Inflation, Irritation, Investments, aber Börsen gut gelaunt

Die Stimmung in der US-Industrie im Mai hellte sich überraschend stark auf. An Europas Börsen waren die Anleger daher bereits mit Kursgewinnen ebenfalls gut gelaunt ins Wochenende gegangen.

© Spencer Platt/Getty Images

Überraschend deutlich sind die Verbraucherpreise im Mai gestiegen. Grund ist vor allem der Ölpreis, der wesentlich höher steht als vor einem Jahr. In Deutschland legte die Inflationsrate auf 2,2 Prozent zu, nach jeweils 1,6 Prozent im März und April. Analysten hatten mit einem etwas geringeren Anstieg gerechnet. Auch in der Eurozone zog die Teuerung wegen der höheren Energiepreise unerwartet kräftig an.

Verglichen mit dem Vorjahresmonat stiegen die Verbraucherpreise in den Ländern der Währungsgemeinschaft um 1,9 Prozent. In Deutschland war die Inflationsrate zuletzt im Februar 2017 so hoch, in der Eurozone im April 2017. „Die Inflation zeigt im Mai ihr wahres Gesicht“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eine Teuerung von knapp zwei Prozent an, die sie als ideal für die Wirtschaft erachtet. Die Notenbanker dürften bei ihren nächsten Sitzungen am 14. Juni oder 26. Juli Details zum Anleihekaufprogramm geben, das nach aktuellem Stand noch bis mindestens Ende September 2018 laufen wird. Zumindest die ­ Inflationsrate spricht nun dafür, das Programm sanft auslaufen zu lassen. Dafür müssten sich nach der italienischen Unruhe aber auch die Anleihemärkte beruhigen.

Die Irritationen über die künftige ­Politik in Italien trübten auch den
20. Geburtstag der EZB. Die Notenbank nahm am 1. Juni 1998 ihre Arbeit auf, mit Kompromisskandidat Wim Duisenberg aus den Niederlanden an der Spitze. 1999 wurde der Euro in elf Staaten eingeführt, heute sind 19 Länder Teil der Währungsgemeinschaft. Mit Eurokrise, Bankenrettung, Nullzinspolitik und Anleihekäufen waren es teils bewegte Jahre für die Notenbank und ihre Chefs Duisenberg, Jean-Claude Trichet und Mario Draghi. Wenn dessen Amtszeit im Oktober 2019 endet, könnte mit Bundesbankchef Jens Weidmann erstmals ein Deutscher an die EZB-Spitze rücken.

Ein Jahr nach Beginn der Katar-Krise zeigt sich die Wirtschaft des Zwergstaates und Erdgasgiganten — Nummer 3 nach Russland und Iran — erstaunlich robust. Am 5. Juni 2017 brachen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrein und Ägypten die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Katar ab, weil das Land angeblich Terroristen und den Iran unterstütze. Seitdem verkaufte der Staatsfonds Qatar Investment Authority für 20 Milliarden Dollar Beteiligungen im Ausland, um die vom Boykott geplagte heimische Wirtschaft zu unterstützen. So verlor die Börse in Doha binnen zwölf Monaten nur 6,8 Prozent. Das Mini-­Scheichtum schlägt zudem zurück. Katar werde keine Produkte des Quartetts mehr einführen, kündigte die Regierung unter Scheich Tamim Al-Thani jüngst an. Seine Landeskinder haben sich an Milch und Obst aus der Türkei und dem Iran gewöhnt, weil die Grenze zu Saudi-Arabien dicht ist. Aber: Doha versorgt die VAE weiter mit Erdgas. Und Katar bleibt bedeutender Aktionär bei VW, Siemens, Deutsche Bank und Credit Suisse. Unternehmensanteile im Wert von 320 Milliarden Dollar hält der Staatsfonds weltweit. Auch deshalb versucht Deutschland hinter den Kulissen zu vermitteln, um die Fehde zu beenden.

Dank eines starken US-Arbeitsmarktberichts und der Erleichterung über das vorläufige Zustandekommen einer Regierung in Italien hat der New Yorker Aktienmarkt am Freitag Gewinne eingefahren. Der Dow Jones Industrial Index erholte sich mit einem Plus von 0,9 Prozent auf 24.635 Punkten von seinem Vortagesverlust. Auf Wochensicht bedeutet dies jedoch ein Minus von einem knappen halben Prozent. Seit Jahresanfang ist die Bilanz ebenfalls negativ.
Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 1,1 Prozent hoch auf 2.735 Punkte. Noch deutlicher ins Plus kletterte mit 1,7 Prozent (auf 7084 Punkte) der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100, der dabei von einem deutlichen Kurszuwachs der Alphabet-Aktien angeschoben wurde. Die Papiere der Google-Mutter verteuerten sich um 3,2 Prozent. Die Google-Schwesterfirma Waymo wird ihre Flotte selbstfahrender Autos mit bis zu 62.000 weiteren Minivans von Chrysler ausbauen. Dies sei ein großer Schritt in Richtung Masseneinsatz, schrieb Analyst Brian Nowak von Morgan Stanley. Nachdem zuletzt der japanische Softbank-Konzern in die Roboterwagen-Tochter Cruise von General Motors investiert habe, nehme das Rennen in der Entwicklung autonom fahrender Autos Fahrt auf.

Nachdem am Donnerstag noch Sorgen vor einem sich wieder verschärfenden Handelskonflikt zwischen den USA und anderen Ländern den Markt geprägt hatten, überzeugte die Anleger zum Wochenausklang der US-Arbeitsmarktbericht für den Monat Mai. Die US-Wirtschaft schuf mehr Arbeitsplätze als erwartet. Zudem stiegen die Löhne und Gehälter stärker als gedacht. Die BayernLB sprach von einer sehr guten Entwicklung. „Insgesamt ergibt sich aus den Daten ein robustes Bild vom US-Arbeitsmarkt, so dass die US-Notenbank Fed an ihrer Politik gradueller Leitzinserhöhungen festhalten kann“, ergänzte die Helaba.

Zudem hatte sich die Stimmung in der US-Industrie im Mai überraschend stark aufgehellt. An Europas Börsen waren die Anleger daher bereits mit Kursgewinnen ebenfalls gut gelaunt ins Wochenende gegangen.

Die Aktien von US-Stahlproduzenten wie US Steel, Nucor und AK Steel legten um jeweils mehr als zwei Prozent zu. Sie profitierten weiter von der Erlassung von US-Strafzöllen auf Stahlimporte aus EU-Ländern, Mexiko und Kanada.

Erneut gab es zum Wochenausklang Geschäftszahlen von Einzelhändlern, und erneut sorgten diese für kräftige Kursbewegungen. So überraschte die Textilhandelskette Abercrombie & Fitch mit ihrem Umsatz im ersten Quartal positiv. In der Telefonkonferenz ließ das Management aber durchblicken, dass in den Übersee-Märkten die Maßnahmen zur Aufpolierung der Filialen bisher noch nicht zu einer deutlich höheren Kundenfrequenz geführt hätten. Die Aktien sackten um 8,7 Prozent ab. Die auf Fitnessbekleidung spezialisierte Kette Lululemon Athletica übertraf dagegen die Markterwartung, was die Anleger mit einem Kursplus von 16,3 Prozent belohnten. Der Ausblick von Big Lots dagegen enttäuschte.

Die Anteile von Zuora um sprangen um 19 Prozent nach oben. Der erst Mitte April an die Börse gegangene Cloud-Anbieter hatte die Anleger sowohl mit seinen Geschäftszahlen als auch mit dem Ausblick überzeugt.


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