Kryptos im Sinkflug, Musk verwirrt, DAX mit Wochengewinner 

Die Kryptowährungen bereiten ihren Fans zunehmend Kopfschmerzen. Sie bewegen sich seit Monaten wie zyklische Hightech-Aktien. Mit dem jüngsten Absturz auf unter 27.000 Euro zerbröselte auch das Argument, der Bitcoin sei als Inflationsschutz genauso geeignet wie Gold.

IMAGO / Silas Stein

„Seit Anfang Jahr zeigt der Krypto-Markt eine hohe Korrelation zum Aktienmarkt“, kommentierte Patrick Heusser, CEO von Crypto Finance. In den vergangenen Tagen sei zudem die Unsicherheit um das Stablecoin-Ökosystem hinzugekommen. In der Krypto-Branche zeige sich derzeit mit dem Terra-Stablecoin ein Lehman-Brothers-Moment, ordnet die „Neue Zürcher Zeitung“ das Geschehen ein.

Im September 2008 musste die US-Investmentbank Insolvenz anmelden, weil ihr keine andere Bank mehr Geld lieh. Niemand hatte aufgrund sinkender Häuserpreise plötzlich mehr einschätzen, wie hoch das Risiko von Lehman im US-Immobilienmarkt war. Abgeschnitten von kurzfristigen Krediten war die Investmentbank nach wenigen Tagen zahlungsunfähig. Das führte zu einer weltweiten Finanzkrise.

Die sogenannten Stablecoins nehmen für sich in Anspruch, den Dollar eins zu eins abzubilden. Zu diesem Zweck wird jeder emittierte Coin mit einem Gegenwert von einem Dollar hinterlegt. Das Terra-Ökosystem wählte jedoch eine dynamische, algorithmische Absicherung, die sich nun als „Schönwetterkonzept“
(„Neue Zürcher Zeitung“) entpuppt hat. Der Terra-Coin, der Anfang April noch auf 120 Dollar notierte, ist derzeit noch wenige Cent wert. Die Terra-Schwäche zieht weite Kreise. So gab es einen Sicherheitsfonds, der einige Milliarden Dollar schwer war. Dieser wurde vor vier Wochen in Bitcoin gewechselt. Mittlerweile hat der Sicherheitsfonds alle 42 000 Bitcoin verkauft, was den Bitcoin-Kurs weiter belastete. In Mitleidenschaft gezogen wurden auch andere bekannte Stablecoins wie Tether, der auf 95 Cent nachgab. Der Emittent, der seine Bücher nicht von offizieller Seite prüfen lässt, stand schon mehrmals im Verdacht, die ausgegebenen Coins nicht zu 100 Prozent zu hinterlegen.

Nach einer bis Donnerstag sehr schwachen Börsenwoche ist den US-Aktien am Freitag schließlich eine Stabilisierung gelungen. Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell zum Zinserhöhungskurs beruhigten die Anleger ein wenig. Der Leitindex Dow Jones Industrial schloss mit einem Plus von 1,5 Prozent auf 32.197 Punkten. Auf Wochensicht steht gleichwohl ein Verlust von gut zwei Prozent zu Buche. Am Vortag war der Dow auf den tiefsten Stand seit März vergangenen Jahres abgesackt.

Für den marktbreiten S&P 500 ging es am letzten Handelstag der Woche um 2,4 Prozent auf 4.024 Punkte aufwärts. Noch größer waren die Kursgewinne im von Technologieunternehmen dominierten Nasdaq 100. Der stieg um 3,7 Prozent auf 12.387 Punkte. Aber auch hier summierte sich der Wochenverlust auf fast zweieinhalb Prozent.

Für besonderes Aufsehen sorgte der Kursrutsch von Twitter. Die von Elon Musk vorübergehend ausgesetzte Übernahme des Online-Dienstes brockte der Aktie einen Verlust von fast zehn Prozent ein – auf das Niveau von vor dem Übernahmeangebot. Musk will nach eigener Aussage erst Berechnungen abwarten, dass Twitter-Accounts, hinter denen keine echten Nutzer steckten, tatsächlich weniger als fünf Prozent aller Accounts ausmachten. Er sei aber weiter an der Übernahme interessiert, betonte der Milliardär. Ob es Musk dabei lediglich darum geht, den Kaufpreis zu drücken, oder er Finanzierungsprobleme bekommen hat, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Für die zuletzt schwer gebeutelte Tesla-Aktie erwies sich die Nachricht als Kursturbo. Die Notiz schnellte um 5,7 Prozent nach oben. Die Titel des Elektroautobauers hatten seit Mitte April über ein Viertel verloren, seitdem Musk sein Interesse an Twitter öffentlich gemacht hatte.

Kräftige Kurserholungen erlebten die Aktien der in den vergangenen Wochen stark gefallenen Halbleiterhersteller. So zogen die Papiere von NVIDIA und AMD jeweils um mehr als neun Prozent an. Im Dow Jones Industrial zählten mit Salesforce, Apple und Microsoft ebenfalls Tech-Titel zu den größten Gewinnern.

Der Dax verbuchte am Freitag den ersten positiven Wochenabschluss seit Anfang April. Gestützt auf eine global wieder etwas anziehende Risikobereitschaft eroberte der deutsche Leitindex die runde Marke von 14.000 Punkten zurück, über der er zuletzt am Donnerstag der vergangenen Woche notiert hatte. Den Freitagshandel beendete er mit einem Plus von 2,1 Prozent auf 14.028 Punkte. Auf Wochensicht resultiert daraus ein Gewinn von 2,6 Prozent. Der MDAX für die mittelgroßen Unternehmen zog am Freitag um 2,3 Prozent auf 28.821 Punkte an.
Nach einer zweitägigen Hochphase wurde es in der Berichtssaison vor dem Wochenende ruhiger. Im Blick standen noch die Resultate der Deutschen Telekom, sie erhöhte die Jahresziele. Laut Händlern überraschte dies aber nicht mehr wirklich. Als bester Dax-Wert gewannen die Aktien des Kochboxenversenders Hello Fresh 9,3 Prozent. Mit 39 Euro notieren sie nun wieder knapp über der 50-Tage-Linie als Indikator für den mittelfristigen Trend.

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Kommentare ( 2 )

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Iso
1 Jahr her

So irrational die Bewertung der Kryptos ist und man muss hier von einer Bewertung sprechen, weil sie selbst keinerlei nominalen Wert haben, so vielfältig sind auch all die Nachahmercoins des Bitcoins. Wer weiß schon, welcher Coin morgen auf 500 % Plus prognostiziert wird? Und wenn die Notenbanken ihr Digitalgeld unter die Leute bringen, werden diese Währungen sich nicht in andere Kryptowährungen tauschen lassen und diese dann wertlos werden.

A Thorsten
1 Jahr her

Von Stablecoins halte ich persönlich nicht viel. Bitcon oder dezentrale Coins wie ADA sehe ich als die Zukunft vor allem für ärmere Länder, damit sich dort die Bevölkerung unabhängig vom Dollar oder anderen Leitwährungen machen kann. Zum Beispiel eine Überweisung in Dollar kostet in manche Länder locker 30% Gebühren. In Bitcoin nur einen Bruchteil davon.
Es ist klar das dies den Ländern wo die Leitwährung stellt das nicht gefällt, da sie ihr Geldmenge dann nicht mehr so einfach weiter aufblähen können.