DAX mit neuem Jahreshoch – Rally vor Rezession?

Wirtschafts- und Konjunkturdaten divergieren an allen Ecken und Enden. Die wichtigsten Konjunkturindikatoren wie Inflation, Kerninflation, Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarktdaten und Frühindikatoren senden widersprüchliche Signale. Und so vergeht kaum ein Tag, an dem Bullen und Bären nicht aufeinandertreffen und völlig gegenteilige Strategien empfehlen.

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In den USA ist einerseits der Arbeitsmarkt völlig ausgetrocknet, auf der anderen Seite zeigen die konjunkturellen Frühindikatoren seit Monaten nach unten. Auch der Häusermarkt ist in schlechter Verfassung. Entsprechend wachsen die Unternehmensgewinne weniger stark, aber von einem beängstigenden Gewinneinbruch kann überhaupt nicht die Rede sein. Wie durchzogen die Entwicklung auch in Europa ist, zeigt Thomas Gitzel, Chefökonom bei der VP Bank in Liechtenstein: „Zwar schlägt sich die Wirtschaft des gemeinsamen Währungsraumes insgesamt deutlich besser als befürchtet. Der schiebt das Wachstum an, doch die Wirtschaft läuft damit nur auf einem Zylinder; das verarbeitende Gewerbe ist angeschlagen. Weil es am zweiten Zylinder fehlt, werden die Wachstumsraten nicht besonders üppig ausfallen“, so Gitzel. In der Tat ist die Preissetzungsmacht der Touristikkonzerne, Hotels und Restaurants aufgrund der starken Nachfrage nach dem Endde der Corona-Beschränkungen ziemlich hoch.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Aktienmarkt-Rallyes erstaunlicherweise gerade dann angetrieben wurden, wenn eine Rezession bevorstand. Solche Rallyes traten zu Beginn von vier der sechs Rezessionen zwischen Mitte der 1970er und der grossen Finanzkrise, zeigt das Beratungsunternehmen ERCI in einer Studie auf. Die vier Startdaten der Rezessionen und die Dauer waren von 1973-1975, 1980-1981, 2001-2002 und 2007-2009, als der S&P 500-Index zwischenzeitlich Kursgewinne im zweistelligen Prozentbereich auswies. Heute sehe es vergleichbar aus.

Vor diesem Hintergrund verwundert nicht, dass die US-Aktienmärkte am Freitag die neu veröffentlichten Quartalsberichte überwiegend positiv aufnahmen. Der Dow Jones Industrial stieg erstmals seit zehn Tagen wieder über die Marke von 34.000 Punkten und erreichte in den Schlussminuten den höchsten Stand seit zweieinhalb Monaten. Letztlich gewann der US-Leitindex 0,8 Prozent auf 34.098 Punkte. Daraus resultiert ein Wochengewinn von knapp einem Prozent an. Im Börsenmonat April steht für den Dow ein Plus von rund 2,5 Prozent zu Buche. Der marktbreite S&P 500 stieg am Freitag ebenfalls um 0,8 Prozent auf 4.069 Zähler. Der Nasdaq 100 legte um 0,6 Prozent auf 13.246 Punkte zu.

Die Aktien von Intel schnellten als Dow-Spitzenreiter um vier Prozent hoch. Der Hersteller von Halbleitern und Datenzentren verbuchte im ersten Quartal zwar einen Umsatzeinbruch und Milliardenverlust, Analyst hatten aber Schlimmeres erwartet. Die Papiere von Amazon verloren dagegen nach dem Quartalsbericht vier Prozent. Der Online-Händler startete mit einem überraschend deutlichen Umsatzplus ins neue Geschäftsjahr. Auch beim Gewinn wurden die Erwartungen übertroffen. Allerdings brachte die Telefonkonferenz des Managements die unangenehme Erkenntnis, dass es im Cloud-Geschäft im April nur noch ein abgeschwächtes Wachstum gab. Für Amazon ist die Cloud-Sparte wegen ihrer hohen Gewinnspannen ein zentraler Profittreiber.

Die beiden Öl- und Gasriesen Exxon Mobil und Chevron verdienten im ersten Quartal unter dem Strich mehr als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Exxon-Papiere legten um 1,3 Prozent zu, für Chevron ging es um ein Prozent nach oben. Aktien von Snap brachen um 17 Prozent ein. Bei der für die Foto-App Snapchat bekannten Firma war der Umsatz im vergangenen Quartal um sieben Prozent gefallen. Früher war der Dienst für explosives Wachstum bekannt gewesen. T-Mobile US büßten vier Prozent ein. Die US-Tochter der Deutschen Telekom wuchs zu Jahresbeginn bei den Serviceumsätzen nicht so stark wie erwartet und verbuchte insgesamt gar einen Rückgang der Erlöse. Die Papiere der First Republic Bank wurden zwischenzeitlich vom Handel ausgesetzt, nachdem sie um mehr als 50 Prozent auf ein Rekordtief eingebrochen waren. Zuvor war berichtet worden, dass eine Konkursverwaltung das wahrscheinlichste Szenario für die Regionalbank sei. Letztlich verloren die Aktien 43 Prozent.

Der Kurs des Euro hielt sich über 1,10 Dollar und wurde zuletzt bei 1,1014 Dollar gehandelt. Die Kurse von US-Staatsanleihen legten zu. Die Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen fiel auf 3,44 Prozent.

Der DAX hatte sich zuvor nach einem unruhigen Verlauf mit Gewinnen in das verlängerte 1. Mai-Wochenende verabschiedet. Nach starkem Auftakt war der Leitindex zeitweise an die Unterstützungslinie im Bereich von 15.700 Punkten gerutscht. konnte diesen Test aber erneut bestehen. Im weiteren Handelsverlauf erholte sich das Börsenbarometer und profitierte dabei von erfreulichen Inflationsdaten. Am Ende stand ein Plus von 0,8 Prozent auf 15.922 Punkte zu Buche – ein neues Jahreshoch. Der Preisauftrieb in Deutschland hatte sich im April auf hohem Niveau weiter abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen um 7,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, Ökonomen hatten im Schnitt 7,3 Prozent prognostiziert – nach 7,4 Prozent im März. „Die Verminderung des Preisanstiegs kommt in Trippelschritten voran“, sagte der Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust, Michael Heise. Der nur sehr langsame Rückgang der Inflation könne als ein klares Indiz gesehen werden, dass die Stabilisierung des Preisniveaus ein längerer Prozess sein werde. Eine nächste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) um mindestens 0,25 Prozentpunkte sollte mit diesen Inflationsdaten ziemlich sicher sein.

Auf Wochensicht legt der DAX um 0,3 Prozent zu, während die Bilanz für den April einen Gewinn von gut fünf Prozent aufweist. Mit dem Mai steht nun ein traditionell ein eher schwacher Börsenmonat vor der Tür. Der MDAX der mittelgroßen Börsentitel gewann am Freitag 0,9 Prozent auf 27.855 Zähler. Anleger mussten am Freitag auch wieder Quartalsberichte bewerten, darunter die endgültigen Zahlen von Covestro. Einem Händler zufolge gibt der Ausblick des Kunststoffkonzerns Zuversicht, gerade nach dem etwas schwierigeren Ausblick von BASF. Die Aktien von Covestro sprangen an der DAX-Spitze um 8,5 Prozent nach oben.

Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 musste die Dividende drastisch zusammenstreichen und stürzte daraufhin am MDAX-Ende um fast 17 Prozent ab. Im Nebenwerteindex SDax sprangen Bilfinger dagegen um gut sieben Prozent nach oben. Eine Erholung des Industriedienstleisters sei nun weitgehend im Aktienkurs eingepreist, schrieb Analyst Gregor Kuglitsch von der Bank UBS.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,45 Prozent am Vortag auf 2,37 Prozent.

An den Märkten sorgte in der vergangenen Woche ansonsten eine Entscheidung der britischen Wettbewerbsbehörde für Aufregung, Der Plan von Microsoft, den Onlinespiele-Hersteller Activision Blizzard zu kaufen, hat einen erheblichen Dämpfer erhalten. Die Behörde hatte nämlich angekündigt, den 69 Milliarden Dollar schweren Deal zu blockieren. Als Begründung führt die CMA an, dass der Kauf den Wettbewerb auf dem wachsenden Markt für Cloud-Gaming verzerren könnte. Microsoft will gegen den Entscheid Berufung einlegen. Mit der Übernahme wollte Microsoft mit seiner Xbox-Gaming-Sparte zu den Platzhirschen Sony und Tencent aufschliessen. Activision Blizzard verfügt mit „Call of Duty“, „Overwatch“ oder „World of Warcraft“ über starke Marken, die bei Gamern weltweit Anklang finden. Im Vorfeld befürchtete vor allem Sony, dass Microsoft die von Activision Blizzard entwickelten Games nur noch auf den eigenen Xbox-Konsolen anbieten würde und die Konsolen von Konkurrenten leer ausgehen würden.

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Kommentare ( 2 )

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Waldorf
11 Monate her

Sell in May and walk away
Die Bank of Amerika hat vorgestern eine Warnung für den Aktienmarkt herausgegeben, in den nächsten Wochen (!) stünde eine Rezession bevor

Last edited 11 Monate her by Waldorf
RMPetersen
11 Monate her

Die Aktien von Intel schnellten als Dow-Spitzenreiter um vier Prozent hoch.“

Na, großartig. Allerdings, wenn man bedenkt, daß INTEL in de letzten Jahren um weit mehr als 50% verloren hat, ist das nicht mehr so großartig.
Bemerkenswert, daß 4 % hier als bemerkenswert gelten.