Die Normalisierung der US-Geldpolitik dürfte die Inflation in Europa noch antreiben

Fed-Chef Jerome Powell kündigt eine – wenn auch sehr langsame – Normalisierung der Geldpolitik an. EZB-Chefin Christine Lagarde tut nichts dergleichen, sondern schwärmt von Klimaschutz-Investitionen. Am Ende dürfte das den Euro schwächen und für eine zusätzliche, importierte Inflation sorgen.

IMAGO / MediaPunch
Jerome Powell, Präsident der Federal Reserve

Die Nachrichten vom gestrigen Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) sind für Europäer vor allem im Gegensatz zu den zeitgleichen Signalen der Europäischen Zentralbank zu lesen. Denn es kündigt sich damit ein transatlantisches Ungleichgewicht an, das für Menschen, die ihre Rechnungen in Euro begleichen, mittelfristig ungünstige Auswirkungen haben dürfte.

Die Fed also hat gestern in ihrer Sitzung entschieden, das Volumen ihrer Wertpapierkäufe von derzeit 120 Milliarden Dollar monatlich ab Mitte November um monatlich 15 Milliarden Dollar zu reduzieren, sodass das Corona-Stützungsprogramm im Juni 2022 ausliefe (die Zentralbank behält sich aber Änderungen an ihrem Plan vor). Am Leitzins ändert sich vorerst nichts. Wie die Entscheidung der Fed zu deuten ist, zeigen die Finanzmärkte: Sie jubilieren mit Kurszuwächsen der Aktien (auch im Dax, der erstmals über 16000 Punkte sprang) über den nur ganz sanften Tritt der Notenbank auf das Bremspedal. Und sie freuen sich offenbar auch über die klare Ansage der Fed, die Leitzinsen erst ab Mitte des kommenden Jahres zu erhöhen.

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Aber immerhin kündigt die Fed die lange diskutierte „Normalisierung“ nun an, deren zweiter Schritt nach der Drosselung der Käufe die Anhebung der Leitzinsen und damit die Beendigung der Nullzinspolitik des billigen Geldes und der damit einhergehenden Extremvermehrung der Geldmenge wäre. Die Europäische Zentralbank tut das bislang nicht eindeutig. Eher im Gegenteil: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat am selben Mittwoch eine Zinserhöhung in der Eurozone im Jahr 2022 als sehr unwahrscheinlich bezeichnet. Statt etwas gegen die Inflation zu tun, betet sie bei jeder Gelegenheit ein Glaubensbekenntnis, dass dies nur ein vorübergehendes Phänomen sei.

Und wie um das zu bekräftigen, erscheint just heute am Tag nach der Fed-Entscheidung ein Gastbeitrag von Lagarde in der FAZmit dem sie deutlich macht, dass die Beendigung der ultralockeren Geldpolitik und die Eindämmung der damit verbundenen Inflation für sie keine Priorität hat. Sondern: Klimaschutz. In dem Beitrag schreibt sie zwar „Rapide steigende Energiepreise können die Schwächsten treffen“, aber sie verliert kein Wort zur Rolle der Geldpolitik bei dieser Preisentwicklung.

Lagardes eigentliches Kerngeschäft als Notenbankchefin, nämlich die Sicherung der Währungsstabilität, spielt in dem Beitrag so gut wie keine Rolle. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass diese die Juristin Lagarde gar nicht besonders interessiert. Stattdessen behauptet sie: „Naturkatastrophen und der ökologische Wandel wirken sich auf die Inflation aus.“ Implizit wird der Klimaschutz damit zur Maßnahme gegen Inflation verklärt. Und sie schwärmt vom „Network for Greening the Financial System“ und dem Ziel „die Steuerung von Klima- und Umweltrisiken im Finanzsektor weiterzuentwickeln und Finanzierungen zur Unterstützung des ökologischen Wandels zu mobilisieren“. Eine EZB-Präsidentin, die keinerlei demokratische Legitimation und kein über die Geldwertstabilität hinausreichendes Mandat hat, fordert schließlich: „Nach der Pandemie haben wir jetzt die Chance zur Erneuerung und Umgestaltung unserer Volkswirtschaften und zu einer Abkehr vom CO2-Ausstoß.“

Zu dieser „Erneuerung und Umgestaltung“ dürfte, wenn es im kommenden Jahr zu einem transatlantischen Ungleichgewicht von Zins-Normalisierung in den USA und anhaltender Nullzinspolitik in Europa kommt, vor allem eine beschleunigte Inflation und damit Verarmung in Europa gehören. Denn bei höheren Zinsen in den USA wird der Euro voraussichtlich gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verlieren. Damit verteuern sich außereuropäische Importe für die Europäer. Kurz gesagt: Europa importiert sich noch zusätzlich Inflation.

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Kommentare ( 17 )

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Kuno.2
2 Jahre her

Das sehe ich anders. Wenn die FED die bisherige extreme Geldlockerung aufgeben muss, um letztlich eine Abkehr vom Status der Weltleitwährung des US Dollars zu vermeiden, dann hat das andere Folgen.
Das hat nämlich zur Folge, dass die USA das frei auf der Erdball vagabundierende Kapital absaugen werden. Dieses führt nicht nur zur Schwächung auch des Euro, sondern auch zum Kapitalmangel in Europa. Mit der Gelddruckmaschine der EZB kann man zwar Geld erzeugen, aber kein Kapital.

Last edited 2 Jahre her by Kuno.2
Dirk Bender
2 Jahre her

Ein wirklich hervorragender Artikel von Herrn Knauss. Ich freue mich auf weitere Artikel.

haasel
2 Jahre her

Schon Herr Draghi hat damals mit der Griechenland Hilfe alle Stellschrauben für die Regulierung der Währung weggeschmissen. Das hatte damals auch Herr Weidmann moniert. Daß die USA früher die Zinsen anheben, war klar. Da brauch man jetzt nicht jammern, es hat ja sonst niemand gemeckert, also hat man weiter Geld gedruckt. Das war nur Zeit kaufen, die jetzt langsam unbezahlbar wird. Good morning Europe!

Gisela Fimiani
2 Jahre her

Die Französin Lagarde wird Frankreich zu Diensten sein. Es liegt nicht im Selbstverständnis der Vertreter der Grande Nation, sich um Regeln kümmern zu müssen. Erinnern wir uns, dass Madame sich ehemals rühmte, alle! Regeln gebrochen zu haben und dies mit der Rettung des Euro rechtfertigte. Mit den „richtigen“ Argumenten geht Alles.

Iso
2 Jahre her

Bei einer Inflation von 5 % (2% soll eigentlich nicht überschritten werden), müsste die FED schon längst die Zinsen anheben. Eine Reduzierung der „Wertpapierkäufe“ um lediglich 15 Milliarden, führt nur weiterhin zur Spekulationstrunkenheit der Märkte, und es wird kein Geld in neue Produktionsstätten investiert. Die Zentralbanken graben sich ihre Löcher immer tiefer, auszubaden haben es dann die dessinformierten Bürger, deren Geld an Kaufkraft verliert, und deren Spargroschen immer wertloser werden. Aber egal, ist ja auch schon, wenn man sich heute bis über beide Ohren verschulden kann, und dafür fast keine Zinsen zahlen muss.

Enkelschuetzer
2 Jahre her

Solange jedes Euro-Land unabhängig von seiner Größe eine Stimme im EZB-Rat hat, bestimmen die Schuldenstaaten die Geldpolitik und die Minderheit der soliden Staaten hat das Nachsehen.
Die Deutsche Bundesbank muss endlich das ihr zustehende Gewicht im EZB-Rat bekommen oder Deutschland muss den Euro verlassen.
Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Paul Brusselmans
2 Jahre her

Es wird Zeit, dieses unsägliche Experiment namens Euro zu beenden und die EU auf die EWG zu stutzen.

Manfred_Hbg
2 Jahre her
Antworten an  Paul Brusselmans

Die Deutsche D-Mark war imner eine stabile und harte Währung und überall beliebt und gerne gesehen. Heute 2021 haben wir Deutschen mit den Euro eine „Allerweltswährung“ dessen Wert von einer nicht deutschen Bank und nicht deutschen Finanz“experten)(?) bestimmt wird und der genau so schwammig und unbeständig ist wie dieses EU-Brüssel mit seinen „Politexperten“.

Ich will meine stabile D-Mark und mein eigenständiges, souveränes und stabiles Deutschland zurück…..!

Dirk Bender
2 Jahre her
Antworten an  Paul Brusselmans

Die EZB hält sich nicht an ihre Mandate die ihr vorgegeben worden sind.  Beispiel 1: Der Kauf von Staatsanleihen verstößt gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Zwar verbietet Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausdrücklich nur den „unmittelbaren Erwerb“ von Schuldtiteln der Regierungen durch die Zentralbanken. Die EZB kauft daher Anleihen nur am Sekundärmarkt, also von den Banken. Ökonomisch läuft aber auch dies auf die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse hinaus. Kaufen die Geschäftsbanken mit dem frisch geschöpften Geld der Zentralbank neue Staatsanleihen, fließt das Geld an den Staat, der damit seine Haushaltsdefizite finanziert. So kommt… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Dirk Bender
StefanB
2 Jahre her

Man darf auf keinen Fall vergessen zu erwähnen, dass es auch große Profiteure der EZB-Umverteilungspolitik gibt: die zahlreichen Pleitestaaten und die Klimaindustrie sowie alles, was sich inzwischen dafür ausgibt. Stichwort „von unten nach oben“.

Dirk Bender
2 Jahre her
Antworten an  StefanB

Die EZB sollte komplett unabhängig sein, darf nicht von den Regierungen beeinflusst werden. Warum wurde das gemacht? Es wurde deshalb gemacht, weil man sie als eine Art Gegenspieler zur Regierungen etabliert hat, mit einer einzigen vorgegebenen eindimensionalen Zielfunktion, nämlich auf eine Größe zu schauen und das ist die Geldstabilität, alles andere ist für sie unwichtig, das sind politische Bereiche die bleiben im Bereich der Politik. Um diese Zielfunktion zu erreichen hat sie die Unabhängigkeit bekommen und es darf ihr keiner dafür reinreden, aber natürlich nur in diesem einen Bereich. Denn es gibt andere Bereiche, da gibt es einfach sehr viele… Mehr

Falk
2 Jahre her

Optimismus?
Nichts wird sich vorerst normalisieren. Der Zug ist abgefahren. Drüben bei den Amis, als auch hier. Als ob eine Reduzierung um lumpige 15mrd auf „nur noch“ 105mrd mtl einen Schritt Richtung Normalisierung darstellen würden.
Bei Überschwemmung, das wasser steht ums Haus, einen Eimer aus dem gefluteten Keller zu schöpfen hat einen ähnlichen Effekt.

Was es aber geben wird, ist eine neue Normalität. Wie auch immer die aussehen mag.

Last edited 2 Jahre her by Falk
Willi4
2 Jahre her

Eine Abkehr von der von der EZB präferierten „new monetary theorie“ ist im Euroraum gar nicht möglich, weil die unbelehrbaren Verschuldungsfantasten in Südeuropa einschl. Frankreich dann sofort „Insolvenz“ anmelden müssten. Es kann nur im Crash enden. Für Deutschland heißt das :“Mit(gegangen)verschuldet mit untergegangen(gehangen)“, um ein altes Sprichwort umzuformulieren.