Gute Stimmung vor Amtseinführung Donald Trumps – IWF warnt vor struktureller Schwäche in Europa

Der IWF hat in seinem „World Economic Outlook“ die Wachstumsprognosen für die USA erneut nach oben korrigiert, während die Zahlen für den Euro-Raum nach unten angepasst wurden. Behält der IWF recht, dürften die USA dieses Jahr, ähnlich wie 2024, etwa drei Mal so stark wachsen wie der Euro-Raum.

IMAGO / SOPA Images

Vor der Amtseinführung von Donald Trump als nächster US-Präsident an diesem Montag haben sich die New Yorker Börsen am Freitag stark ins Wochenende verabschiedet. Die Anleger zeigten sich nach dem erfolgreichen Start in die Berichtssaison gut gelaunt. Eine im Dezember unerwartet stark gestiegene Industrieproduktion stand den Zinssenkungshoffnungen am Freitag nicht entgegen. Seit den positiv aufgenommenen Inflationsdaten vor zwei Tagen hat der Druck auf die Renditen am Anleihemarkt merklich nachgelassen.

Der marktbreite S&P 500 kletterte am Freitag wieder über die runde Marke von 6.000 Punkten und blieb am Ende des Tages mit einem Plus von ein Prozent auf 5.996,66 Zähler nur knapp darunter. Der Leitindex Dow Jones Industrial legte um 0,8 Prozent auf 43.488 Punkte zu. Noch besser sah es für den technologielastigen Nasdaq 100 mit einem Plus von knapp 1,7 Prozent auf 21.441 Punkte aus.
Auch die Wochenbilanz kann sich sehen lassen: Der Dow gewann 3,7 Prozent, der S&P 500 2,9 Prozent und der Nasdaq 100-Index 2,8 Prozent.

Unter den Einzelwerten sprangen die Aktien des Chipherstellers Intel um 9,3 Prozent in die Höhe und führten mit diesem Kursaufschlag den Nasdaq 100-Index an. Börsianer sprachen hier erneut von vagen Übernahmespekulationen. Neben Intel griffen Anleger auch bei anderen Papieren aus der Halbleiterbranche kräftig zu: Nvidia gewannen 3,1 Prozent, das hievte sie im Dow auf Platz eins. An der Nasdaq zogen außerdem Marvell Technology und Broadcom um 6,1 beziehungsweise 3,5 Prozent an.

Applied Materials profitierten mit einem Plus von drei Prozent von einem zuversichtlichen Analystenkommentar von KeyBanc Capital Market. Die Experten bevorzugen nun bei den Halbleiterkonzernen die Aktien solcher Unternehmen, die über unmittelbare Wachstumstreiber verfügen. Dazu zählte auch Lam Research, dessen Anteilsscheine nach dem deutlichen Vortagesgewinn am Freitag nochmals um 1,4 Prozent zulegten.

Das Transport- und Logistikunternehmen JB Hunt blieb im vierten Quartal mit seinem Gewinn dagegen hinter den Markterwartungen zurück. Zudem merkten Analysten an, dass die Prognosen für das erste Quartal zurückhaltend seien. Die Aktien verloren 7,4 Prozent.

Kursgewinne von 6,1 Prozent verzeichneten die Aktien des Ölfeld-Dienstleisters Schlumberger nach Zahlen für 2024. Anleger freuten sich über eine Anhebung der Dividende und den Start eines Aktienrückkaufprogramms.

Der Euro kostete nach Börsenschluss 1,0276 US-Dollar. Am US-Anleihemarkt lag die Rendite zehnjähriger Anleihen bei 4,62 Prozent.

Zuvor hatten schon verringerte Inflationssorgen die Rekordrally am deutschen Aktienmarkt zum Wochenschluss den dritten Tag in Folge angetrieben. Der Dax nähert sich mit großen Schritten der Marke von 21.000 Punkten; die aktuelle Bestmarke wurde im Freitagshandel mit 20.924 Punkten erreicht. Aus dem Handel ging der deutsche Leitindex mit 20.903 Punkten und damit 1,2 Prozent im Plus. In der zweiten Reihe gewann der MDax am Freitag knapp 1,3 Prozent auf 25.835 Punkte. „Keine schlechte Bilanz für einen Markt, dessen Wirtschaft bald im Visier von Strafzöllen und anderen Widrigkeiten stehen könnte“, kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets die Entwicklung.

Unter den Einzelwerten ragte in der Dax-Familie am Freitag Suss Microtec mit einem Kurssprung um mehr als ein Fünftel heraus. Der im Nebenwerte-Index SDax notierte Halbleiter-Zulieferer verringerte mit starken Umsatz- und Auftragszahlen Sorgen vieler Anleger, dass das Geschäftswachstum nachlassen könnte. Analysten sind allerdings uneins, ob die Auftragslage nun den Höhepunkt erreicht hat oder nicht.

Im Dax stand der Energietechnik-Konzern Siemens Energy zum Handelsschluss mit einem Plus von 3,1 Prozent auf dem ersten Platz. Gleichwohl läuft hier die Konsolidierung nach der Rekordrally insgesamt erst einmal weiter. Auf den Plätzen dahinter folgten Heidelberg Materials – hier bleiben die Investitionen der Techbranche in Datenzentren ein wesentlicher Treiber – und Siemens – je mit einem Kursgewinn von rund drei Prozent. Siemens kosteten erstmals in der Geschichte mehr als 200 Euro.
Daimler Truck gewannen im Dax zwei Prozent, Traton im MDax fast vier Prozent.

Wenn Aktienbörsen die Stärke der Wirtschaft – oder die Aussicht darauf – abbilden, scheint die Welt am Vorabend der Amtsübernahme von Donald Trump an einen „amerikanischen Exzeptionalismus“ zu glauben. Wer sein Geld Ende 2023 in den breiten Aktienindex S&P 500 investierte, konnte zum Jahresende 2024 in Dollar 24 Prozent mehr verbuchen. Hätte er sich stattdessen für den Euro-Stoxx 50 entschieden, wären es (in Euro) nur acht Prozent gewesen. Blickt man bis Anfang 2020 zurück, rentierte der amerikanische Markt mit 83 Prozent, der europäische mit 29 Prozent.

Das Auseinanderdriften zwischen den USA und dem Euro-Raum hat nun auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Plan gerufen. Während Amerikas Robustheit stets aufs Neue überrascht, scheint Europa nicht aus seiner Formschwäche herauszufinden. Der IWF hat in seinem «World Economic Outlook» die Wachstumsprognosen für die USA erneut nach oben korrigiert, während die Zahlen für den Euro-Raum nach unten angepasst wurden. Behält der IWF recht, dürften die USA dieses Jahr, ähnlich wie 2024, etwa drei Mal so stark wachsen wie der Euro-Raum. Während den USA eine Expansion von 2,7 Prozent in Aussicht gestellt wird, traut man dem Euro-Raum nur ein Plus von maximal ein Prozent zu.

Europas Schwäche ist vor allem ein deutsche Schwäche. Nachdem Deutschland im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent geschrumpft war, dürfte es im laufenden Jahr gemäss IWF um magere 0,3 Prozent zulegen. Damit bleibt Deutschland weit hinter anderen Euro-Staaten zurück. Selbst Frankreich (0,8 Prozent) und Italien (0,7 Prozent) wachsen stärker, ganz zu schweigen von Spanien (2,3 Prozent). Aus Sicht des IWF sind strukturelle Schwächen die Ursache für die Divergenz. Das Produktivitätswachstum in den USA sei stärker, vor allem – aber nicht nur – im Technologiesektor. Der IWF verweist zudem auf ein attraktiveres Unternehmensumfeld und den liquideren Kapitalmarkt.
Auch die Energiekosten seien für amerikanische Firmen deutlich niedriger als jene für europäische. Besonders augenfällig sei das beim Erdgas. Lag der Gaspreis in Europa vor der Pandemie doppelt so hoch wie in den USA, sei er heute fünfmal so hoch.

Der IWF warnt zudem davor, dass sich Investoren aufgrund der hohen Staatsverschuldung vieler Euro-Staaten zusehends von der Region verabschieden könnten. Das hätte zur Folge, dass Europas Wachstum noch schleppender ausfiele als prognostiziert. Die Geld- und Finanzpolitik stoße gleichzeitig an Grenzen. Das Ausbleiben von Sparmaßnahmen bei hochverschuldeten Staaten würde bald zu steigenden Schuldzinsen führen, was den Handlungsspielraum dieser Staaten stark einschränkte.

Mit gemischten Gefühlen bewertet der IWF die von Trump angekündigten Deregulierungen. Der Abbau von Bürokratie kurble zwar das Wachstum an. Gleichzeitig könne das im Finanzwesen erneut zu übertriebener Risikofreude, Verschuldung und somit zu größerer Verletzlichkeit führen. Das Resultat wäre eine gefährliche sogenannte Boom-Bust-Dynamik, die – wie seinerzeit in der Finanzkrise von 2007/08 – auch den Rest der Welt beträfe.

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