 Menschen an Bord, hielten es an. Doch sie retteten die Insassen nicht aus dem Meer, nahmen sie nicht an Bord.« Das ist immerhin eine brauchbare Beschreibung der Ereignisse, wenn auch sprachlich nicht immer ganz genau. Denn zum einen war das Schlauchboot »überfüllt«, wozu es wohl kaum ohne Zutun der Insassen gekommen ist. Zum zweiten ist von der »Rettung« der Insassen »aus dem Meer« die Rede, was in zweierlei Hinsicht schiefe Ausdrücke sind: Denn die Insassen hatten ja das von türkischen Schleppern gestellte Boot, schwammen also nicht direkt »im Meer« und mussten folglich auch nicht notwendigerweise »gerettet« werden. Aufatmen lassen die Sätze nur in einer Hinsicht: Das moralisch aufgeladene Vokabular der Migrationisten könnte langsam seine Wirksamkeit verlieren.

Die Uneindeutigkeit der offiziellen Berichte bemerkte im übrigen auch die Grüne Luise Amtsberg. Nicht klar ist demnach, was die Bundespolizisten wirklich auf See gesehen haben und was sie getan oder nicht getan haben. Noch viel mehr muss das für die griechische Küstenwache gelten, deren angebliches Tun sich nur aus einer doppelt vermittelten Beobachtung ergibt. Die Bundespolizei berichtete an Frontex, dessen Berichte nun von aufgeregten Bundestagsabgeordneten quergelesen werden. Die griechische Regierung beharrt weiterhin auf ihrer souveränen Zuständigkeit für den Grenzschutz und bestreitet die publizierten Behauptungen.

Linke und Grüne als parlamentarischer Arm der Migrationshelfer

Klar ist dabei nur eins: dass die Abgeordneten der Grünen und der Linken sich wie der parlamentarische Arm der Migrationsshelfer gerieren. Schon vor Beginn der Ausschusssitzung forderten die bekannt-berüchtigten NGOs unisono den Abzug der Bundespolizisten aus der Ägäis und die Auflösung von Frontex.

»Frontex muss insgesamt auf den Prüfstand«, formulierte es Karl Kopp vom Frankfurter Verein Pro Asyl. Die Bundesregierung müsse »endlich zu umfassender Aufklärung« der Vorfälle beitragen. Aber es scheint beinahe, dass die Bundespolizei berichtet hat, was sie berichten konnte. Doch viel wichtiger ist, dass die Bundesregierung offenbar an der Frontex-Mission festhalten wird. Die Freunde unbegrenzter Migration wurden vorerst enttäuscht, wie die ultralinke Martina Renner aus dem Ausschuss berichtete: Derzeit wird es keine Absetzung Leggeris geben. Eventuell bekommt Frontex sogar noch mehr Kompetenzen.

Es wird also weiter knirschen im EU-Getriebe. Denn die Kluft zwischen Leggeri und der EUInnenkommissarin Ylva Johansson ist noch nicht kleiner geworden. Auf Nachfrage erklärte die Schwedin, dass man auf die »Kooperation des Direktors« zähle, um alle diskutierten Themen »konstruktiv« zu behandeln. Da klingen schon einige Wenns und Abers an. Aber noch scheinen auch Johanssons Hände gebunden durch die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten, die sich einen funktionierenden EU-Grenzschutz wünschen.


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Tichys Einblick hat mehrfach und ausführlich über die Lage in der Ägäis und die fragwürdige Rolle berichtet, die deutsche NGOs dort spielen. Einige bemühten daraufhin die Gerichte. In mehreren Verfahren wurde Tichys Einblick untersagt, bestimmte auf Interviews und Recherchen beruhende Behauptungen weiter aufzustellen. Die Kläger behaupten, dadurch könne „die Aufrichtigkeit“ der Hilfsorganisationen „beschädigt“ werden, die für ihre Tätigkeit „auf private Unterstützer“ angewiesen seien.

Die Organisation Mare Liberum legte zum Beispiel drei eidesstattliche Versicherungen vor. Diese bestätigen gleichzeitig, der Verein habe noch nie einen Menschen aus Seenot gerettet. Satzungszweck ist aber auch genau dies. Tichys Einblick wird diese Verfahren in den nächsten Instanzen weiterführen, um auch künftig über diese fragwürdigen Aktivitäten informieren zu können. Für diese Verfahren haben wir ein Spendenkonto eingerichtet und bitten um Ihre Hilfe:

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