Die Automobilindustrie im Musterländle Baden-Württemberg steckt in einer Krise. Kein Tag ohne neue Schreckensmeldungen. Wenn nicht gerade Mercedes, Porsche oder Bosch der Grund für schlechte Nachrichten sind, so ist es einer der vielen hunderten kleinen Automobilzulieferer, die nur in der lokalen Presse erwähnt werden.
picture alliance / Benjamin Beytekin | Benjamin Beytekin
Die Anzeichen der Krise in der schwäbischen Autobranche sind unübersehbar.Drastische Gewinneinbrüche, schrumpfende Absätze und Produktion auf breiter Front, Beschäftigungsabbau bei kleinen und mittleren Unternehmen, Massenentlassungen bei den großen Unternehmen.Porsche, vor drei Jahren in den Dax aufgenommen, musste diesen bereits wieder verlassen. Der CEO Oliver Blume musste zurücktreten, und hat seinem Nachfolger, Michael Leiters von McLaren, „schmerzhafte Einschnitte“, sprich Kündigungen, hinterlassen.
Porsche ist nur ein Beispiel. Das Autoland Baden-Württemberg steckt in einer existenziellen Krise. Allein Bosch, weltweit größter Autozulieferer, will in den kommenden Jahren 22.000 Stellen abbauen. Bei Mercedes erfolgt der Personalabbau schleichend über Abfindungsprogramme, die bislang bereits von 4000 Mitarbeiter genutzt wurden. ZF hat bis 2028 den Abbau von 14.000 Stellen angekündigt, wovon bereits wovon ein Teil bereits bis Ende 2025 realisiert wurde. Ein weiterer Stellenabbau ist in der Antriebssparte geplant, der bis 2030 etwa 7.600 Stellen umfassen soll.
Kürzungen, Anpassungen, Entlassungen wohin man sieht. Und das regional- wie industriepolitisch Bedenklichste daran ist. Es wird nur abgebaut, es kommt nichts Neues dazu.
Beschäftigungsintensive Massenfertigung fällt weg, es werden ganze Werke geschlossen. Modellreihen wie die A und die B Klasse bei Mercedes, oder die Produktion wichtiger Elektronikteile für Verbrennermotoren bei Bosch werden in Rastatt, Schwieberdingen und Friedrichhafen stillgelegt.
Neue Massenbeschäftigung in neuen Fabriken für Elektroautos oder Verbrennermotoren wird es in Deutschland nicht geben. Neue Fabriken werden im Ausland gebaut, z.B. in Ungarn, der Türkei oder in China.
Epizentrum dieses schleichenden Niedergangs ist Stuttgart und sein Speckgürtel, Heimat von internatnionalen Weltunternehmen der Autoindustrie. Ausläufer des Bebens sind bis zum Bodensee spürbar. Branchenexperten schätzen, dass im Südwesten bis 2030 nur in der Autoindustrie rund 70.000 Arbeitsplätze verloren gehen werden.
Hier werden Erinnerungen wach, Erinnerungen an den Niedergang der einstmals so mächtigen „Motor City“ Detroit im Norden der USA. In den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts noch absoluter Nabel der automobilen Welt, erlebte die Stadt Detroit einen beispiellosen Niedergang. Dieser war ausschließlich auf die Krise der Autoindustrie, der „Big Three“ zurückzuführen. Ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen, Einwohnern und Steuereinnahmen waren die Folge, die Bevölkerung sank dramatisch, Verfall und Kriminalität nahmen sprunghaft zu. Im Jahr 2013 meldete Detroit den größten kommunalen Bankrott in der US-Geschichte an.
Sollte sich jetzt im Raum Stuttgart das wiederholen, was in den 70igern und 80igern des letzten Jahrhunderts im Norden der USA an der Grenze zu Kanada abspielte? Wird Stuttgart zum Detroit des 21. Jahrhunderts?
Auch wenn „Motor City“ Detroit längst Vergangenheit ist, ist die Frage erlaubt, ob ihr beispielloser Niedergang als Blaupause auch für den Automobilstandort Stuttgart dienen kann.
Zur Beantwortung dieser Frage ist notwendig, die genauen Ursachen für die Krise der US-Autoindustrie am Standort Detroit zu klären. Auch wenn sich Geschichte nie wiederholt, so drängen sich doch Parallelen auf, die selbst von der grünen Landesregierung nicht geleugnet werden.
Optimisten werden sagen, dass Detroit mit dem Automobilstandort Baden-Württemberg Deutschland nicht zu vergleichen sei. Der Niedergang Detroits hatte spezifisch amerikanische Ursachen. Doch es gibt eine Gemeinsamkeit. Die Autometropole Detroit hatte ihren Wohlstand über Jahrzehnte ausschließlich der Autoindustrie zu verdanken. Seit Henry Ford 1903 dort sein erstes Automobilwerk gründete und 1908 mit Erfindung der Fließbandfertigung den globalen Siegeszug des Autos ermöglichte. In Nuancen gilt das auch für Stuttgart und Umgebung, nur hießen hier die Erfinder Carl Benz, Gottfried Daimler und Robert Bosch.
Als aber ab den 1930ern in Detroit permanente Arbeitskämpfe mit der aggressiven Automobilgewerkschaft UAW den „Big Three“ General Motors, Ford und Chrysler das Produzieren im Norden der USA immer mehr erschwert hatten, begann die Autoindustrie abzuwandern, raus aus dem „rust belt“, hinein in den „sun belt“ im Süden der USA. Japaner und deutsche Autobauer wie BMW und Mercedes schlossen sich später an.
Nach Norden ging kein Autobauer mehr. Im Gefolge der Autowerke wanderten Zulieferer ebenfalls ab. Unzählige Menschen verloren ihre Jobs. Binnen 60 Jahren schrumpfte die Bevölkerung Detroits von rund 1,8 Millionen 1950 auf unter 700.000. Die Stadt selbst verfiel und hat sich davon bis heute nicht erholt.
Vergleichbares gab es bislang in Deutschland, in Baden-Württemberg und in Stuttgart nicht. Weder Wolfsburg noch Sindelfingen oder München haben ein ähnliches Schicksal erlitten und sind verfallen, selbst Bochum oder Rüsselsheim nicht. Der Vergleich der „Motor City“ Detroit mit dem Automobilstandort Deutschland ist also so nur bedingt richtig.
Der Untergang Detroits hatte aber natürlich weitere Ursachen. Die „Big Three“ im letzten Jahrhundert den ölpreisbedingten Strukturwandel hin zu kleinen sparsamen Pkw oder SUV verschlafen und sich mehr oder weniger auf das Segment der schweren Off-Roader und Pick-Ups konzentriert.
Aber jetzt ist der gesamte Automobilstandort Deutschland bedroht, mit Stuttgart als Spitze des Eisbergs. Der hohe Automobilbesatz in der industriellen Wertschöpfung führt dazu, dass in Stuttgart das automobile Beschäftigungsproblem brennglasartig fokussiert.
Der selbstverschuldete Prozess der Deindustrialisierung der Autobranche ist im vollen Ganges. Er hat gerade begonnen Fahrt aufzunehmen. Und im Unterschied zu Detroit ist in Deutschland die gesamte Autoindustrie bedroht, nicht nur Stuttgart. Dort aber eben besonders stark.
Das sind die Unterschiede zwischen Detroit damals und Stuttgart heute:
- Die deutsche Autoindustrie ist exportabhängig. Politisch induzierte Exporteinbrüche nach USA und China sind über Mehrexporte in den Rest der Welt nicht zu kompensieren. Exporte waren für die Big Three ein Fremdwort.
- Durch das Verbrennerverbot 2035 ist das gesamte Verbrenner basierte Geschäftsmodell der deutschen Autoindustrie außer Kraft gesetzt.
- Die Transformation in die Elektromobilität ist bislang am Marktwiderstand gescheitert. Falls die Märkte E-Autos irgendwann doch akzeptieren, besteht heftiger Wettbewerb mit billigen China-Elektroautos. Marktanteilsverluste sind nicht zu vermeiden, weiteres Schrumpfen ist die Folge.
- Der Glaube, wegfallende Massenproduktion in den Automobilwerken könnte durch schwäbische Tüftelgeist und Innovations-Schweiß aufgefangen werden ist ein Irrglauben.
Im Gegensatz zur häufigen medialen Ursachenverortung hat die deutsche Autoindustrie keineswegs „alle technologischen Trends verschlafen“. Zwar sind die deutschen Hersteller nicht immer die Schnellsten gewesen, im zweiten Schritt aber vielfach die Besten. Ob bei der Erfindung des Abgas-Katalysators, des SUV und aktuell des Plug-in-Hybrids oder range Extenders. So auch gegenwärtig bei Elektroautos, wie Mercedes und BMW eindrucksvoll nachweisen können.
Den Übergang zur E-Mobilität haben die deutschen Hersteller nicht verschlafen, selbst wenn der Vorwurf ständig wiederholt wurde. Richtig ist bis heute, dass weltweit kein Anbieter uneinholbar vorne liege und die E-Produktpipeline der deutschen Autobauer spät, aber nicht zu spät, bestens gefüllt ist. All das nützt aber nichts, wenn die Märkte keine Elektroautos wollen, und die E-Autos, die sie wollen, bei Chinesischen Herstellern inzwischen in gleicher Qualität aber wesentlich billiger erwerben können.
Fakt ist, dass die deutschen Hersteller bei den Produktkosten hoffnungslos abgeschlagen sind. Dreht dann China bei Seltenen Erden zusätzlich auch noch den Lieferhahn zu, ist es mit der Elektromobilität schnell vorbei.

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Jetzt bin ich aber getroffen. Es ist nicht schwäbische Autobranche, sondern die badisch-schwäbische. ZF ist Baden. Daimler hat viel in Baden, die Zulieferer sind in Baden…..
Als Wahlbochumer kann ich erklären warum die Stadt nicht wie Detroit aussieht (auch wenn die Gegend hier bei TE gerne als Zwilling der Zentralmüllkippe von Manila bezeichnet wird). Als hier erst Kohle, dann Stahl und schließlich auch das Brauerreiwesen kollabierten und anschließend auch die mittelständische und sehr umfangreiche Zulieferindustrie kamen Autobau (auch schon wieder Geschichte) und Bildung. Bochum zählt heute sieben Hochschulen und hat einen deutlich höheren Studentenanteil an der Bevökerung als alte Universitätsstädte wie Freiburg. Danach kamen dann in großem Umfang staatsabhängige Bullshitjobs, wie wesentliche Teile der Verwaltung der deutschen Rentenversicherung. Mit Ausnahme des einzigen DAX-Konzerns in Bochum (VONOVIA)… Mehr
Warum machten denn deutsche Autobauer bei diesem Irrsinn überhaupt mit, wenn doch (garantiert) abzusehen war, das Elekto-Markt-Segment geradezu in eine Sackgasse führt? Wurden die etwa mit sehr viel Geld sediert? Welchen Einfluss hatten die Gewerkschafts-Bosse? Wenn deutsche Industrie-Größen etwas von der Politik wollten, wurden die doch auch immer ganz schnell in Berlin vorstellig oder besprachen sich dor oder anderswo beim üppigen Abendessen. Gibt es das etwa nicht mehr?
merkwürdig, komischerweise schreiben die beiden größten E-Auto Hersteller, BYD und Tesla schwarze Zahlen. Liegts vielleicht daran dass man einfach die Zeichen der Zeit verpasst hat, viel viel zu teure Autos anbietet die sich keiner Leistet und die, siehe Audi, dann inzwischen auch sogar noch lausige Materialqualität für die Kohle haben?
Die Baden-Württemberger haben mehrmals eine grüne Landesregierung gewählt und so die Automobilindustrie als ihre über Jahrzehnte goldene Eier legende Gans geschlachtet. Früher war das eine der ärmsten Regionen Deutschlands, aus der im 19. Jahrhundert 30% der Bevölkerung vor dem Elend auswandern mussten. Das wird wieder so kommen, der Artikel beschreibt es ja.
Es sind letztlich unternehmerische Fehlentscheidungen, die zum Niedergang führen. Man hatte sich auf die Schalmeienklänge der Politiker verlassen und am Markt vorbei geplant und produziert.
Hinzu kommt die Globalisierung. Die anderen holen qualitativ auf, und sie produzieren noch auf lange Zeit billiger. Deutsche Autowerker konkurrieren mit chinesischen und sind dabei hoffnungslos unterlegen.
Trump versucht es mit prohibitiven Zöllen. Das kann sich ein so extrem exportabhängiges Land wie Deutschland nicht leisten Die Zeit der Hochlohn-Inseln ist vorbei. „Exportweltmeister“ zu sein, ist vielleicht doch nicht so toll..
Wir exportieren unsere Klimaaktivistenschlaumeier? Baerbock, Habeck und all die anderen Geistesgrößen
Es war die überwältigende Mehrheit der Bürger, die die allesamt und ausschließlich Macht orientierte „UnsereDemokratie“ gewählt. Wie vollkommen verblödet kann man sein, sich als Chef in dieser Demokratie von seinen Dienern dazu anleiten zu lassen, immer den gleichen Dienern den Folgevertrag als Diener zu geben. Wer einen Habeck wählt oder eine mit seiner Partei koalitionsbereite Partei muss den Verstand verloren haben. Einen Typen als wichtigen deutschen Minister zu wählen (Minister von ministrare = Dienen), der seinen Chefs schon vor der Wahl klar sagt: Mit Euch konnte ich noch wie etwas anfangen, ist geisteskrank.
Ein altes Sprichwort sagt: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis und das scheint bei uns mittlerweile auf der Tagesordnung zu stehen und aus ist es mit dem Land der Tüftler und Denker, denn Sozialisten sind die Lenker und da ist noch nie was gescheites dabei herausgekommen, bei Adolf angefangen über Merkel bis hin zu Merz, die alle dem ultraliberalen Sozialismus folgen, der am Ende direkt in die Knechtschaft und den Untergang führt. Die freie liberale Marktwirtschaft im lockeren Rahmen war die einzige Errungenschaft die uns nach dem letzten Krieg zumindest die wirtschaftliche und persönliche Freiheit… Mehr
Wir haben doch längst ein Zweiparteiensystem: UnsereDemokratie und DerenDemokratie. Ich wähle, seit es sie gibt, die DerenDemokratie, weil man laut Einstein (sowie eigener Logik) maximal verblödet sein muss, wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber jedes Mal ein anderes Ergebnis erwartet.
Was soll man noch sagen. Die konservativ-liberalen kräfte im lande haben deutschland vor die wand gefahren.
Wie bitte? Die einzige konservativ-liberale Kraft un Deutschland ist die AFD und die war noch nie in irgendeiner Verantwortung. Seit Merkel, Scholz, Trittin und Ober-Judas Kubicki, also seit mehr als 15 Jahren sind alle Parteien außer der AFD linksextrem, faschichstisch bzw. totalitär und streng antisemitisch. Man muss halt hinschauen…
„Den Übergang zur E-Mobilität haben die deutschen Hersteller nicht verschlafen, selbst wenn der Vorwurf ständig wiederholt wurde.“ „Zwar sind die deutschen Hersteller nicht immer die Schnellsten gewesen, im zweiten Schritt aber vielfach die Besten.“ Es tut mir leid, es wird ein zentraler Aspekt übersehen, bei dem die meisten Hersteller DEs völlig ins Hintertreffen geraten. Lt. echten Experten ist preisbildendes Unterscheidungsmerkmal von E-Autos schon mittelfristig die Software. Hat nicht soeben ein großer DE Hersteller die mit einer teuren Offensive gehypte Eigenentwicklung zugunsten des Einkaufs aus China aufgegeben?
richtig, während VW da absolute Desaster vollzogen hat, eigentlich die Eigenentwicklung aufgegeben hat und die Erstkäufer der VW ID Modelle im Regen stehen lässt, können selbst Model S Tesla Besitzer mit über 10 Jahre alten Fahrzeugen immer noch völlig problemlos zwischen Tür und Angel ihre over-the-air Updates durchspielen die in schöner Regelmäßigkeit reinlaufen.
Das zweite Detroit wird doch seit gestern New York durch die Wahl des neuen Bürgermeisters ❗
Deutschland liegt am Boden, der Ringrichter zählt nur noch bis zum endgültigen aus.